Süddeutsche Zeitung

Affären:Mr. Maut soll gehen

Die Opposition fordert nach dem Mautdebakel personelle Konsequenzen über den Minister hinaus. Auch Scheuers ehemaliger Staatssekretär Gerhard Schulz soll nach dem Willen von Grünen, FDP und Linken als Toll-Collect-Chef abgelöst werden.

Von Markus Balser, Berlin

Nach monatelanger Aufarbeitung des milliardenschweren Mautdebakels fordert die Opposition im Bundestag weitere personelle Konsequenzen. "Was hier an Verfehlungen vorliegt, das geht weit über das Maß hinaus, was ohne politische Konsequenzen bleiben darf", sagte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer am Dienstag zur Bilanz des Untersuchungsausschusses im Bundestag. Neben Scheuer selbst müsse auch dessen ehemaliger Staatssekretär und jetziger Geschäftsführer der bundeseigenen Toll Collect GmbH, Gerhard Schulz, umgehend abgelöst werden. Er sei nach Überzeugung von Grünen, FDP und Linken "für das Chaos und die Pflichtverletzungen auf Arbeitsebene" zumindest mitverantwortlich.

Schulz war während der heißen Phase der Maut-Verhandlungen als Staatssekretär für die Infrastrukturabgabe verantwortlich und war im Ministerium Mr. Maut genannt worden. Nach Abschluss der Verträge wechselte er auf den gut dotierten Chefposten des bundeseigenen Lkw-Maut-Betreibers Toll Collect. Wegen seiner rechtlichen Fehleinschätzungen und des schlechten Managements bei der Umsetzung der Pkw-Maut sei er als deren Geschäftsführer nicht mehr tragbar, heißt es in den Empfehlungen der Opposition.

Bereits in der vergangenen Woche war die Zulieferung der Opposition zum Abschlussbericht des Maut-Untersuchungsausschusses bekannt geworden. Darin werfen die Fraktionen Scheuer und seinem Ministerium Rechtsbruch und schwere politische Fehler vor. Am Dienstag stellten Grüne, FDP und Linke nun noch Empfehlungen für Konsequenzen aus der Affäre vor. Dazu zählt auch ein Wechsel der einflussreichen Rechtsberater des Ministeriums. Die Regierung könne nicht mehr vertrauensvoll mit vielen der juristischen Berater zusammenarbeiten, die große Teile der Pkw-Maut für das Verkehrsministerium umgesetzt hätten, heißt es in einer Stellungnahme.

Der Untersuchungsausschuss hatte im Dezember 2019 die Arbeit aufgenommen. Die umstrittene Pkw-Maut - ein Prestigeprojekt der CSU in der schwarz-roten Bundesregierung - war im Juni 2019 vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) als rechtswidrig gestoppt worden. Die ursprünglich vorgesehenen Betreiber fordern 560 Millionen Euro Schadenersatz, nachdem der Bund die Verträge direkt nach dem Urteil gekündigt hatte. Dazu läuft ein Schiedsverfahren.

Hohe Kosten für die Steuerzahler erwartet

Scheuer und auch sein Staatssekretär Schulz hatten die Vorwürfe der Opposition und die Forderungen der Betreiber mehrfach strikt zurückgewiesen. Schulz wollte sich am Dienstag nicht zur Forderung nach seiner Ablösung und den Vorwürfen äußern. Die Opposition erwartet, dass die Kosten sogar noch höher ausfallen könnten. "Das gescheiterte Abenteuer Pkw-Maut wird die Steuerzahler zwischen 700 und 800 Millionen Euro kosten, wenn man die noch anfallenden Kosten in den nächsten Jahren berücksichtigt", warnte der Grünen-Obmann Krischer.

Die drei Oppositionsfraktionen machten am Dienstag zudem klar, dass sie bei der Aufklärungsarbeit die von Scheuer angekündigte volle Transparenz vermisst hätten. Linke-Obmann Jörg Cezanne kritisierte mit Blick auf angeforderte Dokumente für die Ausschuss-Arbeit, er habe bis heute Zweifel, dass das Verkehrsministerium den Parlamentariern wirklich alle relevanten Unterlagen vorgelegt habe.

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