Die Mail des Landessprechers der AfD, Matthias Manthei, im Februar war voller Optimismus. Die Mitgliederzahlen in Mecklenburg-Vorpommern seien weiter angestiegen, die finanzielle Lage sei stabil. Die Bundespartei werde 200 000 Euro für den Wahlkampf zur Verfügung stellen. Der Kontostand betrage mehr als 80 000 Euro - nicht wenig für einen so jungen Landesverband. Doch das Geld der in dem Brief angegebenen 26 Förderer reichte für den Wahlkampf offensichtlich nicht aus.
So trafen sich im Juni nach Informationen von NDR und Süddeutscher Zeitung potenzielle Geldgeber und AfD-Personal zu einem exklusiven "Charityabend" auf Schloss Jessenitz bei Lübtheen. Zwei Sicherheitsleute in schwarzer Uniform und Barett kontrollierten die Fahrzeuge, öffneten kurz das hohe schmiedeeiserne Tor und schlossen es wieder. Im Mittelpunkt der geheimnisvollen Veranstaltung stand AfD-Vize Alexander Gauland.
Eingeladen hatte Schlossbesitzer Philip Steinbeck. Früher war er im Irak, heute handelt er mit ausgemusterten Tanksäulen. Ihm gehören mehrere Immobilien in Lübtheen. Zudem hat Gaulands Gastgeber eine braune Vergangenheit.
Steinbeck und Pastörs galten lange als Gespann
Bereits an der Uni war er Mitglied einer ultrarechten schlagenden Burschenschaft, nach dem Abbruch seines Jurastudiums arbeitete er Anfang der Neunzigerjahre in der Kieler Landtagsfraktion der rechtsextremen "Deutschen Liga für Volk und Heimat" (DLVH). Die DLVH lobte damals eine Belohnung aus für jeden illegalen Flüchtling, der ihnen gemeldet werden würde. Auch pflegte Steinbeck ein freundschaftliches Verhältnis zu dem bekannten NPD-Anwalt Jürgen Rieger. Zwei Dörfer entfernt von Jessenitz wohnt in einem ehemaligen Reichsmusterdorf Udo Pastörs, Fraktionschef der NPD in Schwerin. Steinbeck und Pastörs galten lange als Gespann.
Pastörs hatte Deutschland als "Judenrepublik" betitelt und war dafür 2010 wegen Volksverhetzung verurteilt worden. Steinbeck verkaufte dem vermögenden Neonazi bereits 2002 seine Anteile an einem Bauberatungs- und Vertriebsunternehmen. Beide engagierten sich danach in einer örtlichen Bürgerinitiative, die von Neonazis unterwandert wurde. Bis 2014 wohnte ein NPD-Ordner und Mitglied der 2009 verbotenen "Heimattreuen Deutschen Jugend" (HDJ) sogar im Schloss Jessenitz. Der völkische Forstwirt gilt als besonders radikal, bei der HDJ drillte er Jugendliche.
Bei Steinbeck verkehrte außerdem der Vorsitzende des NPD-Kreisverbandes, Andreas Theißen. Der war 2008 verurteilt worden, weil er 2006 im Landtagswahlkampf einen Kameramann verletzt hatte. Die Einigkeit mit der NPD hielt jedoch nicht. Steinbeck setzt inzwischen auf die neuen rechten Hoffnungsträger der AfD, beim Parteitag in Stuttgart stand sein Name auf der Teilnehmerliste. Umfragen sagen der AfD für die Landtagswahlen am 4. September in Mecklenburg-Vorpommern 21 Prozent voraus, sie würde im Schweriner Schloss künftig die Opposition anführen. Für die NPD dagegen wird es knapp.
Zur Spenden-Veranstaltung bei Philip Steinbeck auf Schloss Jessenitz reiste auch ein Hamburger mit Neonazi-Hintergrund an. Björn Neumann, ehemaliger Hamburger NPD-Spitzenkandidat, der bei Facebook über "Flüchtlingsgesocks" schimpft und den Grünen-Politiker Volker Beck "Viech" nannte. Neumann hat mit der Neonazi-Szene nicht gebrochen. Aber er umgibt sich gerne mit den Größen rechtspopulistischer Parteien wie Gauland oder dem österreichischen Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer (FPÖ).
Der Kreis, mit dem Gauland am runden Tisch diskutierte und der nachher zum Gruppenbild auf die Freitreppe trat, war speziell. Auch AfD-Direktkandidat Jens-Holger Schneider gehörte dazu. Er besucht seit Jahren rechtsextremistische Demonstrationen, 2007 beteiligte er sich an Neonazi-Protesten in Wismar. Damals erschien er in einer pöbelnden Truppe mit dem berüchtigtsten Neonazi Mecklenburgs: Sven Krüger. Der vorbestrafte Kahlkopf ist zentrale Figur des Neonazi-Dorfes Jamel. AfD-Mann Schneider kennt Krüger gut - und auch NPD-Chef Theißen. Bei einer NPD-gesteuerten Demonstration fungierte der AfD-Kandidat 2015 sogar als Ordner. Er steht auf Listenplatz 18.
2015 wurde Arppe wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe verurteilt
Die AfD reagierte auf Anfrage nicht auf die Erkenntnisse von NDR und SZ, doch die genannten Verbindungen scheinen in der Ostsee-AfD keine Ausnahme zu sein. Holger Arppe, Rostocker Kandidat auf Platz 3, setzt sich für eine Zusammenarbeit mit der "Identitären Bewegung" ein, einer rassistischen Truppe, die jüngst das Brandenburger Tor erklomm. 2015 wurde Arppe wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe verurteilt. Auf Listenplatz 23 wurde Sascha Jung gewählt. Der Jurist durfte wegen seiner rechtsextremistischen Aktivitäten nicht in den bayerischen Staatsdienst. Die Burschenschaft, der er angehört, wird von Bayerns Verfassungsschutz beobachtet. Jung ist sogenannter Neusiedler mit Anschluss ins völkische Spektrum der "Neo-Artamanen". Sie siedeln seit rund 20 Jahren mit zwölf Familien und etwa 60 Kindern im Herzen Mecklenburgs.
Die schillerndste Figur im AfD-Landesverband dürfte allerdings Petra Federau sein. Sie wurde überregional bekannt, weil sie einen Escort-Service unter anderem nach Dubai betrieb. Deshalb wurde Federau im April 2016 von der Wahlliste gestrichen und tritt nun als Direktkandidatin an. Wiederholt wurde die AfD in Mecklenburg Vorpommern von anderen Parteien für Federaus fremdenfeindliche Facebook-Postings kritisiert. Dennoch scheut sie keinen noch so radikalen Auftritt: Für den 3. Oktober ist Federau als Rednerin am "Tag der Einheit der Bürgerbewegungen" in Dresden angekündigt. Zusammen mit der Pegida-Frau Tatjana Festerling, dem Neonazi-Hooligan Hannes Ostendorf, Sänger der Bremer Band Kategorie C, und ultrarechten Paramilitärs aus Bulgarien, die darüber berichten sollen, wie sie Flüchtlinge mit einer Patrouille vom Grenzübertritt abhalten.
Eigene Direktkandidaten hat die NPD für die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern nicht aufgestellt. Sie habe ohnehin keine Chance auf Direktmandate, erklärte der NPD-Landtagsabgeordnete David Petereit - anders als die AfD. Petereit: "Es gibt da ja einige ordentliche Leute."