Süddeutsche Zeitung

Mecklenburg-Vorpommern:Politikunterricht der anderen Art

Eine freie Schule in Güstrow will ihren Schülern Frieden, Vielfalt und Demokratie nahebringen. Nun sieht sie sich heftigen Attacken der AfD ausgesetzt. Die Partei stört sich an einer Ausstellung.

Von Thomas Hahn, Hamburg/Güstrow

Die Freie Schule Güstrow steht wie ein freundlicher Fels mitten in der kleinen Kreisstadt, die an schlechten Tagen ein scharfer Wind von rechts anweht. Die farbige Fassade ist beschrieben mit Begriffen, die für den Geist des Hauses stehen, darunter: Willkommen, Frieden, Vielfalt. Vor 21 Jahren ist die Schule aus einer Initiative von Eltern entstanden, die ihre Kinder nicht herkömmlichen Schulkonzepten aussetzen wollten. Das reformpädagogische Konzept sieht viel Projektarbeit vor, offene Unterrichtsformen, keine Noten bis zur achten Klasse und eine Erziehung zum selbständigen Denken. Demokratiefeindlichkeit kann man dieser Schule eigentlich nur mit viel Fantasie vorwerfen. Trotzdem tut das die AfD-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, jedenfalls indirekt. Schulleiter Ralf Boldt sagt: "Wir sind erstaunt, mit welcher Wucht auf uns eingeschlagen wird."

Die AfD ist nach verschiedenen Verwerfungen längst nicht mehr die zweitstärkste Kraft im Schweriner Parlament. Trotzdem arbeitet sie weiter daran, sich für ihre rechte Klientel zu inszenieren. Und diesmal bekommt das die Freie Schule Güstrow zu spüren. Der Grund dafür: Im Rahmen ihrer Projekttage hat die Schule eine Ausstellung der Anti-Faschismus-Vereinigung VVN-BdA übernommen. Rechtspopulismus sowie die verschiedenen Erscheinungsformen des Rassismus sind das Thema besagter Projekttage. Die Ausstellung "Der Arm der Bewegung" betrachtet die gefährlichen Verbindungen der AfD zu dem äußersten rechten Rand der Gesellschaft.

Die Schau thematisiert die Verbindungen der Partei nach rechts außen

Das gefällt der AfD natürlich nicht, aber das sei gar nicht der Grund für die Kritik, sagt der AfD-Fraktionschef Nikolaus Kramer. Er und seine Parteifreunde stören sich vor allem an der VVN-BdA, die so weit links stehe, dass sie in Bayern ein Fall für den Verfassungsschutz sei. Von einem "Skandal" sprach die AfD sogar in ihrer ersten Pressemitteilung, forderte, die Ausstellung abzusetzen, und erklärte: "Notfalls muss die Landesregierung der Freien Schule Güstrow die finanzielle Förderung durch das Land streichen." Auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung klingt Kramer etwas milder. "Es wäre der Bildungsauftrag der Schule gewesen, dies mit den Schülern zu diskutieren und Wege aufzuzeigen, wie man sich kritisch mit den Inhalten einer Partei auseinandersetzen kann, ohne mit einer Vereinigung zusammenzuarbeiten, welche die parlamentarische Demokratie ablehnt", sagt er.

Geplant ist allerdings nicht, dass die Schüler die Inhalte der Ausstellung auswendig lernen und unkritisch übernehmen sollen. "Die Schülerinnen und Schüler haben im Rahmen der Projekttage drei Wochen Zeit, die Inhalte der Ausstellung zu analysieren", sagt Boldt. Die kritische Auseinandersetzung mit der AfD sei für seine Schule Pflicht, gerade weil sie sich der Demokratie und der freiheitlichen Grundordnung verpflichtet sieht.

Die AfD wirft der Schule Einseitigkeit vor. In der Tat verleugnet Boldt nicht deren linkes Profil. Die Schule stellt sich offen gegen Rassismus, in der linken Punk-Band Feine Sahne Fischfilet hat sie eine prominente Patin. Die Podiumsdiskussion zur Eröffnung der Ausstellung am Mittwoch war unter anderem mit der linken Landtagsabgeordneten Karen Larisch besetzt. Boldt sagt allerdings auch: "Ich lege wert darauf, dass wir uns vom Linksradikalismus distanzieren. Wir haben Kontakte zu allen Parteien." Bei der Podiumsdiskussion saß der AfD-Abgeordnete Christoph Grimm im Publikum und konnte sich äußern. Außerdem: Ist das Streben gegen Rassismus nicht überparteilich?

Die Schule bekommt Rückendeckung von Bildungsministerin Birgit Hesse (SPD). "Die Ausstellung verstößt nach unserer Auffassung nicht gegen die demokratische Grundordnung", sagt ein Sprecher. Aus dem Haus des CDU-Innenministers Lorenz Caffier verlautet: "Die VVN-BdA ist kein Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes Mecklenburg-Vorpommern." Und Ralf Boldt sieht auch etwas Gutes in dem seltsamen Rummel. Aus der jüngsten Aufregung können die Schüler viel lernen über das Wesen der AfD.

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Quelle:
SZ vom 12.04.2018
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