Süddeutsche Zeitung

Maut und Soli:Die Steuerlüge der großen Koalition

Der Soli kostet die Deutschen 18 Milliarden Euro pro Jahr, in die neuen Länder fließt jedoch nur ein Bruchteil davon. Er ist längst, was er nie sein sollte: eine versteckte Steuererhöhung. Mit der Maut könnte es ähnlich enden.

Kommentar von Thorsten Denkler, Berlin

Und plötzlich ist da ein neues Wort in der Debatte um die Ausländer-Maut der CSU: Einführung heißt es. Das Versprechen nämlich, die Maut werde Deutsche nicht belasten, das gelte ja nur "mit der Einführung" der Maut. So sagte es an diesem Morgen die durchaus mächtige CSU-Landesgruppenchefin im Bundestag, Gerda Hasselfeldt.

Ach so? Nur mit der Einführung? Nie vorher gehört. Bisher hatte es immer geheißen, die Maut werde zu keiner Mehrbelastung für deutsche Autofahrer führen. Egal wann. Das war das Versprechen. Was hätten die Leute auf den Markplätzen von München bis Regensburg und Nürnberg bis Lindau denn gedacht, wenn CSU-Chef Horst Seehofer ihnen da im Bundestagswahlkampf zugerufen hätte: "Liebe Bayern, wir wollen eine Maut für Ausländer, die die Deutschen im Moment der Einführung dieser Maut nicht zusätzlich belastet, aber natürlich für die Jahre danach die Türen sperrangelweit auflässt, um sie dann doch für alle erhöhen zu können!" Na, die hätten gejubelt, die Bayern. Ein echter Wahlkampfschlager wäre das gewesen.

Und weil es so schön ist, kommt gleich die zweite große Lüge hinterher: der Soli. Wenn es nach Hasselfeldt, nach den Ländern, nach der gesamten großen Koalition geht - und es geht nach all denen -, dann wird der Soli wieder nicht abgeschafft. Hat noch jemand Helmut Kohl im Ohr, der den Soli 1991 eingeführt hat, um damit die Kosten der deutschen Einheit zu begleichen? Noch in diesem Jahrzehnt sollte der Soli wieder abgeschafft werden. Kohl, liebe Groko, meinte damals allerdings das laufende Jahrzehnt der neunziger Jahre. Nicht der nuller und auch nicht der zehner Jahre des neuen Jahrtausends.

Jetzt heißt es wieder, er solle doch noch zeitlich begrenzt weitergeführt werden. Weil die Ostländer noch Hilfe bräuchten. "Die gleichwertigen Lebensverhältnisse seien noch nicht erreicht", sagt Hasselfeldt. Ach so? Mag ja sein. Aber spätestens 2019 werden die Einnahmen aus dem Soli 18,2 Milliarden Euro betragen. Ausgegeben werden davon in den Ost-Ländern noch 3,6 Milliarden. Ein super Geschäft ist das!

Es wird nicht mal daran gedacht, den Soli auslaufen zu lassen oder wenigstens abzuschmelzen. Nein, er soll wohl in voller Höhe weitergeführt werden. Aber doch nur "zeitlich begrenzt", beruhigt Hasselfeldt. Ein Witz. Wenn im Jahr X die Regierenden vor der Wahl stehen, knapp 20 Milliarden Euro in den Wind zu schießen oder einfach weiter zu kassieren, dann hat Hasselfeldt das Argument heute schon mitgeliefert: der Soli soll sicher auch dann nur "zeitlich begrenzt" weitergeführt werden.

Vielleicht wäre 2039 ein gutes Datum, ihn endlich abzuschaffen. Zum Jubiläum 50 Jahre Mauerfall. Oder 2089, zum einhundertsten Jahrestag. Aber dann ist der Soli schon Tradition und wird unter Denkmalschutz gestellt.

Nichts gegen Solidarität. Aber warum 18 Milliarden Euro für etwas bezahlen, das nur 3,6 Milliarden kostet? Ja, der Westen, da gebe es ja jetzt auch Nachholbedarf. Okay, aber warum nicht dann ehrlicherweise den Soli abschaffen und die Steuern insgesamt erhöhen, statt ein Instrument zweckentfremden, das mal dazu gedacht war, dem Osten zu helfen?

Igittbäh-Wort Steuererhöhungen

Na, na, na, da will doch nicht jemand die Steuern erhöhen? Doch, will. Das ganze Rumgemurkse mit Maut und Soli ist doch nichts anderes, als um wirklich jeden Preis das Igittibäh-Wort Steuererhöhungen zu umgehen. Mit dem Zusatz, dass die Mauthöhe für die Zukunft nicht mit der Kfz-Steuer verrechnet wird, gibt es ein neues tolles Instrument, das Wort Steuererhöhungen zu umgehen.

Die Maut nennt sich ja jetzt Infrastrukturabgabe und eine Abgabe ist eben keine Steuer. Das politische Versprechen, die Maut auch zwischen 2017 und 2021 nicht zu erhöhen, will sich die CSU jedenfalls nicht abnehmen lassen.

Wer wie die Union verspricht, die Steuern nicht zu erhöhen, der kann einfach Abgaben erhöhen, ohne sich des Wortbruchs bezichtigen lassen zu müssen. So werden übrigens schon die Rentengeschenke der großen Koalition bezahlt. Eigentlich hätte der Beitrag zur Rentenversicherung zum Jahresanfang 2014 gesenkt werden müssen um 0,5 Prozentpunkte. Hat die Groko aber nicht. Eine "dreimal auf den Boden gespuckt, Pfui-Teufel"-Steuererhöhung ist das natürlich nicht. Das würde die große Koalition ja nie machen, oder?

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