Medienkrieg am Hindukusch:Die vielen Stimmen der Taliban

Die Radikalislamisten um Mullah Omar haben zwei namentlich bekannte Sprecher. Zuverlässig sind sie deshalb noch lange nicht. Warum Informationen auf dem afghanisch-pakistanischen Grenzland äußerst vorsichtig angefasst werden sollten.

Thorsten Denkler, Berlin

Ihren größten PR-Coup landeten die Taliban im Herbst 2001 in Washington. Wenige Wochen nach den Anschlägen vom 11. September stellte sich dort eine gewisse Laila Helms als Sprecherin der Taliban in den USA vor.

Medienkrieg am Hindukusch: Und noch einer, der sich Taliban-Sprecher nennt: Syed Tayyad Agha (Archivbild von 2001)

Und noch einer, der sich Taliban-Sprecher nennt: Syed Tayyad Agha (Archivbild von 2001)

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Die Amerikanerin afghanischer Abstammung galt als Wunderwaffe der Gotteskrieger von Taliban-Chef Mullah Mohammed Omar im Propagandakrieg gegen die kriegsbereite Koalition gegen den Terrorismus. Laila Helms war die bis dahin einzige weibliche Mitarbeiterin in der afghanischen Botschaft und zudem die Ehefrau eines Neffen des früheren CIA-Direktors Richard Helms.

Entführungen als Argument

Die Taliban verstehen also einiges von professioneller Pressearbeit, aber offenbar nicht genug. Sie beobachten die ausländischen Medien sehr genau - das Internet macht es möglich. Sie kennen die Debatten, die etwa in Deutschland um die Verlängerung der Afghanistan-Mandate für die Bundeswehr geführt werden und reagieren schnell mit eigenen Erklärungen darauf. Im Zweifelsfall auch mit Entführungen.

Der Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin, Martin Jäger, spricht inzwischen von einem "Medienkrieg", den die Taliban gegen den Westen führten. Jäger wurde ziemlich deutlich: "Da sitzt ein Mann mit Bart und Mobiltelefon im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet und schafft es, mit wenigen Anrufen am Samstagvormittag ganz Deutschland in Aufregung zu versetzen. Das darf nicht sein."

Das Verwirrspiel der Taliban

Der Vorgang nochmal in Kürze: Erst stellten angebliche Taliban-Sprecher ein Ultimatum an die deutsche Regierung, am Samstag dann teilten sie plötzlich mit, beide Deutsche seien tot.

Dann bestätigte sich, dass einer noch lebt. Der aber leide an Diabetes - stimmt nicht. Ein Verwirrspiel, beim dem offenblieb, wer am Ende verwirrter war: die Taliban oder die Öffentlichkeit.

In der Regel sind es zwei Männer, die immer wieder als Taliban-Sprecher auftreten: Der eine ist bekannt unter den Namen Jussuf Ahmadi, der andere als Sabiullah Mudschahed. Beiden wird nachgesagt, im engen Kontakt mit dem Führungsrat der Taliban zu stehen, der von Mullah Omar geleitet wird.

Un- und Halbwahrheiten aus Afghanistan

Wenn überhaupt, dann sind nur diese beiden als Quellen halbwegs zuverlässig, sagt Afghanistan-Experte Thomas Ruttig von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Aber auch Ahmadi und Mudschahed sind mit Vorsicht zu genießen.

Sie verbreiten schnell Un- und Halbwahrheiten, manchmal wohl, weil sie es selbst nicht besser wissen. Ruttig sagt: "Die Medienarbeit der Taliban hat sich sicher verbessert. Aber sie wird auch überschätzt".

Die Taliban sind längst nicht so gut vernetzt wie angenommen. Mullah Omar und der Führungsrat geben zwar klare Linien vor.

Doch an der Basis machen deren Gefolgsleute je nach Interessenslage dann doch, was sie wollen. "Die Taliban sind keine homogene Gruppe", sagt Ruttig. Sie sind unterteilt in viele verschiedene unabhängig arbeitende Untergruppen.

Falsche Taliban

Die einen treten eher liberal auf, die anderen radikal. Viele haben eigene Sprecher, geben eigene Erklärungen ab. "Mullah Omar versucht zwar, die Taliban straff zu führen. Es gelingt aber nicht", sagt Ruttig.

Es ist nicht mal immer klar, ob überhaupt die Taliban sprechen, wenn sich ein Taliban-Sprecher meldet. Die radikal-islamische Gruppe Hizb-e Islami etwa hat organisatorisch mit Mullah Omar nichts zu tun. Um sich aber besser Gehör zu verschaffen, nutzte sie in der Vergangenheit mehrfach die Bezeichnung Taliban.

Ziaulhaq Fazli, Redakteur in der Afghanistan-Redaktion der Deutschen Welle in Bonn, geht deshalb mit den Verlautbarungen angeblicher Taliban-Sprecher sehr vorsichtig um. Auch weil deren Aussagen oft nicht verlässlich sind.

"Die Taliban übernehmen für alles die Verantwortung, was dem Westen schadet", sagt Fazli. Egal ob kriminelle Entführung oder Mord: Ein Taliban-Sprecher, der das auf seine Kappe nimmt, ist schnell gefunden.

Die Afghanistan-Korrespondenten haben deren Handy-Nummern jederzeit griffbereit.

Taliban bekennen sich gerne schuldig

Die Entführung der beiden deutschen Ingenieure etwa rechneten sich zunächst die Taliban an. Inzwischen stellte sich heraus, das sie wohl zwischen die Fronten einer Stammesfehde geraten sind.

Als Berichte über die Entführung eines Journalisten aufkamen hieß es bald, der deutsche Stern-Korrespondent Christoph Reuter sei betroffen. Später stellte sich heraus, dass ein afghanischstämmiger Däne kurzzeitig entführt aber auch schnell wieder freigelassen worden war.

Reuter wundert das nicht. Er sagte dem Nachrichtensender n-tv: "In Afghanistan gibt es eine Kultur des Lügens. Jeder kann da behaupten, was er will."

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