Süddeutsche Zeitung

Mecklenburg-Vorpommern:Auffallend einsilbig

Die "Prepper"-Affäre bringt Innenminister Lorenz Caffier in Bedrängnis. Der zeigt sich "zutiefst erschüttert und fassungslos" - und versichert, die Lage bei der Polizei im Griff zu haben. Es sollen personelle und strukturelle Veränderungen folgen.

Von Thomas Hahn, Schwerin

Schwerin in Mecklenburg-Vorpommern ist die kleinste Landeshauptstadt in Deutschland, ein Ort von hinreißender Beschaulichkeit. Die Regierungsgeschäfte der rot-schwarzen Koalition dort finden im bundespolitischen Raum eher selten Widerhall. Im Fall der vier verhafteten Polizisten, die Munition aus Beständen des Landeskriminalamtes abgezweigt haben sollen, ist das allerdings anders. Die Männer sollen rechtsradikalen Teilen der Prepper-Szene zugearbeitet haben. Die Rechtsradikalen sind stark in Mecklenburg-Vorpommern. Die Landesregierung steht deshalb vor besonderen Herausforderungen. Nach den Festnahmen zweifelt mancher, ob ihr Innenminister Lorenz Caffier (CDU) diesen gewachsen ist.

Einen aktuellen und drei ehemalige Beamte des Spezialeinsatzkommandos (SEK) hatte die Staatsanwaltschaft Schwerin am Mittwoch verhaften lassen. Sie ließ deren Wohnräume und Arbeitsplätze durchsuchen sowie 14 weitere Objekte. Informierte Kreise sagen, dieses Ermittlungsgeschehen beleuchte nur eine Facette der rechtsextremen Unterwanderung im Nordosten. Caffier steht unter Druck.

Lorenz Caffier ist ein etwas ungelenker Mann, öffentliche Auftritte sind nicht seine Stärke. Und auch als er am Mittwochnachmittag vor dem roten Tudorgotik-Bau seiner Behörde die Mitteilung zur Polizeiaffäre verlas, wirkte er unbewegt wie ein Zinnsoldat. "Zutiefst erschüttert und fassungslos" sei er. Es klang, als sei Caffier überrumpelt worden von den Anschuldigungen gegen die Polizisten. Dabei gehen die aktuellen Ermittlungen auf ältere Erkenntnisse des Generalbundesanwalts zur Prepper-Szene zurück. Marko G., einer der Festgenommenen, wird schon länger als früherer Administrator der Prepper-Gruppe Nordkreuz genannt. Und dass die mutmaßlichen Verstöße gegen Kriegswaffenkontrollgesetz und Waffengesetz 2012 begonnen haben sollen, irritiert ebenfalls viele.

Caffier ist seit 2011 im Amt. Kritiker werfen ihm vor, dass er immer dann besonders einsilbig werde, wenn es um mutmaßliche Verbindungen von Mitgliedern des Reservistenverbandes oder der Polizei zu rechtsradikalen Verschwörungstheoretikern ging. Am Donnerstag informierte Caffier den Innenausschuss. Die Sitzung war nicht öffentlich. Es heißt, Caffier habe sich strenge Fragen gefallen lassen müssen. Auch vom Koalitionspartner SPD.

Ob er die Lage bei der Polizei im Griff habe? "Jawohl", antwortet Caffier

Besonders überzeugend waren Caffiers Antworten wohl nicht. Dirk Friedriszik, Innenausschussmitglied und justizpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, erklärte jedenfalls in einer Presseaussendung: "Seit vor zwei Jahren der Verdacht aufkam, dass Angehörige der Landespolizei und die Prepper-Szene in enger Verbindung stehen, hat meine Fraktion mehrfach eine lückenlose Aufklärung gefordert. Die neuen Enthüllungen stärken nicht das Gefühl, diese Aufklärung sei jetzt zum Ende gekommen." Eine unabhängige Kommission solle "die Hintergründe der aktuellen Fälle klären und fragwürdige Netzwerke innerhalb der Landespolizei aufdecken".

Lorenz Caffier wiederum kündigte personelle und strukturelle Veränderungen an. Außerdem sollen externe Fachleute das betroffene SEK prüfen. Der NDR fragte, ob er die Lage bei der Polizei im Griff habe. Lorenz Caffier antwortete: "Jawohl, haben wir im Griff."

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SZ vom 14.06.2019
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