Massendemonstration in Israel:"Marschiert wie die Ägypter!"

Es war eine der größten Kundgebungen in Israels Geschichte: Mehr als 300.000 Menschen sind in Tel Aviv auf die Straße gegangen. Sie fordern höhere Löhne, bezahlbare Wohnungen - Ministerpräsident Netanjahu reagiert.

In Israel haben gestern Abend laut israelischen Medien rund 350.000 Menschen gegen die hohen Lebenshaltungskosten demonstriert. In Jerusalem gingen 30.000 Menschen auf die Straße - die größte Einzeldemonstration aber gab es wie schon an den beiden vorherigen Samstagen in Tel Aviv: Dort zogen 300.000 Menschen nach dem Ende des Schabbats durch die Innenstadt.

Massendemonstration in Israel: Protest in den Abendstunden: Allein im Zentrum von Tel Aviv gingen 300.000 Menschen auf die Straße, um gegen die hohen Lebenshaltungskosten zu demonstrieren.

Protest in den Abendstunden: Allein im Zentrum von Tel Aviv gingen 300.000 Menschen auf die Straße, um gegen die hohen Lebenshaltungskosten zu demonstrieren.

(Foto: AP)

Es war eine der größten Kundgebungen in der Geschichtes des jüdischen Staates. "Marschiert wie die Ägypter!", stand auf einem Plakat in Anspielung an die erfolgreiche Protestbewegung im Nachbarland.

Die Menschen protestierten gegen die zu hohen Lebenshaltungskosten, Mängel im Bildungs- und Gesundheitssystem, gegen die Wohnungsnot und die großen Lohnunterschiede. "Das Volk will soziale Gerechtigkeit", skandierten die Demonstranten. Während der Kundgebung versuchten immer noch Tausende Menschen, durch verstopfte Seitenstraßen zum zentralen Kundgebungsort zu gelangen.

Zum ersten Mal nahm auch der Gewerkschaftsverband Histradut an den Kundgebungen teil. "Dies ist ein Ereignis, das einen Wendepunkt in den Beziehungen zwischen Bürgern und Regierung darstellt", sagte Amram Mitzna dem Onlineportal Ynet. Er ist einer der Kandidaten für die Führung der oppositionellen Arbeitspartei.

Vom Zeltlager zum Massenprotest

Die Proteste hatten vor mehr als drei Wochen mit einem kleinen Zeltlager von Studenten im Zentrum von Tel Aviv begonnen. Inzwischen sind die Forderungen viel umfassender und zum Teil auch unübersichtlicher geworden. Neben der Wohnungsnot geht es nicht mehr nur um das Gesundheits- und Bildungswesen oder die hohen Steuern sondern um immer neue Einzelinteressen.

"Netanjahu, hör' uns zu. Wir sind das Salz der Erde. Wir wollen Veränderungen. Aber wir brauchen keine Veränderung der gewählten Koalition. Wir, die Jugend, verlangen eine Veränderung des grausamen ökonomischen Systems", appellierte der Vorsitzende der Studentenunion, Itzak Schmueli, unter lautem Beifall an den konservativen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu.

Netanjahu kündigt Steuererleichterungen an

Der zunehmend unter Druck geratende Netanjahu hat eine Reihe von Reformen in Aussicht gestellt, unter anderem die Freigabe von Bauland und Steuererleichterungen. Das geht der Protestbewegung aber nicht weit genug. Sie verlangt den massiven Bau von bezahlbaren Wohnungen, die Besteuerung von leerstehenden Apartments, die Erhöhung des Mindestlohns, kostenlose Kindergärten und eine kostenlose Schulausbildung für alle Altersgruppen.

Der israelische Finanzminister Juwal Steinitz hat mittlerweile angekündigt, schnell Schritte einzuleiten, um die steigenden Lebenshaltungskosten im Land zu reduzieren. Im israelischen Radio sagte Steinitz heute, Netanjahu werde voraussichtlich die Einrichtung eines Sonderkomitees aus Ministern und Experten ankündigen. Damit solle auf die Forderungen der Demonstranten eingegangen werden.

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