Massenproteste in Russland:Am Geburtstag des Präsidenten kommen sie wieder

Tausende Menschen protestieren trotz schlechten Wetters auf Moskaus Straßen gegen den russischen Präsidenten Putin. Auf der zentralen Kundgebung zum "Marsch der Millionen" wechseln sich Oppositionspolitiker, Umwelschützer, Journalisten und ein gerade aus der Haft entlassener Regierungskritiker am Mikrofon ab. Die nächste Demo soll am 7. Oktober stattfinden - an Putins Geburtstag.

Hannah Beitzer

Das Wetter meint es nicht gut mit den Gegnern des russischen Präsidenten Wladimir Putin - es gewittert an diesem Dienstagmittag in Moskau. Dennoch sind Tausende Oppositionelle zu einer Massendemonstration gegen die Regierung gekommen, ein bunter Haufen Regierungskritiker aus den verschiedensten politischen Lagern. Bei der zentralen Kundgebung wechseln sich Umweltschützer, Oppositionspolitiker und Journalisten am Mikrofon ab, eine Gruppe Anarchisten schwenkt schwarze Fahnen mit der Aufschrift "Der Staat ist der größte Feind". Auch eine Abordnung der russischen Occupy-Bewegung ist dabei, ebenso einige Nationalisten, die Losungen wie "Vorwärts, Russland!" rufen.

Bis zu 100.000 Demonstranten sollen sich zur Hauptveranstaltung auf dem Sacharow-Prospekt versammelt haben, heißt es von den Veranstaltern. Die Behörden sprechen von 18.000 Teilnehmern, Journalisten schätzen die Menschenmenge auf 50.000 Demonstranten.

Der linke Oppositionspolitiker Sergej Udalzow schlägt vor, den nächsten "Marsch der Millionen" bereits jetzt auf ein bestimmtes Datum festzulegen: Den 7. Oktober - "der Geburtstag von ihr-wisst-schon-wem", sagt Udalzow, also von Präsident Putin. Boris Nemzow von der Bewegung "Solidarnost" erzählt, wie Polizisten am Tag zuvor versuchten, gewaltsam in sein Haus einzudringen. "Wir werden gewinnen", feuert er die Menge an, "die Zeit der Worte ist vorbei. Jetzt ist es Zeit für kluges Handeln."

"Ihr werdet das Land aus dem Dreck ziehen"

Dann ergreift Sergej Mochnatkin das Wort: Im Dezember 2009 wurde er auf einer regierungskritischen Demonstration verhaftet und zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Im April 2012 begnadigte ihn der damalige Präsident Dmitrij Medwedjew - kurz bevor er sein Amt an Wladimir Putin abgab. "Ihr habt mich aus dem Gefängnis geholt", ruft Mochnatkin den Demonstranten zu, "und ihr werdet das Land aus dem Dreck ziehen."

Die Demonstration war von den Behörden genehmigt worden, dennoch gab es einige Zwischenfälle. Unmittelbar vor Beginn der Protestaktion waren mehrere regierungskritische Internetseiten offenbar lahmgelegt worden. Die Homepages des Radiosenders Echo Moskwy sowie des Fernsehkanals Doschd und der Zeitung Nowaja Gaseta waren nicht zu erreichen. Es habe eine DDoS-Attacke gegeben, teilte der TV-Sender mit. Bei solchen Attacken werden Server so lange mit sinnlosen Anfragen überflutet, bis sie ausfallen.

Außerdem sind mehrere Oppositionsführer am Vormittag in Moskau zu Befragungen vorgeladen worden, offiziell um "ihre Rolle bei der Organisation des sogenannten Marschs der Millionen am 6. Mai sowie bei der Organisation und Beteiligung von Massenunruhen klären" heißt es von Seiten der Ermittlungsbehörden. Am Tag vor Putins Amtseinführung waren Proteste in Moskau eskaliert. Es gab zahlreiche Verletzte und Hunderte Festnahmen.

Vermummte Einsatzkräfte hatten am Vortag die Wohnungen mehrerer prominenter Oppositioneller durchsucht. Bürgerrechtler kritisierten die Razzien, bei denen angeblich mehr als eine Million Euro Bargeld sichergestellt wurde, als Einschüchterung.

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