Mazedonien:Frontstaat

Mazedonien: Dieser Mann hat es geschafft, er hat die Grenze zwischen Griechenland und der früheren jugoslawischen Republik Mazedonien überschritten. Tausende aber warten auf der anderen Seite.

Dieser Mann hat es geschafft, er hat die Grenze zwischen Griechenland und der früheren jugoslawischen Republik Mazedonien überschritten. Tausende aber warten auf der anderen Seite.

(Foto: Dimitar Dilkoff/AFP)

Das kleine Land soll dafür sorgen, dass die Balkanroute geschlossen bleibt. Das könnte dem überforderten Staat am Ende sogar nutzen.

Von Nadia Pantel

Die Europäische Union überlässt in diesen Tagen die Sicherung ihrer Außengrenze einem Land, das man nur als überfordert bezeichnen kann. Der kleine Balkanstaat Mazedonien hat Polizei, Armee und Wasserwerfer an der Grenze zu Griechenland aufgefahren und setzt dort den Beschluss um, den es gemeinsam mit Österreich, Slowenien, Kroatien und Serbien getroffen hat: die Balkanroute geschlossen zu halten. Einreisen dürfen nur noch Menschen mit gültigen Visa, was bedeutet, dass es für Flüchtende keine Möglichkeit mehr gibt, in den Nordwesten der Europäischen Union zu gelangen, um dort Asyl zu beantragen.

Diese flüchtlingspolitische Frontstellung nutzte nun Mazedoniens Präsident Gjorge Ivanov, um in einem Interview mit der Bild-Zeitung zu behaupten, dass sein Land "schon immer Opfer der EU-Institutionen" war. Die Rechnung Mazedoniens an die EU geht allerdings schon am Grenzzaun nicht mehr auf. Es sind nicht nur mazedonische Kräfte, die dort bereitstehen, es sind auch 70 bis 80 Beamte aus den EU-Ländern Kroatien, Österreich und Slowenien. Neben zahlreichen mazedonischen Augenzeugen bestätigt dies auch der Bundestagsabgeordnete Metin Hakverdi (SPD), der in dieser Woche die verriegelte Grenze in Mazedonien besuchte.

Weiter führte Präsident Ivanov aus, Mazedonien sei "nichts, kein EU-Land, kein Schengen, keine Nato". Was er nicht sagte ist, dass seine geografische Lage auf der Fluchtroute dem kleinen Land helfen könnte, genau diesen Umstand zu ändern. Am Donnerstag sagte Mazedoniens Verteidigungsminister Zoran Jolevski, er hoffe, dass Mazedonien bald zur Nato gehören könne. Mit Blick auf die verschlossene Grenze sagte Jolevski: "Wir haben gezeigt, dass wir ein verantwortliches Mitglied der internationalen Gemeinschaft sind."

So ist das EU-feindliche Poltern des mazedonischen Präsidenten auch eher als ein innenpolitischer Schachzug zu sehen, denn als eine Absage an Brüssel. Präsident Ivanov steht der regierenden Partei von Ex-Premier Nikola Gruevski nahe, der nach umfassenden Korruptionsvorwürfen im Januar zurücktreten musste. Innenpolitisch kann es Ivanov und Gruevski nur helfen, die wirtschaftlich desolate Lage des Landes mit der Durchreise der Flüchtlinge und der angeblich unterlassenen Hilfe der EU zu erklären. Tatsächlich hat die EU Skopje vor einem Monat zehn Millionen Euro zugesagt, zur Unterstützung beim "Flüchtlingsmanagement".

Die Griechen sagen, dieses Land könne es gar nicht geben

Dass Mazedoniens Probleme an der griechischen Grenze beginnen, ist nicht erst so, seit am Zaun in Idomeni 14 000 Menschen verzweifelt auf ihre Einreise warten. In Griechenland heißt Mazedonien nur FYROM, The Former Yugoslav Republic of Macedonia. "Mazedonien?" Die Griechen sagen, dieses Land könne es nicht geben, schließlich sei ja rund um Thessaloniki bereits Makedonien, so heißt die dortige griechische Region.

Lange hieß es, es sei vor allen Dingen dieser Namensstreit, der dem kleinen Mazedonien den Weg in die Nato und die Europäische Union versperre. Unter Langzeit-Premier Nikola Gruevski musste man feststellen: Der Name ist nicht mehr das größte Problem. Das Land ist in autokratische Strukturen abgerutscht. Und an dieser Stelle hat Brüssel tatsächlich die Hilfe unterlassen. Es lobte Gruevski viel zu lange als Wirtschaftswunderkind des Balkans, statt seine antidemokratischen Ausfälle zu kritisieren.

Bevor der Krieg in Syrien Hunderttausende durch den Balkan fliehen ließ, war die ehemals jugoslawische Region international beinahe in Vergessenheit geraten. Inzwischen lässt sich in der Region eine Entfremdung gegenüber der EU bemerken. So stellt der Leiter des Grazer Zentrums für Südosteuropastudien, Florian Bieber, fest: "Die Unfähigkeit der EU, die Flüchtlingskrise zu bewältigen, hat ihre Glaubwürdigkeit beschädigt, was Konsequenzen auf dem Balkan hat, wo ein EU-Beitritt längst nicht mehr mit dem Enthusiasmus verfolgt wird, wie noch vor ein paar Jahren."

Dass Mazedonien sich deutlich entschiedener als sein Nachbarland Serbien dagegen wehrt, zum Auffanglager oder auch nur zur Zwischenstation für Flüchtlinge zu werden, liegt auch an den Erfahrungen, die das Land 1999 in Folge des Kosovo-Kriegs machte. Damals nahm das Land gut 360 000 Kosovo-Albaner auf, die vor dem Krieg aus ihrer Heimat geflohen waren. Auf die knapp zwei Millionen Einwohner Mazedoniens gerechnet, war das eine enorme Zahl.

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