Die Bundesregierung will die deutschen Gaskunden angesichts rasant steigender Energiekosten mit einer milliardenschweren Steuersenkung entlasten. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kündigte am Donnerstag an, dass die Mehrwertsteuer auf den Gasverbrauch von 19 auf sieben Prozent gesenkt werde. Der ermäßigte Steuersatz solle von Anfang Oktober bis Ende März 2024 gelten - also so lange, wie auch die neue Gasumlage erhoben wird.
Die Mindereinnahmen beziffert das Finanzministerium allein für die sechs Monate zwischen Oktober und März 2023 auf knapp fünf Milliarden Euro. Über die Zeit danach lasse sich angesichts ungewisser Gaspreise keine Prognose abgeben. Die steigenden Energiepreise seien eine "große Belastung für sehr viele Bürgerinnen und Bürger", sagte Scholz. "Wir erwarten von den Unternehmen, dass sie diese Senkung eins zu eins an die Verbraucher und Verbraucherinnen weitergeben." Das werde man "sehr klar kommunizieren".
Erst am Montag war die Höhe jener Umlage bekannt geworden, mit der sich Gaskunden an der Rettung angeschlagener Gasimporteure beteiligen sollen. Mit ihren gut 2,4 Cent je Kilowattstunde zieht sie für betroffene Haushalte Mehrkosten von mehreren Hundert Euro im Jahr nach sich, je nach Verbrauch. Wegen europarechtlicher Vorgaben muss der Staat auf die Umlage zudem Mehrwertsteuer erheben; sie stiege damit auf knapp 2,9 Cent. Versuche, in Brüssel noch eine Ausnahme zu erreichen, waren zu Beginn der Woche gescheitert. Die Regierung sei sich einig, dass den Gaskunden keine zusätzliche Belastungen entstehen sollten aus der obligatorischen Erhebung der Mehrwertsteuer auf die Umlage, sagte Scholz. Insgesamt würden Gaskunden "deutlich stärker" entlastet, als sie durch die Umlage belastet werden.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nannte die Steuersenkung "folgerichtig". Zudem entstehe "nicht noch zusätzlicher Aufwand", weshalb die Senkung schnell bei den Verbrauchern ankomme. Auch der Energieverband BDEW sprach von einer "wichtigen Entlastung". Allerdings sei auch beim Strom eine Entlastung nötig, sagte Verbandspräsidentin Marie-Luise Wolff. "Deshalb sollte auch hier die Mehrwertsteuer analog der heutigen Entscheidung vorübergehend gesenkt werden."
Doch in den Ländern und unter Ökonomen stößt die Entscheidung auf scharfe Kritik. Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz, ein Grüner, sprach in einer Twitter-Botschaft von der "nächsten Entscheidung, die ökonomisch völlig falsche Wirkung erzielt". Ein knappes Gut dürfe nicht für alle pauschal günstiger gemacht werden, besser seien gezielte Hilfen. Ähnlich äußerte sich Clemens Fuest, der Präsident des Münchner Ifo-Instituts. Eine Umsatzsteuersenkung für Gas sei "nicht zielgenau", sagte der Ökonom der Süddeutschen Zeitung. "Man sollte sich darauf beschränken, Haushalten mit niedrigen Einkommen zu helfen."
Gaskunden sollen sich derweil künftig auch an den Kosten für die Befüllung der Gasspeicher beteiligen. Am Donnerstag legte das Unternehmen Trading Hub Europe, das den deutschen Gasmarkt managt, die entsprechende "Speicherumlage" fest: Sie liegt bei 0,059 Cent je Kilowattstunde. Bei einer Familie mit 15 000 Kilowattstunden Jahresverbrauch macht das knapp neun Euro im Jahr aus.