Unterschiedlicher könnte der Blick auf die Krawalle von Hamburg nicht sein. In der Nacht zum 7. Juli haben sich Anhänger des sogenannten Schwarzen Blocks eine Straßenschlacht mit der Polizei geliefert. Kurz vor dem offiziellen Beginn des G-20-Gipfels. Am Morgen danach schreibt die linke Zeitung Junge Welt von einer "Orgie staatlicher Gewalt". Der Beitrag ist bei Facebook besonders bei Anhängern der Linken beliebt. Genauso wie das Foto eines knutschenden Pärchens. Sie trägt grüne Haare und Nietenweste. Auf seinem Arm steht: "Eat the Rich". Beide sind klatschnass vom Wasserwerfer. Demo-Romantik, der die CSU ein recht martialisches Bild von Polizisten in Kampfmontur entgegensetzt: Dunkle Uniform, Handschuhe, Helm mit Visier. Dazu der Kommentar: "Für Recht und Ordnung. Gegen linke Gewalt." Das gefällt auch Anhängern der AfD. Die Fronten sind rund um den G-20-Gipfel eindeutig, Linke stehen Konservativen und Rechten gegenüber. Auch in den sozialen Netzwerken.
Facebook ist zu einer wichtigen Größe in der politischen Arena geworden (mehr dazu im SZ-Datenprojekt Der Facebook-Faktor): Meinungsbildung findet mehr und mehr in den Filterblasen der sozialen Netzwerke statt. Das gilt auch für die Bundestagswahl. Je näher der Termin rückt, desto härter wird der Wahlkampf. Die Frage ist: Wie beeinflussen diese Blasen Wahlentscheidungen?
Die SZ-Datenanalyse vom Mai hat gezeigt: Dicht verschlossene Filterblasen gibt es in der politischen Landschaft Facebooks in Deutschland nicht. Wohl aber Echokammern, in denen politische Botschaften innerhalb eines bestimmten Milieus widerhallen und so verstärkt werden - ein Phänomen, das umso ausgeprägter ist, je weiter man im politischen Spektrum nach rechts rückt. Auf der Datenanalyse basieren die Nachrichten-Feeds oben, mit ihnen lässt sich eine Tür zu den Echokammern der anderen aufstoßen.
Die von der SZ im Zusammenarbeit mit unserem Partner, dem Social-Media-Monitoring-Tool Storyclash, zusammengestellten Timelines der sieben großen Parteien ermöglichen einen Einblick in mögliche, auf Datenanalysen basierende Facebook-Welten des politischen Gegners. Wählen Sie dazu per Klick auf den Pfeil rechts oben und das sich öffnende Menü zwei Parteien aus. Die Timelines aus deren Milieu werden Ihnen dann im direkten Vergleich präsentiert.
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Hinweis der Redaktion: Mit dem Jahreswechsel 2017/18 werden die Nachrichtenfeeds der einzelnen Parteien nicht mehr aktualisiert. Ein Vergleich zurückliegender Posts bleibt aber weiterhin möglich.
Bei den in den jeweiligen Feeds angezeigten Posts handelt es sich nicht um Inhalte der SZ Digitale Medien GmbH, sondern um Posts, die von den dort angegebenen Urhebern im sozialen Netzwerk Facebook veröffentlicht wurden. Die SZ Digitale Medien GmbH distanziert sich hiermit ausdrücklich vom Inhalt der Seiten Dritter. Die dort gezeigten Inhalte entsprechen nicht notwendigerweise der Meinung der SZ Digitale Medien GmbH. Die SZ Digitale Medien GmbH ist nicht verantwortlich i. S. von § 55 Absatz 2 RStV. Posts mit beleidigenden, diskriminierenden oder sonstigen strafrechtlich relevanten Inhalten können Sie uns über das Flaggen-Icon am oberen Rand jedes Beitrags melden.
Was die Feeds nicht sein können und wollen: exakte Nachbildungen realer Facebook-Timelines, wie Sie und andere Nutzer sie in Ihrem privaten Profil sehen. Diese sind stark von persönlichen Vorlieben und Verbindungen geprägt. Uns war mit diesem Tool daran gelegen, ein möglichst objektives, abstrahiertes Bild zu liefern, das nicht von individuellen, privaten Likes verzerrt ist. Die Feeds setzen sich aus den beliebtesten Posts der beliebtesten Seiten im Umfeld der jeweiligen Partei zusammen und vermitteln so einen Eindruck von den Themen, Meinungen und Stimmungen in diesem Umfeld. (Wie genau wir die Feeds konstruiert haben und was die Datenbasis dahinter ist, lesen Sie hier)
Facebook als Nachrichtenmedium
In allen so berechneten Milieus der Parteien spielt das soziale Netzwerk eine wichtige Rolle als Informationsplattform. Das ergibt sich ebenfalls aus unserer Datenbasis für die Feeds: Für sie haben wir die Facebook-Seiten herangezogen, die bei Nutzern aus dem Umfeld der jeweiligen Parteien besonders beliebt sind ( mehr zur Methodik). Diese Nutzer sind offensichtlich politisch interessierter als der durchschnittliche Facebook-Nutzer, so dass folgerichtig Nachrichtenbeiträge über aktuelle politische Themen besonders populär sind - von der Aussetzung der Abschiebung von Flüchtlingen nach Afghanistan bis zum Tod des Studenten Otto Warmbier, der in Nordkorea inhaftiert war.
Die Quellen sind allerdings von Partei-Milieu zu -Milieu unterschiedlich. Anhänger der AfD nutzen - wie die anderer Parteien auch - zwar durchaus große Nachrichtenportale wie Focus Online oder Huffington Post und teilen deren Posts. Doch weit häufiger tauchen in deren Feed alternative Medien auf oder Beiträge rechter Gruppierungen. Viele gelikte Posts stammen beispielsweise von der Epoch Times oder Russia Today Deutsch, Nachrichtenseiten, die mit ihren Spins oft gezielt Ängste vor Migranten schüren und auch andere Themen bedienen, die im rechten Milieu oft geteilt werden. Es finden sich auch Inhalte der rechtsextremen Identitären Bewegung. Aber auch persönliche Beiträge von US-Präsident Donald Trump, der AfD-Vorsitzenden Frauke Petry, dem FPÖ-Politiker Norbert Hofer oder Marine Le Pen vom rechtsextremen Front National werden favorisiert. Anhänger der anderen Parteien teilen vor allem große Medien wie Tagesschau, ZDF-heute-Nachrichten, Spiegel Online oder überregionale Tageszeitungen.
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Jenseits der AfD-Echokammer spielt auch Unterhaltung eine wichtige Rolle. Zwischen harten Nachrichten taucht immer wieder Promi-Klatsch auf. Bei der Linken wie bei der CSU interessiert man sich für die Hochzeit von Torhüter Manuel Neuer oder Diskussionen über Windeln im Hause Lombardi.
Ansonsten können sich die Anhänger parteiübergreifend für Fußball begeistern. Als Deutschland Anfang Juli den Confed Cup gewann, elektrisierte das vor allem die Anhänger von CDU, FDP und SPD. Bei der Linken interessierte man sich vor allem für den neuen Trailer des B-Movies "Sharknado".
Es gibt einen Mitte-links-Ballungsraum - und die AfD
Recht schnell wird deutlich, dass vermeintlich abgeschlossene Filterblasen in weiten Teilen des politischen Spektrums in Deutschland nicht existieren. Zumindest im breiten Spektrum von Linkspartei bis CDU gibt es große Schnittmengen, Nutzer aus verschiedenen parteipolitischen Milieus begegnen häufig denselben Beiträgen. Denn auch bei den beliebtesten Seiten, aus denen sich die Feeds speisen, gibt es vielfach Überlappungen zwischen den Partei-Milieus. Zum Beispiel haben CDU und CSU sowie SPD und Grüne mehr als die Hälfte dieser Seiten gemein. Viele Bürger teilen also wohl entgegen der Filterblasen-These nach wie vor so etwas wie eine gemeinsame Öffentlichkeit, auch auf Facebook.
Als sich US-Präsident Donald Trump Anfang Juni aus dem Pariser Klimaabkommen zurückzog, gab es weltweit Kritik, die sich auch in den Feeds widerspiegelte: Anhänger der großen Parteien likten besonders häufig ein Video des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der die Entscheidung verurteilte und verkündete: "Make our Planet Great Again."
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Die parteipolitischen Unterschiede sind dabei marginal. In der Diskussion um die Ehe für alle veröffentlichten Grüne, Linke und SPD auf ihren Parteiseiten Ende Juni eigene Beiträge, in denen sie die Gleichstellung homosexueller Paare forderten. Diese tauchten auch in den Feeds auf. In den CDU/CSU-nahen Feeds finden sich Kommentare von großen Nachrichtenseiten, die die Ehe für alle unterstützen. Ablehnung wird dagegen besonders unter den Anhängern der AfD deutlich. Beliebt ist beispielsweise ein Beitrag des AfD-Vorsitzenden Jörg Meuthen, der Merkel vorwirft, mal wieder "umgefallen" zu sein. Sowie eine Karikatur der Jungen Freiheit, die anlässlich der Verabschiedung der Ehe für alle im Bundestag Homosexuelle und Muslime diffamiert. Zu sehen sind zwei Männer, die auf dem Standesamt anstehen, um zu heiraten - aber auch ein Junge mit seinem Plüschtier, sowie ein Mann mit Turban und Bart, der mehrere Frauen in Burka an der Leine führt.
Aber auch über solche politischen Einzelereignisse hinaus wird deutlich: Im Feed der AfD-Welt zeigen sich deutliche Unterschiede zu den übrigen Parteien. Das AfD-Milieu scheint tatsächlich inhaltlich und strukturell vom Rest abgeschieden in seiner eigenen Echokammer auf Facebook zu verharren. Bei den bevorzugten Posts liegt der Fokus auf bestimmten Themen, mit denen die AfD offenbar ihre Anhänger mobilisieren kann: Asylfragen, Flucht sowie Russland und Putin.
Die Zuwanderung von Flüchtlingen steht in den Beiträgen stets im Zusammenhang mit steigender Kriminalität und Terrorgefahr. Die AfD selbst leitet daraus ihre restriktive Flüchtlingspolitik ab. Sehr beliebt war etwa der Beitrag der AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel, in dem sie unter anderem forderte, Flüchtlinge an den europäischen Grenzen abzuweisen. Die AfD bezieht auch zu anderen Themen politisch Stellung: Auf der offiziellen Facebook-Seite der Partei finden sich Beiträge über das Bankgeheimnis oder Polizeigewalt. Doch unter den Anhängern sind offensichtlich vor allem Posts beliebt, die sich gegen Flüchtlinge und Migranten richten.
Somit lassen sich auf Facebook zwei politische Räume ausmachen, zwischen denen es nur wenige Überschneidungen gibt: jener der Anhänger von Linke, Grünen, SPD, FDP und Union - und jener der AfD. Nur manchmal taucht im Feed der AfD ein Post der Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht auf, die mit kritischen Äußerungen zur Asyl- und Finanzpolitik der Bundesregierung auch bei Anhängern der Rechtspopulisten punkten kann.
Von den übrigen Parteien ist im AfD-Milieu nur die CSU präsent: Die Schnittmengen beliebter Seiten ist bei diesen beiden Parteien relativ hoch, so dass immer wieder auch Beiträge der CSU-Facebookseite auftauchen - zumal, wenn die Posts inhaltlich AfD-Positionen unterstützen und sie eine größere Popularität erreichen. Das Thema Kinderehe war in den vergangenen Wochen sehr präsent, meist im Zusammenhang mit Flüchtlingen beziehungsweise Migranten. Die CSU nutzte eine Bundestagsabstimmung zum Verbot von Kinderehen, um sich klar von den Grünen abzugrenzen. Das belohnten auch viele AfD-Anhänger mit Likes.
Geschlossenes Weltbild im Feed der AfD-Anhänger
Die AfD-nahe Facebook-Welt selbst ist also auf bestimmte Themen fokussiert. Aber auch die Intonierung der Beiträge ist meist tendenziöser als in den anderen Milieus. Im Bezug auf Flüchtlinge geht es in der Regel um Kriminalität, Asylmissbrauch und Terrorismus. Aufgegriffen werden lediglich negative Berichte, wie etwa die versuchte Vergewaltigung einer jungen Frau in Wien durch einen afghanischen Flüchtling. Das Thema wird in einem Beitrag darauf reduziert, dass die Staatsanwaltschaft einen "Sextäter" aus Afghanistan freiließ. "Was ist bloß mit Teilen unserer Justiz los? Und wie schlecht sind unsere Gesetze?", so der Kommentar. Das vollständige Bild ist ein anderes: Die Staatsanwaltschaft konnte den jungen Mann tatsächlich vorerst nicht in Haft behalten, ließ ihn dann aber doch festnehmen.
Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry verband wiederum die schwierige finanzielle Situation der gesetzlichen Rentenkasse mit der Flüchtlingsproblematik. Für "Merkels Gäste" sei Geld da - aber nicht für ältere Deutsche, hieß es in ihrem Beitrag sinngemäß. Beiträge wie diese dienen vor allem dazu, gezielt Stimmung gegen Flüchtlinge und Muslime zu machen.
In der Deutung der AfD sind Einwanderer immer undankbar oder versuchen, Deutschland in ein muslimisches Land zu verwandeln. Der Feed ist der Raum, in dem diesen Deutungen kaum widersprochen wird, sie noch verstärkt werden. Als die Supermarktkette Lidl während des Ramadan eine orientalische Woche startete, monierten Kunden, dass ein Produkt mit Schweinefett produziert wurde, obwohl Muslime kein Schwein essen. Die AfD sah sich allein durch die Beschwerden bestätigt, dass eine Islamisierung im Gange sei, weil die Kritiker zugunsten von Muslimen argumentierten. Die Partei empfahl ihnen, in ein muslimisches Land zu ziehen.
Anders als bei anderen Parteien spielen im Facebook-Umfeld der AfD Klatsch-und Tratschgeschichten keine Rolle. Möglicherweise liegt das an der starken thematischen Fixierung auf Asyl-und Flüchtlingsfragen. Tiervideos schafften es im gesamten Untersuchungszeitraum nur selten unter die favorisierten Beiträge. Allerdings: Über den Gorilla, der in einem Planschbecken tanzt, können auch AfD-Anhänger lachen.