"Maximale Transparenz" hatte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) im vergangenen Jahr bei der Aufklärung des Mautdebakels immer wieder versprochen. Demonstrativ schob er vor laufenden Kameras auf einem Rollwagen höchstpersönlich Akten in den Bundestag. Doch nun wird klar, wie das Ministerium hinter den Kulissen agierte. Selbst eine oberste Bundesbehörden kann sich an "maximale Transparenz" nicht erinnern. Dort erlebten Prüfer nach eigenem Bekunden genau das Gegenteil.
Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hielten Beamte des Bundesrechnungshofs in einem brisanten Prüfvermerk fest, wie das Ministerium die Aufklärung verschleppte. Das Bundesverkehrsministerium habe die Prüfung des Bundesrechnungshofs "immer wieder behindert", heißt es in dem Papier vom 18. November 2019. "Entgegen seiner eigenen Darstellung eines ungehinderten Zugriffs auf sämtliche Dokumente", habe Scheuers Haus "relevante Unterlagen und Informationen teilweise nur auf (mehrfache) Nachfrage zur Verfügung gestellt". Auch das sei nur "sukzessive und nicht vollständig" geschehen.
Exklusiv Pkw-Maut:Gutachter werfen Scheuer schwere Fehler vor
Bei der Vergabe der Mautaufträge kam es Experten zufolge mehrfach zu Rechtsverstößen. Auch interne Abläufe im Verkehrsministerium werden kritisiert. Am Donnerstag beginnen die öffentlichen Anhörungen.
Kurz bevor der interne und bislang unbekannte Vermerk entstand, war im November zwischen Scheuer und dem Rechnungshof auch öffentlich heftiger Streit entbrannt. In einem Bericht für den Bundestag hatte die Behörde die Vergabe der Aufträge für die Pkw-Maut als rechtswidrig eingestuft und dem Minister massive Verstöße gegen das Haushaltsrecht vorgeworfen. Das Ministerium wehrte sich gegen den Bericht und einen zuvor bekannt gewordenen Entwurf. Der Rechnungshof habe Dokumente, Erläuterungen und Informationen "teils nicht, teils nicht ausreichend bzw. unzutreffend" gewürdigt, hieß es Ende 2019 in einer öffentlichen Abrechnung von Scheuers Ministerium.
Gegen die Vorwürfe setzten sich die Prüfer in ihrem internen "Prüfungsvermerk" mit deutlichen Worten zur Wehr - und lassen die Arbeit des Ministeriums in einem anderen Licht erscheinen. Entgegen der Kritik, der Rechnungshof habe die Dokumente nicht geprüft, übersehen oder ignoriert, "hat er diese sehr wohl in seine Abwägungen einbezogen, vielfach aber nicht als relevant erachtet oder er war anderer Auffassung", heißt es in dem Vermerk. Somit ergebe sich kein Korrekturbedarf. Das Ministerium wiederhole seitenweise Ausführungen, die keine weiteren Erkenntnisse lieferten.
Der Vorgang erhöht erneut den Druck auf Scheuer in der Maut-Affäre. An diesem Donnerstag sind die Rechnungsprüfer zu einer wichtigen Zeugenvernehmung des Pkw-Maut-Untersuchungsausschusses in den Bundestag geladen. Abteilungsleiter Reinhard Klingen soll die Haltung des Verkehrsministeriums verteidigen.
Ex-Verkehrsminister Ramsauer soll im Untersuchungsausschuss aussagen
Die Opposition reagiert mit heftiger Kritik auf den Umgang des Ministeriums mit dem Bundesrechnungshof. "Es ist nicht hinnehmbar, wenn ein Ministerium die Prüfungen des Bundesrechnungshofes systematisch behindert", sagt Jörg Cezanne, Obmann der Linksfraktion im Untersuchungsausschuss und fordert Konsequenzen: "Allein schon um weitere Haushaltsbelastungen in der Größenordnung der Mautpleite zu verhindern, müssen umgehend Maßnahmen zur effektiven Durchsetzung der Prüfrechte des Rechnungshofes ergriffen werden." Auch für den verkehrspolitischen Sprecher der FDP, Oliver Luksic, ist das Maß voll: "Minister Scheuer redet von maximaler Transparenz, er täuscht und trickst aber bei allen Gelegenheiten."
Das Verkehrsministerium wies die Kritik am Mittwochabend zurück. Es habe dem Rechnungshof in den vergangenen fünf Jahren "jederzeit umfassend und fristgerecht alle erbetenen Informationen zur Verfügung gestellt und seine Fragen eingehend beantwortet", erklärte ein Sprecher. Die Prüfer seien "vollumfänglich unterstützt" worden, etwa mit einem "tagesaktuellen Zugang zum Projektserver". Offenbar kennt auch das Ministerium den jüngsten Prüfvermerk des Rechnungshofes nicht. Die Kritik sei lediglich in einem einzigen Prüfungsvermerk im Jahr 2017 aufgeführt und anschließend nicht mehr wiederholt worden, heißt es in einer Stellungnahme vom Abend. Die Mautverträge stünden im Einklang mit Haushalts- und Vergaberecht.
Am Abend wurde zudem klar, dass Ex-Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) im Untersuchungsausschuss zur gescheiterten Pkw-Maut aussagen soll. So beschlossen es die Obleute der Fraktionen am Abend. Die Vernehmung soll voraussichtlich am 13. Februar stattfinden. "Als Staatssekretär von Herrn Ramsauer hat Minister Scheuer noch schriftlich auf Anfrage genau erklärt, dass eine Ausländermaut europarechtswidrig ist", sagte der FDP-Politiker Luksic. Nach den jüngsten Einlassungen von Ex-Minister Ramsauer werde seine Aussage im Ausschuss spannend.