Medizin:Herz über Kopf

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Patientenschützer fordern, Transplantationszentren rasch und umfassend zu kontrollieren.

Von Christina Berndt, München

Vor dem Hintergrund der am Donnerstag bekannt gewordenen Unregelmäßigkeiten bei Herztransplantationen am Universitätsklinikum Heidelberg fordern Patientenschützer staatliche Kontrollen. Es sei dringend Zeit, alle 47 Transplantationszentren zügig und intensiv zu überprüfen, forderte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. "Dafür braucht es jetzt dringend professionelle und staatliche Strukturen. Das bisherige Modell mit zumeist ehrenamtlichem Personal kann das unmöglich schaffen." In Heidelberg hatten in den Jahren 2010 und 2011 mehr als 30 Patienten Spenderherzen bekommen, obwohl sie, wenn ihre Ärzte korrekt gehandelt hätten, noch nicht an der Reihe waren. Es seien exakt 33 Patienten gewesen, sagte der Ärztliche Direktor des Klinikums, Guido Adler, am Freitag und korrigierte damit die eigenen Angaben vom Vortag um einen Patienten nach unten. Es habe in einem Fall einen Übermittlungsfehler gegeben.

In Heidelberg wurde bei mehr als der Hälfte der Patienten manipuliert

Die Zahl der Manipulationen ist erheblich: Insgesamt hatten in Heidelberg in den Jahren 2010 und 2011 nur 57 Patienten ein Spenderherz erhalten - manipuliert wurde also bei mehr als der Hälfte der Patienten. Diese Patienten bekamen Medikamente in hoher Dosierung, die sie nicht gebraucht hätten.

Unklar ist bisher nicht nur, ob die hohen Medikamentendosen den Patienten geschadet haben. Unklar ist auch, wie es den Patienten ergangen ist, die übergangen wurden. "Es ist schwer nachweisbar, dass irgendein anderer Patient dadurch einen Schaden erlitten hat", sagte Adler. Deshalb ermittelt die Staatsanwaltschaft auch nur wegen Verdachts auf versuchte gefährliche Körperverletzung und nicht, wie dies nach Manipulationen in Göttingen der Fall war, wegen versuchten Totschlags.

Die Aufsichtsratsvorsitzende des Universitätsklinikums Heidelberg, Simone Schwanitz, sagte der Deutschen Presseagentur, die rechtlichen und medizinischen Vorgaben für Transplantationen müssten uneingeschränkt und jederzeit eingehalten werden. Das Klinikum selbst habe ein hohes Interesse an der Aufklärung. Wichtig sei, dass Lehren für die Zukunft gezogen und die Vorgaben verlässlich eingehalten würden, so Schwanitz.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz forderte angesichts der nicht abreißenden Transplantationsskandale eine professionellere Überprüfung, etwa durch das staatliche Robert-Koch-Institut. Die derzeit zuständige Prüfkommission, die bei der Bundesärztekammer angesiedelt ist und aus ehrenamtlichen Mitarbeitern besteht, "arbeitet immer noch die Jahre 2010 bis 2012 ab", beklagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch. "Aussagen über Zeiträume davor können nicht getroffen werden." Es sei dringend erforderlich, alle Transplantationen der vergangenen 15 Jahre zu untersuchen, so Brysch. "Schließlich sind die meisten der Transplantationsmediziner immer noch im Amt."

© SZ vom 17.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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