Süddeutsche Zeitung

Afghanistan-Einsatz:Was die Bundeswehr mit bewaffneten Drohnen plant

Es ist völkerrechtlich umstritten, bewahrt Soldaten aber vor Risiken für Leib und Leben: Die Vereinigten Staaten nutzen schon seit langem unbemannte Flugzeuge, um in Afghanistan, Pakistan oder Somalia Terroristen auszuschalten. Auch die Bundeswehr verfügt über Drohnen - bisher aber nur unbewaffnete. Das soll sich ändern - Verteidigungsminister de Maizière macht Druck.

Peter Blechschmidt, Berlin

Die Zukunft der Luftfahrt gehört den unbemannten Maschinen. Wer dies heute sagt, wird längst nicht mehr als Utopist abgetan. Erst recht gilt dies für die militärische Seite der Medaille. Die Erfahrungen mit unbemannten Flugzeugen, sogenannten Drohnen, vor allem in Afghanistan und in Pakistan, beflügeln die Phantasien von Luftwaffenchefs weltweit. Auch die Bundeswehr preist ihre Drohnen und präzisiert ihre Zukunftsplanungen auf diesem Gebiet.

Verteidigungsminister Thomas de Maizière treibt das Projekt voran. Er stellt sich insbesondere der damit verbundenen Debatte, ob es ethisch vertretbar ist, solche Systeme nicht nur zur Aufklärung zu nutzen, sondern sie auch als Waffe einzusetzen, wie es vor allem die Amerikaner in ihrem Kampf gegen Terroristen tun.

Für den neuen Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Karl Müllner, steht außer Frage, dass die Bundeswehr die Fähigkeiten unbemannter Flugzeuge "in allen Bereichen" einschließlich des Einsatzes von Waffen "optimieren" müsse, so Müllner in einem kürzlich vorgelegten Papier über die "Luftmacht 2030".

Konkret geht es für die Bundeswehr zurzeit darum, die Nutzung von Aufklärungsdrohnen in Afghanistan mittelfristig sicherzustellen. Neben vier Typen von Klein-Drohnen, mit denen man, so ein einsatzerfahrener Offizier, "um die Ecke und über die nächste Mauer schauen kann", hat die Bundeswehr am Hindukusch drei sogenannte UAVs im Einsatz; UAV steht für Unmanned Aerial Vehicle. Überall im Militär sind englische Begriffe und die entsprechenden Abkürzungen Standard.

Die Bundeswehr also nutzt in Afghanistan drei UAVs des Typs Heron 1. Die Heron wird in Israel gebaut. Die Bundeswehr hat die Maschinen von einem Konsortium geleast, dessen deutscher Partner die Rüstungsfirma Rheinmetall ist. Rheinmetall stellt auch die Techniker für die Wartung der Maschinen. Der ursprünglich bis Oktober 2012 befristete Leasing-Vertrag wurde inzwischen bis Ende 2014 verlängert. Nun überlegt man im Verteidigungsministerium und Parlament, wie es nach 2014 weitergehen soll.

"Ohne Zeitverzug die Truppe unterstützen"

Grundsätzlich sind sich de Maizière und die meisten Fachpolitiker in der Koalition, aber auch in der SPD, einig, dass die Europäer langfristig und in multinationaler Zusammenarbeit ein eigenes UAV entwickeln sollten. Deutschland und Frankreich haben erst vor knapp zwei Wochen eine entsprechende Absichtserklärung unterzeichnet.

Auch Großbritannien und womöglich Italien und Spanien sollen ins Boot geholt werden. Das Problem dabei ist: Ein solches System wird nach Einschätzung von Fachleuten nicht vor 2020 zur Verfügung stehen. Nach den bisherigen Erfahrungen mit europäischen Großprojekten dürfte es eher später werden.

Bis es so weit ist, bieten sich verschiedene Übergangslösungen an. Die einfachste wäre, die Heron 1 weiter zu nutzen. Die Luftwaffe ist mit dem System bisher zufrieden, hätte aber gern bessere Optik und Sensorik und letztlich auch die Waffenfähigkeit. "Wenn wir beschossen oder in Hinterhalte gelockt werden, wäre die Bewaffnung der Drohne ein höchst wirksames Mittel", lässt die Bundeswehr in einer ihrer Veröffentlichungen einen Offizier in Afghanistan sagen. "Sie könnte Kleinbomben einsetzen und ohne Zeitverzug die eigene Truppe unterstützen und schützen."

Israel bastelt an einer Weiterentwicklung der Heron mit der Bezeichnung Heron TP. Luftwaffenchef Müllner macht sich für den Kauf der US-Drohne Predator B stark. Sein Argument: Dieses UAV hat sich bewährt, wird von vielen Nato-Partnern genutzt, was gemeinsame Einsätze erleichtert, und ist sofort verfügbar.

Predator B und Heron TP sind nach Einschätzung von Fachleuten in ihren Leistungen vergleichbar. Also: Raubtier ("Predator") oder Reiher ("Heron")? Eine Entscheidung wäre eher eine politische. Das Ministerium hat sich, so ein Sprecher, noch nicht festgelegt.

Mit seinem Plädoyer für die US-Drohne hat sich Müllner den Zorn des einflussreichen, für den Bundeswehrhaushalt zuständigen FDP-Abgeordneten Jürgen Koppelin zugezogen, der das europäische Projekt bevorzugt. Müllner überschreite seine Kompetenzen, wetterte Koppelin jüngst im Bundestag. "Das entscheidet immer noch das Parlament."

Der CDU-Wehrexperte Bernd Siebert und sein SPD-Kollege Rainer Arnold befürchten, dass bei einer Anschaffung der Predator der Elan zur Entwicklung eines europäischen UAV erlahmen könnte. Beide wollen die Abhängigkeit von US-amerikanischer Militärtechnologie deutlich verringern.

Siebert hat zudem die Interessen der europäischen Rüstungsindustrie im Blick. Er empfiehlt, das Projekt Talarion der EADS-Tochter Cassidian wieder aufleben zu lassen, das im Februar dieses Jahres mangels Interesses der europäischen Regierungen eingestellt worden war.

Knackpunkt Bewaffnung

Das dort bisher entwickelte Know-how könne man nutzen, so Siebert, und somit schneller zu einem einsetzbaren Produkt kommen. Beobachter halten es auch für denkbar, dass die angestrebte Fusion des deutsch-französischen Rüstungsriesen EADS mit dem britischen Konzern BAE Systems ein europäisches UAV-Projekt beflügeln könnte.

Noch ist nichts beschlossen, und doch haben die Planer im Verteidigungsministerium schon recht konkrete Vorstellungen. Im Finanzplan für die nächsten vier Jahre sind 168 Millionen Euro für drei neue Drohnen samt Bodenstation vorgesehen. Als deutscher Anteil an der Entwicklung eines europäischen UAV sind schon mal 660 Millionen Euro eingeplant.

Vor Entscheidungen über Anschaffungen wollen Politiker aller Parteien eine gründliche Debatte darüber, was die Drohnen leisten sollen und was sie nicht tun dürfen. Dabei ist die Frage der Bewaffnung der Knackpunkt. Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hellmut Königshaus, hat da eine klare Position. "Hätten unsere Soldaten bewaffnete Drohnen zur Verfügung, müssten sie nicht mehr hilflos zuschauen, wenn unsere eigenen Leute bedroht werden, sondern sie könnten eingreifen und den Gegner vertreiben, ohne Leben und Gesundheit eigener Kräfte zu gefährden", sagte Königshaus der SZ.

Solche Drohnen ermöglichten auch besser als alle Alternativen, eine Gefährdung der Zivilbevölkerung zu vermeiden. "Die vielfach geforderte ethische Debatte ist sicherlich notwendig, aber sie sollte über die Frage des Wie des Einsatzes und nicht des Ob geführt werden."

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Quelle:
SZ vom 24.09.2012/gal
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