Meine Presseschau:Das Ende der Ära Zuma

Meine Presseschau: Ausgewählt von Bernd Dörries, Korrespondent in Südafrika.

Ausgewählt von Bernd Dörries, Korrespondent in Südafrika.

"Druck auf Jacob Zuma nimmt zu" - das ist so eine klassische Überschrift, wie sie in Südafrika beinahe jeden Tag zu lesen ist. Muss er jetzt wirklich weg? Und danach?

Von Bernd Dörries

In den vergangenen Monaten konnte man eigentlich an jedem Tag eine Zeitung aufschlagen in Südafrika oder auf ein Newsportal im Internet gehen und einen Text darüber lesen, dass der Präsident des Landes kurz vor der Ablösung stehe. "Druck auf Jacob Zuma nimmt zu" ist so ein Klassiker - wenn man all diesen Druck einmal zusammenzählt, muss man sagen, dass es schon längst zu einer Explosion hätte kommen müssen, Zuma hat aber offenbar die Gesetze der Physik hinter sich gelassen. Seit Monaten wird mit seinem Abgang gerechnet, seit Monaten weigert sich Zuma zu gehen. Er habe wie viele Südafrikaner sein ganz eigenes Zeitkonzept, witzeln die Zeitungen - in einem Land, in dem "now" nicht "jetzt" heißt, sondern irgendetwas zwischen "vielleicht" und "irgendwann". Irgendwann wird Zuma sicher gehen, und manchen Zeitungen in Südafrika scheint der Abschied schwerzufallen. Obwohl sie seit Jahren gegen Zuma anschreiben.

Der Mail & Guardian hat gerade zusammengezählt, dass Zuma in den vergangenen Jahren mehr als 200-mal auf dem Titelblatt der Wochenzeitung zu sehen war, und druckte am Freitag noch einmal ein Best-of von 128 Titelseiten. Die Themen sind immer dieselben: Korruption, Inkompetenz und der Niedergang der Nation. Und während manche Leser womöglich ein bisschen müde wurden mit der Zeit, scheint Zuma gar nicht älter geworden zu sein auf den Bildern. Auf manchen sieht er recht fröhlich aus, so, als ob man ihm nichts anhaben könne. Am Freitag ist sich der Mail & Guardian aber dennoch wieder sicher: Zuma ist bald weg, und zwar "now now", das bedeutet in Südafrika aber wirklich jetzt. Und danach? In einem Leitartikel mahnt die Zeitung vor übertriebener Euphorie. "Zuma nimmt seine Sauerei nicht einfach mit. Für viele Südafrikaner spielt es keine Rolle, wer das Land regiert, es ändert sich nichts." Nicht sehr schnell zumindest, zu groß sei der Schaden, der Zuma im ANC und Staatswesen angerichtet habe.

Für viele Südafrikaner hat die Ära Zuma aber auch positive Aspekte. Der Präsident hat gestohlen, betrogen und gelogen, aber er hat das Land nicht gebrochen. Es gibt eine vitale Zivilgesellschaft, es gibt eine starke Verfassung, es gibt den Widerstand, der in anderen afrikanischen Ländern oft fehlt gegen die Autokraten. Zuma muss gehen, vielleicht sogar ins Gefängnis. All seine Skandale wurden von großartigen Journalisten aufgedeckt, allen voran das Online-Portal Daily Maverick hat Hundertausende E-Mails ausgewertet von der korrupten Zuma-Clique. Jetzt beharrt der Maverick auf einer strafrechtlichen Verfolgung Zumas und stellt besorgt die Frage, ob der womöglich eine Art Immunität bekommen könnte, als Belohnung für einen Rückzug. "Das ist illegal und völlig undenkbar, es wird für Zuma keinen juristischen Deal geben. Das einzig Denkbare ist die Übernahme der Gerichtskosten für Zumas Anwälte." Die wird er brauchen, etwa 800 Fälle der Korruption stehen vor der Anklage.

Alles bekannte Fälle, die bisher ohne Konsequenz geblieben waren, Zuma hat in den vergangenen Jahren ein gutes Dutzend Misstrauensvoten im Parlament überstanden. Das Portal Times live denkt deshalb laut über eine Änderung des politischen Systems nach: Die Abgeordneten des ANC seien bisher nicht den Wählern verpflichtet, sondern allein der Partei, es gibt kein Wahlkreissystem. "Das bedeutet, dass die Abgeordneten seit 1994 immer der Parteilinie folgen, weil sie Angst haben. Die Partei kann ihnen immer mit Ausschluss drohen und damit mit dem Verlust des Parlamentssitzes." Das Ende der Ära Zuma sei ein guter Zeitpunkt, um Staat und Parteien klarer zu trennen. Die Abgeordneten müssten eine stärkere Kontrollfunktion ausüben dürfen - und von ihren Wählern dazu gedrängt werden. Damit sich die Ära Zuma nicht wiederholen kann.

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