Meeresbiologin:Stress unter Wasser

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Korallen sind empfindliche Tiere. Sie mögen es gar nicht, wenn es um sie herum zu heiß wird. Verena Schoepf von der University of Western Australia über das zu warme Meer.

Interview von Jan Bielicki

SZ: Das australische Great Barrier Reef gilt als die größte von Lebewesen geschaffene Struktur der Welt. Was für Lebewesen waren denn da am Werke? Sind es Pflanzen? Oder Tiere?

Verena Schoepf: Beides. Korallen sind Tiere. Aber sie leben in Symbiose mit Zooxanthellen, das sind einzellige Algen, die sie in ihr Gewebe aufnehmen. Diese Algen betreiben Photosynthese, und von deren Produkten, nämlich Sauerstoff und Glukose, profitiert die Koralle. Dafür bekommt die Alge den Schutz und Nährstoffe von der Koralle. Das Riff selbst besteht größtenteils aus den alten Kalkskeletten der Korallen. Die lebenden Korallen bilden nur die oberste Schicht, sie siedeln sich dort an, wo sie mehr Licht bekommen, das ihre Algen für die Photosynthese benötigen.

Doch nun sehen Sie und Ihre Forscherkollegen an vielen Riffen bleiche Gerippe. Wie kommt es zu dieser Korallenbleiche?

Korallen sind ja eigentlich transparent, ähnlich wie ihre Verwandten, die Quallen. Ihre Farbe bekommen sie hauptsächlich durch die Algen. Doch die sind sehr wärmeempfindlich. Wenn das Wasser zu heiß wird, sterben sie ab und produzieren Sauerstoff-Radikale, die auch für die Koralle schädlich sind. Die Korallen stoßen ihre Algen darum ab, und dann sieht man eben die weißen Kalkskelette, auf denen die durchsichtigen Korallen leben.

Können die Korallen ohne ihre Algen überleben?

Einige Arten können mit ihren Tentakeln genügend Nährstoffe aufnehmen. Doch die meisten schaffen das nicht, sie verzehren dann ihre eigenen Fettreserven. Damit können sie einige Wochen oder auch einige Monate überleben. Wenn das Wasser dann wieder kühl genug für ihre Algen ist, können sie sich erholen. Wenn nicht, sterben auch sie.

Was beunruhigt Sie an der Korallenbleiche, die Sie derzeit beobachten?

Quelle: James Cook University (Foto: sz)

Es ist nun die dritte globale Korallenbleiche, nach 1998 und 2010. Und es ist die allerschlimmste. Sie betrifft ja nicht nur das Great Barrier Reef und andere Riffe in Australien, das Gleiche passiert auch in den Malediven, den Seychellen, den Philippinen, in Thailand und anderswo. Im vergangenen Nordhalbkugel-Sommer gab es das auch im Pazifik, auf Hawaii und in der Karibik. Es ist ein globales Phänomen. Wie schlimm es ist, lässt sich im Great Barrier Reef sehen. In dessen nördlichen und zentralen Teilen sind bis zu 35 Prozent der Korallen schon gestorben, bei den zuvor beobachteten Korallenbleichen lag die Mortalität noch bei fünf bis zehn Prozent.

Woher kommt das?

2016 gab es Rekordtemperaturen, nachdem schon 2015 das heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen war. Da kommt das Wetterphänomen El Niño mit der vom Menschen verursachten Erwärmung des Klimas und auch der Ozeane zusammen. Diese Kombination ist zu viel für die Korallen. Wenn das Wasser um ein Grad wärmer wird, als es normalerweise im heißesten Monat des Jahres ist, beginnen die Korallen zu bleichen. Und seit der vorindustriellen Zeit sind die Temperaturen im Schnitt schon um etwa ein Grad gestiegen.

Bei wie viel Grad also wird es gefährlich?

Unterschiedlich. Im Persischen Golf halten die Korallen durchaus 34 Grad aus. In kühleren Zonen kann die Bleiche schon bei 24 oder 25 Grad beginnen. Wir hatten ja lange gehofft, im Norden Westaustraliens besonders widerstandsfähige Superkorallen ausgemacht zu haben. Aber die Hitze dieses Jahres halten sie doch nicht aus. Auch dort sind in den meisten Riffen 50 Prozent der Korallen gebleicht und mindestens 15 Prozent schon gestorben.

Können sich die Korallen wieder erholen?

Das hängt davon ab, wie lange sie im gebleichten Zustand aushalten müssen und wie stark die Hitze ist. Eine Woche bei drei Grad mehr als normalerweise im heißesten Monat ist für die Korallen so schlimm wie drei Wochen bei einem Grad mehr als normal. Und auch wenn sie die Bleiche überleben, ist der Hitzestress eine starke Belastung. Sie sind anfälliger für Krankheiten, sie wachsen weniger und pflanzen sich nicht fort in den Folgejahren. Wenn sich aber nun die Hitzejahre häufen, bleibt ihnen nicht die Zeit, sich zu erholen.

Wird es das Great Barrier Reef in 50 Jahren noch geben?

Wenn wir weiterhin Kohlendioxid im bisherigen Ausmaß in die Atmosphäre ausstoßen, halte ich es für wahrscheinlich, dass es das Riff, so wie wir es kennen, nicht mehr geben wird. Nur wenn es uns gelingt, den CO₂-Ausstoß deutlich zu senken, bleibt mehr Zeit.

© SZ vom 04.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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