Süddeutsche Zeitung

Implant Files: Patientenanwalt:"Das Implantat ist ein wichtiges Beweismittel"

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Jörg Heynemann vertritt als Anwalt Opfer fehlerhafter Herzschrittmacher, Knieprothesen und anderer Medizinprodukte. Welches Vorgehen er Patienten empfiehlt.

Von Frederik Obermaier

Jörg Heynemann, 58, ist einer der bekanntesten deutschen Fachanwälte für Medizinrecht. Seit Jahren vertritt der Berliner Jurist Opfer fehlerhafter Herzschrittmacher, Knieprothesen und anderer Medizinprodukte. Grundsätzlich empfiehlt Heynemann: alles dokumentieren.

SZ: W ie können Patienten verhindern, dass ihnen fehlerhafte Medizinprodukte implantiert werden?

Jörg Heynemann: Sie sollten sich auf jeden Fall darüber informieren, welches Implantat ihnen genau eingesetzt werden soll. Dann können sie im Internet nach dem Produktnamen in Verbindung mit Begriffen wie "Implantatversagen" oder "Implantatbruch" googeln. Wenn es viele Treffer gibt, sollten sie das Gespräch mit dem behandelnden Arzt suchen. Es ist aber so, dass viele Ärzte und Kliniken Verträge mit bestimmten Herstellern haben und deshalb versuchen werden, die Produkte trotzdem anzupreisen.

Wie weit kann man den Ärzten denn dann überhaupt trauen?

Den meisten Ärzten kann man sicher vertrauen, aber man sollte gezielt nachfragen. Und wenn man merkt, der preist eine bestimmte Prothese übertrieben an, dann würde ich lieber noch mal woanders hingehen. Ich rate auch dringend dazu, nichts einsetzen zu lassen, was als das Neueste und Innovativste verkauft wird.

Warum nicht?

Neu klingt gut, aber weil die Zulassungsvoraussetzungen für Medizinprodukte in Deutschland so niedrig sind und damit die Sicherheit nicht gewährleistet wird, kann ich davon nur abraten. Je länger ein Produkt auf dem Markt ist, ohne dass es zu Problemen kommt, umso besser.

Angenommen, ich habe ein Implantat und es stellt sich heraus, dass es fehlerhaft ist: Was tun?

Erst mal zum Arzt gehen und alles dokumentieren lassen. Wenn das Implantat dann entfernt werden muss: sicherstellen, dass es nach der Operation ausgehändigt wird. Das Implantat ist ein wichtiges Beweismittel.

Wer übernimmt die Kosten für die Entfernung eines kaputten Implantats?

In der Regel zahlen die Krankenkassen. Wenn Prothesen wegen eines Produktfehlers explantiert werden müssen, dann zahlen die Hersteller in der Regel das Ersatzprodukt. Zwar versuchen die Krankenkassen normalerweise, Regressansprüche geltend zu machen. Auf dem Großteil der Kosten bleibt meist aber die Allgemeinheit - in Form der Versichertengemeinschaft - sitzen.

Können Betroffene vom Hersteller Schadenersatz oder Schmerzensgeld verlangen?

Selbstverständlich. Schmerzensgeld auf jeden Fall, und wenn es beispielsweise zu einem Verdienstausfall kam, auch Schadenersatz.

In den USA bekommen Patienten oft Entschädigungen in Millionenhöhe. Welche Summen sind in Deutschland üblich?

Im Verhältnis zu Amerika ist das hier noch immer ein Witz. Aber es hat sich zuletzt etwas getan. Mittlerweile kommen wir immer öfter in den fünfstelligen Bereich, 20.000 bis 30.000 Euro sind durchaus realistisch. Und das ist auch nur angemessen.

Was ist, wenn mein Implantat zurückgerufen wird, bei mir aber noch makellos funktioniert?

Haftungsrechtlich kann man nur Ansprüche geltend machen, wenn ein Schaden auch wirklich entstanden ist. Solange beispielsweise eine Hüftprothese funktioniert, ist kein Schaden entstanden. Was ich aber schon mal hatte: Eine Klientin hatte eine Prothese, die jederzeit brechen konnte, und sie hatte dann furchtbare Angst, auf die Straße zu gehen. So etwas ist eine psychische Beeinträchtigung, das ist auch ein Schaden.

Hätte ich einen Anspruch, dass das Implantat in einem solchen Fall ausgetauscht wird?

Ja. Wenn man prophylaktisch einen Schaden vermeiden will, kann man das machen. Man sollte aber sorgsam abwägen, ob man sich noch mal operieren lässt. Jede Operation birgt ein Risiko.

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