Süddeutsche Zeitung

Mautdebakel:Verfahren kostet Millionen

Wegen hoher Anwaltshonorare hat das geplatzte CSU-Prestigeprojekt ein teures Nachspiel für die Steuerzahler.

Von Markus Balser und Martin Kaul, Berlin

Die Affäre um die Pkw-Maut wird ungeachtet ihres Ausgangs Millionen Euro an Steuergeld verschlingen. Im Rechtsstreit um das vor einem Jahr geplatzte CSU-Prestigeprojekt erwartet das Verkehrsministerium Anwaltskosten von mehreren Millionen Euro. Das verlautet nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR aus Ministeriumskreisen. Vertrauliche Regierungsdokumente zeigen, dass allein der Top-Anwalt des Ministeriums im Schiedsverfahren 675 Euro verdient - pro Stunde. Weil mehrere Anwälte Monate, wenn nicht Jahre, an dem Fall arbeiten, gingen die Kosten insgesamt in die Millionen, verlautet es aus dem Ministerium.

Das geheime Schiedsverfahren zum Mautdebakel läuft seit einigen Monaten. Der Europäische Gerichtshof hatte die Maut vor einem Jahr als europarechtswidrig eingestuft und gekippt. Weil Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) die milliardenschweren Betreiberverträge schon vor dem Urteil abschloss, fordern die Mautbetreiber 560 Millionen Euro Schadenersatz. Die vertraulichen Informationen zeigen, dass unabhängig vom Ausgang hohe Kosten entstehen - vor allem für Anwälte.

Vertreten wird Scheuers Haus von einem Team der Kanzlei Orrick, Herrington & Sutcliffe um den Jura-Professor und Schiedsgerichtsfachmann Siegfried Elsing. Aus den Dokumenten geht hervor, dass für Elsing 675 Euro pro Stunde anfallen. Partner der Kanzler erhalten 450 Euro pro Stunde, "Counsel" - also Fachleute für bestimmte Fragen - Stundensätze von 390 Euro pro Stunde und für "Senior Associates" 350 Euro pro Stunde. Im Fall einer 40-Stunden-Woche käme Elsing rechnerisch auf über 100 000 Euro Honorar pro Monat - das fünffache Gehalt eines Bundesministers. Auch im Branchenvergleich gilt das als außerordentlich gutes Honorar. Laut Bericht der Bundesrechtsanwaltskammer liegt der Durchschnittssatz für spezialisierte Fachanwälte bei gut 230 Euro. Branchendienste kommen auf 370 Euro für Topverdiener dieses Bereichs. Das Verkehrsministerium bestätigte die Stundensätze, die Kanzlei äußerte sich nicht.

Wie teuer Schiedsverfahren werden können, weiß man im Ministerium. Das letzte große Schiedsverfahren des Verkehrsressorts um den ebenfalls verpatzten Start der Lkw-Maut brockte Steuerzahlern Kosten von 253,6 Millionen Euro ein. Fachleute sehen das neue Schiedsverfahren kritisch - nicht allein wegen der Kosten. "Problematisch ist, dass Schiedsverfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden - anders als Verfahren vor ordentlichen Gerichten", warnt der Konstanzer Professor für Politik- und Verwaltungswissenschaften, Wolfgang Seibel.

Das Ministerium brachte Mitglieder des Untersuchungsausschusses in der Sache am Donnerstag wegen wiederholter verspäteter Übergabe von E-Mails gegen sich auf. Grüne, FDP und Linke klagen über systematische Intransparenz bei der Aufklärung. Nun soll Minister Scheuer am 1. Oktober gemeinsam mit Managern der Betreiberfirmen vor dem Ausschuss aussagen.

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Quelle:
SZ vom 03.07.2020
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