Medikamentenpreise:Kosten und Nutzen

Arzneimittel

Was teurer ist, hilft nicht immer besser: Eine Info-Software soll Ärzten künftig die Orientierung erleichtern.

(Foto: Matthias Hiekel)

An diesem Dienstag sollen die Ergebnisse des Pharma-Dialogs vorgestellt werden. Noch gibt es viel Uneinigkeit zwischen Forschern und Versicherern.

Von Guido Bohsem, Berlin

Das System ist auf Verwirrung angelegt. Ein Jahr lang dürfen Pharmaunternehmen ihre neuen Medikamente in Deutschland zu eigenen Konditionen auf den Markt bringen. In diesen zwölf Monaten wird untersucht, ob die neuen Mittel wirklich besser sind als solche, die schon länger im Handel sind.

Verwirrend ist das Prozedere deshalb, weil Ärzte sich häufig schon in den ersten Monaten ein Bild von den neuen Medikamenten machen und die spätere Forschung über den tatsächlichen Zusatznutzen des Präparats dann sehr oft untergeht. Angeblich informieren sich nur wenige Ärzte über die Erkenntnisse der staatlichen Nutzenbewertung.

Um den Medizinern die Informationen über die neuen Medikamente näherzubringen, sollen sie künftig direkt in ihre Praxissoftware eingespeist werden. Der Arzt würde dann bei der Verschreibung einen Hinweis erhalten, dass das Präparat nicht besser wirkt als ein anderes. Oder weil es nur für einen kleinen Teil der Erkrankten nützlich ist - zum Beispiel weil sie von einer speziellen Form der Krankheit befallen sind, und das Mittel gegen die anderen Formen nichts ausrichten kann.

Noch liegt kein Gesetzesentwurf zu dieser Idee vor. Man müsse prüfen, wie sich die Info-Software der Ärzte mit deren Recht auf Behandlungsfreiheit vertrage, heißt es im Gesundheitsministerium. So ist es mit vielen Punkten, die der sogenannte Pharmadialog ergeben hat. Ansätze sind da, konkret wird es erst noch. In den vergangenen anderthalb Jahren haben sich Vertreter der Ministerien für Gesundheit, Wissen und Wirtschaft regelmäßig mit Experten aus Wissenschaft und Industrie getroffen. Ziel war es, Vorschläge auszuarbeiten, wie der Pharmastandort Deutschland attraktiv und die Versorgung mit hochwertigen Arzneimitteln aufrechterhalten werden kann. An diesem Dienstag sollen in Berlin die Ergebnisse vorgestellt werden.

Auf Drängen der Pharmaindustrie sollen die ausgehandelten Preise künftig vertraulich sein

Diskutiert wurde auch die Frage, wie die hohen Kosten neuer hochwirksamer Arzneimittel begrenzt werden können. Denn derzeit gilt, dass die Unternehmen in den ersten zwölf Monaten den Preis des Medikaments selbst festsetzen können. Erst danach gilt der mit den Kassen ausgehandelte Preis. Zuletzt hatte hier das Hepatitis-C-Medikament Sovaldi für Aufsehen gesorgt, weil eine Pille 700 Euro kostete und eine Therapie somit mindestens 100 000 Euro verschlang. Nach den Verhandlungen mit den Kassen erhält der Hersteller jetzt noch 488 Euro pro Pille.

Damit die Ausgaben der Kassen in den ersten zwölf Monaten nicht explodieren, soll es nach Angaben aus dem Gesundheitsministerium künftig einen Schwellenwert geben. Dieser liege deutlich unter 500 Millionen Euro. Wenn der Umsatz für ein Präparat diese Schwelle überschreite, werde es nur noch zum später mit den Kassen vereinbarten Preis abgerechnet. Das heißt, das Unternehmen muss einen Teil seiner Einnahmen zurückerstatten.

Auf Drängen der Pharmaindustrie sollen die ausgehandelten Preise künftig vertraulich behandelt werden. Lediglich die mit der Abrechnung beschäftigten Krankenkassen würden die Daten dann noch erhalten, hieß es im Ministerium. Das ist für die Hersteller wichtig, weil der hiesige Preis in mehr als 20 anderen Ländern als Orientierungswert dient. Je mehr die Unternehmen also offiziell in Deutschland verlangen, desto besser für ihre Umsätze. Doch gibt es ein Problem. Auch Privatpatienten sollen weiterhin von den Preisverhandlungen profitieren. Sie aber rechnen den Preis des Medikaments offen mit dem Apotheker ab. Wie der tatsächliche Preis dennoch geheim bleiben kann, werde noch ausgearbeitet, hieß es im Ministerium.

Auch im Kampf gegen resistente Keime kam es zu einer Verständigung. Künftig sollen neue Antibiotika besser bezahlt werden als bisher.

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