Corona:Booster für alle Erwachsenen

Auffrischimpfung gegen das Coronavirus

Booster gegen Corona: Eine Mitarbeiterin eines Impfzentrums in Baden-Württemberg verabreicht eine Auffrischimpfung gegen das Coronavirus.

(Foto: Bernd Weißbrod/dpa)

Die Ständige Impfkommission will die Auffrischung ab 18 Jahren empfehlen. Ärzte und Impfzentren stehen vor erheblichem Aufwand, Kanzlerin Merkel fordert eine "nationale Kraftanstrengung".

Von Werner Bartens

Die Ständige Impfkommission (Stiko) will allen Erwachsenen eine Booster-Impfung gegen das Coronavirus empfehlen. Stiko-Vorsitzender Thomas Mertens kündigte im ZDF an, dass es nicht lange dauern würde, bis sich die Kommission entsprechend äußern werde. Trotz der allgemeinen Empfehlung ab 18 sei es aber sinnvoll, "so weit wie möglich nach absteigendem Lebensalter vorzugehen". Bisher wurde die dritte Spritze nur für Menschen ab 70 empfohlen, deren Zweitimpfung bereits länger als sechs Monate zurückliegt.

Seit dem Sommer hatten mehrere Studien gezeigt, dass der Impfschutz nach der Zweitimpfung mit der Zeit nachlässt. Zwar bleibt der Immunschutz individuell unterschiedlich lange erhalten, nach sechs Monaten sei es aber sinnvoll, ihn mit einer dritten Spritze zu erneuern. Israel hatte mit dieser Strategie die vierte Welle erfolgreich gebrochen, dazu reichte es, dass die Hälfte der Bevölkerung Booster-Impfungen bekam. Immunologen lehnen den Begriff "Auffrischimpfung" ab, weil sich der Immunschutz nach der dritten Impfung im Vergleich zur zweiten erhöht und "viel besser" sei, wie Carsten Watzl von der Deutschen Gesellschaft für Immunologie zuletzt betont hatte.

Trotz der Empfehlung für die Booster-Impfung sechs Monate nach der Zweitimpfung gilt der Zeitabstand lediglich zur Orientierung. Zudem ist er vom zuvor verwendeten Vakzin abhängig. Nach Gabe des Einmalimpfstoffs von Johnson & Johnson, den drei Millionen Menschen in Deutschland bekommen haben, ist ein Booster nach wenigen Wochen sinnvoll. Der Schutz nach Impfung mit dem Astra-Zeneca-Vakzin hält Studien zufolge nicht so lange wie jener durch die mRNA-Impfstoffe. Aus diesen Erkenntnissen leitet sich die Empfehlung von sechs Monaten ab.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte am Dienstag die Vertragsärzte per Rundschreiben gebeten, "auch zur Vereinfachung der Abläufe flexibel vorzugehen". Der vorgesehene Booster-Abstand von sechs Monaten sei "als zeitliche Richtschnur zu verstehen, der natürlich nicht tagesgenau einzuhalten ist". Jede Patientin und jeder Patient ab 18 Jahren könnte demnach "zeitnah und auch vor Ablauf der sechs Monate im eigenen Ermessen" geimpft werden.

Für Ärzte wie für die - teilweise längst geschlossenen - Impfzentren wird das personell wie logistisch zur Herausforderung, immerhin sind in Deutschland etwa 56 Millionen Menschen vollständig geimpft, die Booster-Impfung haben erst 4,4 Millionen erhalten. "Pandemisch ist es sinnvoll, keine Frage, wir müssen nur aufpassen, dass die Priorisierung nicht außer Kontrolle gerät", sagt Markus Beier, Chef des Bayerischen Hausärzteverbandes. "Alte und Kranke haben Vorrang, aber bereits jetzt fragen 30-Jährige an, um sich den Winterurlaub zu sichern, was ich derzeit sowieso für Unfug halte." Der Ton werde rauer, Mitarbeiter würden beschimpft. "Wir sind in einer katastrophalen Situation und schon am Limit, jeder tut, was er kann", so Beier. "Doch das gesellschaftliche Klima wird aggressiver."

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte in einer Rede auf dem Deutschen Städtetag "eine nationale Kraftanstrengung" für Booster-Impfungen gefordert, die "von größter Bedeutung" seien. Sie bat um "Unterstützung - unbürokratisch und mit allem, was logistisch auf die Beine gestellt werden kann -, damit wir die vor uns liegenden sehr schwierigen Wochen halbwegs glimpflich überstehen können".

Als wenig hilfreich werden hingegen Äußerungen empfunden wie jene von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU), Ärzte sollten "impfen statt golfen". Beier findet solche Zwischenrufe "unsäglich, zudem lenken sie vom eigenen Politikversagen ab". Ärzte beklagen generell eine schlechte Kommunikation durch die Politik. So habe Gesundheitsminister Spahn das Thema Booster aufgebracht - zwei Tage nachdem Ärzte die letzte Möglichkeit hatten, Impfstoff zu ordern, wofür bis vor Kurzem zwei Wochen Vorlauf nötig waren. Erst seit wenigen Tagen sind Bestellungen mit einer Woche Vorlauf möglich, "deshalb gibt es diese Woche nur Restposten", so Beier.

Am Mittwochabend informierte das Bundesgesundheitsministerium darüber, dass ein Corona-Impfstoff für Kinder zwischen fünf und elf Jahren wohl bis kurz vor Weihnachten verfügbar sein könnte. Eine mögliche Zulassung für diese Altersgruppe könne für den Impfstoff von Biontech noch im November erwartet werden.

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