Massenüberwachung in den USA:Warum NSA-Agenten eine Sommerpause droht

1. Jahrestag Snowden Asylantrag

Die NSA-Zentrale in Fort Meade: Die Telefonüberwachung in den USA durch den Geheimdienst steht in der Kritik.

(Foto: National Security Agency ; Handout/dpa)
  • US-Präsident Barack Obama versucht, die Massenspeicherung von Telefon-Verbindungsdaten in den USA durch die NSA durch eine Art Vorratsdatenspeicherung zu ersetzen.
  • Doch nun ist ein entsprechender Gesetzentwurf im Senat gescheitert. Kommt es zu keiner Einigung, läuft das entsprechende NSA-Programm am 1. Juni aus. Nach 14 Jahren würde die Massenspeicherung ersatzlos enden.
  • Präsidentschaftskandidat Rand Paul und andere libertäre Politiker blockieren jede Änderung, weil sie sich gegen Überwachung positionieren. Republikanischen Hardlinern geht der Gesetzentwurf dagegen nicht weit genug.

Von Jannis Brühl

In Deutschland ist die Vorratsdatenspeicherung umstritten - in den USA soll ein ähnliches System dagegen Kritiker der Regierungsprogramme besänftigen und die Überwachung rechtlich absichern. Präsident Barack Obama will die auslaufende Massenspeicherung von Metadaten über Anrufe aus Festnetztelefonen amerikanischer Bürger ersetzen. Künftig sollen private Telekommunikationskonzerne speichern, wer wann wen angerufen hat - und nicht mehr die NSA direkt.

Damit ist Obama allerdings vorerst gescheitert. Nun könnte das NSA-Programm in einer Woche komplett lahmgelegt werden, in alter wie in neuer Form.

Es geht um den sogenannten USA Freedom Act. Den hatte das Repräsentantenhaus, die zweite Kammer des Kongresses, in der vergangenen Woche schon mit breiter Mehrheit abgesegnet. Mit der Reform sollte ein Teil des nach den Anschlägen vom 11. September 2001 erlassenen Patriot Acts geändert werden. Er räumt den Geheimdiensten weitreichende Befugnisse ein - und ermöglicht massive Eingriffe in die Privatsphäre der Bürger. Nun will Obama vor allem das systematische Abschöpfen von US-Telefonverbindungsdaten durch die NSA beenden.

Doch in der Senatsabstimmung fehlten drei der benötigten 60 Stimmen, um den USA Freedom Act endgültig zu verabschieden. Zum Showdown kommt es nun am kommenden Sonntag, den 31. Mai. In einer Sondersitzung trifft sich der Senat erneut. Dann muss er eine Lösung finden, sonst läuft die entscheidende Gesetzespassage aus.

Darum geht es

Die umstrittene Sektion 215 des Patriot Act erlaubt die Massenspeicherung von Telefondaten. Gesprächsinhalte sind nicht betroffen, sondern Verbindungsdaten, wer wann mit wem gesprochen hat. Die NSA kann sie sich per Gerichtsurteil als Gesamtpaket von den Telefonanbietern holen, was somit auch die Daten völlig unverdächtiger Telefonnutzer betrifft. Nach den Snowden-Enthüllungen waren viele Amerikaner wütend, dass auch ihre Kommunikation überwacht wurde. Obamas Geheimdienst-Kommission hat ihm Reformen empfohlen, um die krassesten Verstöße gegen die Rechte von Amerikanern zu vermeiden. Damit hat der Präsident den Kongress beauftragt.

Der USA Freedom Act soll das Problem lösen, durch eine Art Vorratsdatenspeicherung, wie es sie eine Zeit lang auch in Deutschland gab und wie sie nun wieder kommen soll. Nicht mehr die NSA selbst soll die Informationen speichern, sondern nur noch die Telekommunikationsanbieter. Der Geheimdienst kann dann nach dem Beschluss des geheimen FISA-Gerichtes, das für die Überwachung zuständig ist, nur noch Daten zu bestimmten Personen oder Gruppen abfragen. Bürgerrechtsgruppen hielten auch diese geplanten Neuregelungen für einen zu großen Eingriff in die Grundrechte. Sie fordern, dass sich Geheimdienste noch stärker zurückhalten.

Das Weiße Haus und seine Verbündeten im Kongress hatten gehofft, dass das Auslaufen der entsprechenden Passage des Patriot Acts zum 1. Juni genug Druck aufbauen würde, um Skeptiker für den USA Freedom Act zu gewinnen. Sie haben sich geirrt.

Das kann am 1. Juni passieren

Nach 14 Jahren könnte die Massenerfassung amerikanischer Metadaten durch die NSA zu Ende tatsächlich zu Ende gehen. Die Frage ist nun, ob umgehend die Vorratsdatenspeicherung als Ersatz eingerichtet wird. Dem Guardian bestätigte die US-Regierung am Samstag, dass sie sich keine Verlängerung ihrer Erlaubnis vom FISA-Gericht geholt hat. Das hat sie sonst alle drei Monate getan, seitdem der Patriot Act 2001 in Kraft trat.

Es gibt nur noch eine Möglichkeit, die Massenüberwachung in den Händen der NSA zu lassen: Republikanische Hardliner müssten es schaffen, Senat wie Repräsentantenhaus zu überzeugen, den Patriot Act unangetastet zu lassen. Das gilt aber als unwahrscheinlich, selbst viele in der Geheimdienst-Gemeinde befürworten den USA Freedom Act, weil er ihnen viel Freiheit zur Überwachung bietet und vor den Gerichten eher bestehen dürfte als die jetzige Regelung. Diese Angst wurde jüngst durch das Urteil eines Berufungsgerichtes verstärkt, dass die Massenspeicherung für verfassungswidrig erklärte.

Erst einmal hat der Senat nun eine Woche Urlaub. In einer Sondersitzung am Sonntag bleiben ihm dann noch wenige Stunden, um Sektion 215 zu verlängern oder eine Version des USA Freedom Acts zu verabschieden, die dann wieder zurück ans Repräsentantenhaus müsste.

Alle gegen alle

Die Blockade ist entstanden, weil es zwei Fronten gibt: Einen Konflikt zwischen Demokraten und Republikanern einerseits, und innerhalb der Republikaner andererseits. Der republikanische Parteiflügel der "Falken", für die nationale Sicherheit über alles geht, will die Datengier der Sicherheitsbehörden nicht zügeln. Er lehnt das Ende der NSA-Massenüberwachung ab. Der USA Freedom Act beraube Ermittler der "Werkzeuge", die es brauche um gegen Terroristen vorzugehen, sagte Mitch McConnell, republikanischer Mehrheitsführer im Senat. Die Vorratsdatenspeicherung sei unerprobt, zudem sei unklar, ob die Firmen die Daten lang genug speicherten. Doch McConnell hat nicht alle Republikaner im Senat hinter sich. Seine Versuche, die entsprechende Passage des Patriot Act wenigstens bis zum 2. Juni zu verlängern, blockten dessen Gegner ab. Dieser umstrittene Teil des Überwachungsgesetzes, für das im Oktober 2001 noch 98 der 100 Senatoren stimmten, hat nun keine Chance mehr, auch nur zwei Tage verlängert zu werden.

Dass der Senat völlig ohne Ergebnis aus seiner Sitzung ging, liegt auch an den erstarkten Libertären. McConnells innerparteilicher Gegenspiele ist Rand Paul, der den Kämpfer gegen einen übermächtigen Staat gibt. Schon am Mittwoch hatte er eine zehneinhalb Stunden lange Rede gehalten, um die Abstimmung zu verzögern. John McCain, ein innerparteilicher Gegner von Paul, nannte die Rede eine "Performance".

Paul will Präsident werden und steht bei Geldgebern in der Pflicht: Er hat massiv Spenden mit dem Versprechen eingeworben, sich gegen NSA-Überwachung einzusetzen. Er hat angekündigt, auch am Sonntag in einer Woche so lange zu reden, bis um Mitternacht die Frist verstreicht, zu der der Patriot Act verlängert sein müsste. Wenn er damit durchkommt, müssen sich die zuständigen NSA-Spione für den Sommer eine andere Beschäftigung suchen.

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