Medizin:Achtung, Gelbstich

Warum Brillengläser seltsam eingefärbt sind.

Von Werner Bartens

Während die Gläser von Sonnenbrillen grell-orangefarbene Akzente setzen oder unterkühlt blau leuchten, undurchdringlich verspiegelt sind oder sich abhängig von der Intensität des Tageslichts mal dezent und mal heftig dunkel verfärben, soll die Beschaffenheit von Brillen mit Korrekturgläsern vor allem eines sein: durchsichtig, unauffällig, transparent eben und im besten Sinne farblos. Stattdessen ist immer öfter eine leichte Grundierung der Gläser zu beobachten: neue Brillen mit Gelbstich.

Die Meinungen gehen auseinander, was den ungewohnten Ton angeht, besser gesagt: die Tönung. Letztlich ist es wohl eine Geschmacksfrage. Die einen heben die warme "Champagnerfarbe" hervor, wenn sie den Grundton neuer Brillengläser beschreiben. Zudem könne die Färbung kosmetisch von Vorteil sein, weil das Bindegewebe um die Augen weicher erscheint und einen angespannten, übermüdeten Gesichtsausdruck abmildern hilft. Andere sehen in der leichten Verfärbung der Sehhilfen hingegen einen überflüssigen Mode-Gag, vermuten gar unlautere Profitmaximierung des Optikergewerbes und sind genervt von dem "P...gelb", das sie farblich an menschliche Ausscheidungen erinnert.

Die Erklärung ist viel profaner und hat mit einem Wandel in der Herstellung zu tun. Früher wurden Brillengläser fast ausschließlich aus Glas gefertigt. Fortschritte in Materialwissenschaft und Produktion haben jedoch dazu geführt, dass in Deutschland seit einigen Jahren "Gläser" aus Kunststoff eindeutig überwiegen; fast alle Brillen werden mit diesem Werkstoff hergestellt. Die Brillen sind so dünner und leichter und bieten mehr Tragekomfort; die früher sprichwörtlichen "Glasbausteine" vor den Augen, Gläser dick wie ein Flaschenboden, gibt es kaum noch. Zudem kann Glas leichter zerbrechen, bei Kunststoffgläsern ist die Verletzungsgefahr hingegen geringer.

Weil die Kunststoffgläser im Alltag jedoch einem Alterungsprozess ausgesetzt sind, der durch das im Sonnenlicht enthaltene UV-Licht beschleunigt wird, wird den neuen Brillengläsern mittlerweile ein geringer UV-Schutz beigegeben, der dem eigentlich farblosen Glas eine Nuance von Champagnergelb (oder eben, Sie wissen schon) verleiht. Ohne diesen dezenten Filter würde das Material bald spröde und in der Folge intransparenter werden - ein ungestörter Durchblick wäre erschwert.

Mit zunehmender Nutzungsdauer nimmt die Gelbfärbung der Brillengläser allerdings zu. Dafür ist dann nicht mehr der ursprünglich beigemengte UV-Schutz verantwortlich, vielmehr liegt es am Verschleiß des Grundmaterials, das nach ein paar Jahren nicht mehr so klar und durchsichtig ist wie zu Beginn. Ohne UV-Schutz würden die Gläser hingegen noch schneller an Transparenz verlieren und sich einfärben.

Wer also an seiner neuen Brille eine Verfärbung bemerkt, kann sich über den eingebauten Alterungsschutz freuen. Wird die Brille nach Jahren jedoch immer gelber und nimmt fast die Tönung mancher Sonnenbrillen an, ist es womöglich an der Zeit, ein neues Modell anzuschaffen. Wer den Gelbton aus modischen Gründen ablehnt, kann über Kontaktlinsen oder Lasereingriffe nachdenken.

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