Der Schrecken hält bis heute an in Srebrenica: Am 17. Jahrestag der Gräueltat vom 11. Juli 1995 in der bosnischen Stadt werden 520 neu identifizierte Opfer beigesetzt.
Mehr als 5600 Menschen sind hier bestattet - doch noch viel mehr Muslime starben damals gewaltsam.
Etwa 8000 muslimische Männer und Jungen wurden damals getötet.
Zur Trauerfeier 2012 kamen etwa 35.000 Menschen in die ostbosnische Stadt und gedachten des Massakers. Bereits am Vorabend beteiligten sich etwa 7000 Menschen an einem Friedensmarsch. Sie hatten einen Fußweg von über 100 Kilometern innerhalb von drei Tagen zurückgelegt. Die Teilnehmer wollten damit an die vielen Flüchtlingsströme während des Bürgerkrieges (1992-1995) erinnern.
Dieser Mann soll für das Leid der Menschen verantwortlich sein: Ratko Mladic. Jahrelang war er auf der Flucht, doch am 26. Mai 2011 hat die serbische Polizei den mutmaßlichen Kriegsverbrecher gefasst. Er wurde an das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ausgeliefert. Der schwerwiegendste Anklagepunkt: das Massaker von Srebrenica.
Srebrenica ist ein kleines Städtchen im Nordosten von Bosnien und Herzegowina, nahe der Grenze zu Serbien. Heute steht der Name des Ortes nicht nur für das schlimmste Massaker seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa. Er steht auch für das Versagen internationaler Schutztruppen. Die Weltgemeinschaft sah Massenmord und Vertreibungen untätig zu. Im Bild sind alte Männer und Frauen im Sommer 2009 vor einer Flüchtlingsunterkunft zu sehen.
Bei den "Müttern von Srebrenica", die ihre Söhne und Männer verloren haben und von denen viele erst vergewaltigt, dann vertrieben wurden, stieß Mladics Festnahme auf Genugtuung. "Die Gerechtigkeit hat gesiegt", sagte der Rechtsvertreter der Vereinigung dem britischen Sender BBC. "Zumindest haben wir die Hoffnung, dass Mladic bekommt, was er verdient." Im Bild: In dem Bus, den die Frau in Srebrenica berührt, werden die Särge von erst jetzt identifizierten Opfern des Massakers zu einem Massenbegräbnis transportiert.
Lange Zeit hatten die Opfer das Gefühl, von der Internationalen Gemeinschaft im Stich gelassen zu werden. Etwa 13 Jahre nach dem Massaker hatte ein Zivilgericht in Den Haag sein Urteil in einem Prozess von Überlebenden gegen die Niederlande gefällt: Die niederländische Regierung könne nicht wegen des Versagens ihrer Blauhelm-Truppen verklagt werden. Im Bild: Ein muslimischer Geistlicher betet am Tor einer Fabrik in Kravica. Auf dem Gelände waren Tausende Männer und Jungen exekutiert worden.
Mit dieser Entscheidung wies das Gericht einen Antrag von Hinterbliebenen zurück. Sie hatten dem niederländischen Staat vorgeworfen, seine UN-Soldaten hätten im Sommer 1995 die Bevölkerung der muslimischen Enklave Srebrenica nicht vor den Gräueltaten bosnisch-serbischer Milizen beschützt. Besonders berüchtigt für seine Grausamkeiten gegen Muslime war General Ratko Mladic (links), hier im Bild zu sehen, wie er im Juli 1995 mit dem niederländischen UN-Kommandeur Thom Karremans (zweiter von rechts) zusammensteht. Zum selben Zeitpunkt überrannten Mladics Truppen ...
... das Dorf Potočari, unweit von Srebrenica. Potočari diente als Standort der niederländischen UN-Truppen. "Eine hervorragend geplante Militäraktion", nannte Karremans damals die Einnahme von Srebrenica durch die Mladic-Truppen, die zum größten Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg führten. Die von Muslimen bewohnte Enklave Srebrenica stand bis zum Juli des Jahres 1995 unter dem Schutz der Vereinten Nationen. Knapp 400 niederländische Soldaten sicherten die UN-Schutzzone im umkämpften Ostbosnien. Doch als deren 40.000 Einwohner der Hilfe ...
... am meisten bedurften, griffen die Blauhelm-Truppen nicht ein: Am 6. Juli 1995 begann die bosnisch-serbische Armee mit einem Vorstoß auf die UN-Schutzzone - gegen alle Vereinbarungen. Doch eine nennenswerte Gegenwehr unterblieb. So überrannten die Truppen bereits am 11. Juli Srebrenica und wenig später den nördlich gelegenen Nachbarort Potočari. Der Screenshot eines Fernsehsenders zeigt niederländische UN-Soldaten in Potočari vor Hunderten bosniakisch-muslimischen Zivilisten, die aus dem nahegelegenen Srebrenica flüchteten. Kampflos überließ ein kleines Kontingent niederländischer Blauhelme den etwa 2000 gut ausgerüsteten Angreifern unter General Ratko Mladic die Stadt. Nun sei der Zeitpunkt gekommen, "Rache an den Türken zu nehmen", kündigte Mladic an - was folgte, war ...
... ein blutiges Massaker und eine großangelegte Vertreibungsaktion: Muslimische Männer im wehrfähigen Alter, aber zum Teil auch Jugendliche wurden von Frauen, Kindern und alten Männern getrennt und abtransportiert. Etwa 3000 sollen es gewesen sein. Keiner von ihnen wurde jemals wiedergesehen. Auch Tausende Menschen, die versuchten, durch die Wälder ins bosnisch kontrollierte Tuzla zu entkommen, sollen entweder direkt erschossen oder verschleppt und später umgebracht worden sein. Das Foto zeigt bosnisch-serbische Truppen im Juli 1995 am Rande von Srebrenica. Die Muslime ...
... wurden auf zum Teil bestialische Weise umgebracht. Vielen seien die Kehlen durchgeschnitten oder die Köpfe abgehackt worden, berichteten UN-Ermittler. Und das sind noch nicht einmal die grausamsten Folter- oder Tötungsmethoden, die UN-Soldaten und andere Augenzeugen beobachtet haben. Eine Kette sogenannter Killing Fields, auf denen die Bosniaken ermordet und mit Hilfe von schwerem Gerät oft auch gleich verscharrt wurden, zieht sich quer durch die ehemalige vermeintliche Schutzzone. Auf dem Bild: Die von UN-Ermittlern im Februar 1996 gesicherten Spuren auf einem Feld westlich von Srebrenica.
Die verbliebenen Frauen sowie Kinder, Alte und Kranke wurden nach der Besetzung der UN-Schutzzone von den Serben deportiert. Sie wurden in Busse verladen und im Niemandsland zwischen den Fronten ausgesetzt. Es sei nicht zu übersehen, dass diese Aktion "generalstabsmäßig und präzise geplant" sei, sagte damals ein UN-Sprecher. Zuvor waren bosnische Frauen systematisch vergewaltigt worden. Das Foto aus dem März 1996 zeigt Flüchtlinge aus Srebrenica.
Die niederländische Regierung hatte bereits 2002 erklärt, mit dem Schutz der Stadt sei ihren leichtbewaffneten Soldaten eine "unmögliche" Aufgabe erteilt worden. In einem abgetrennten Verfahren hatte das Gericht in Den Haag im Juli eine Klage gegen die Vereinten Nationen als unzulässig zurückgewiesen. Die Kläger hatten auch den UN eine Mitverantwortung an dem Massaker zur Last gelegt. Das Versagen in Srebrenica ist eine offene Wunde ...
... für die niederländische Gesellschaft. Eine erste Genugtuung war die Festnahme des früheren bosnischen Serbenführers Radovan Karadžic, der neben Mladic als Hauptverantwortlicher für das Massaker gilt. Er war im Juli 2008 gefasst worden. In Den Haag muss er sich seit Oktober 2009 wegen Völkermords verantworten, doch Karadžic bestreitet jegliche Schuld. Die bosnischen Serben hätten sich nur gegen islamische Fundamentalisten verteidigt, die Bosnien nach dem Zerfall Jugoslawiens für sich beanspruchen wollten, sagte der damals 64-Jährige in seiner ersten Erklärung vor dem UN-Tribunal im März 2010.
Karadžic nannte die muslimische Führung in Bosnien "intrigant und hinterhältig". Er bestritt, dass sein Ziel die Vertreibung der bosniakisch-muslimischen und kroatischen Bevölkerung aus Bosnien gewesen sei. Das einzige Ziel der serbischen Bevölkerungsgruppe sei der Schutz ihres Lebens und Besitzes gewesen. Im Bild: Die 76-jährige Bosniakin Dzemila Mustajbasic verfolgt einen Bericht über den Prozess gegen den ehemaligen Serbenführer im Radio.
Radovan Karadžic verhöhnte die Opfer besonders damit, dass er versuchte, sie zu Tätern zu machen. Damit folgt Karadžic folgt der Verteidigungsstrategie seines Mitstreiters Slobodan Miloševic. Der inzwischen verstorbene ehemalige Präsident Serbiens und Jugoslawiens wollte in Den Haag das Gericht mit seinen unsäglichen Tiraden zermürben. Er machte Deutschland, den Vatikan und die Vereinigten Staaten für die Jugoslawien-Kriege verantwortlich. Wegen des Massakers von Srebrenica hat das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag bereits zwei ehemalige bosnisch-serbische Offiziere verurteilt - zu lebenslanger Haft. Der UN-Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien befand die beiden Kommandeure von Einheiten der bosnisch-serbischen Armee für schuldig, maßgeblich an Massakern an mehr als 8000 muslimisch-bosnischen Männern und Jugendlichen beteiligt gewesen zu sein. Laut Anklage hatten Ljubiša Beara, 70, und Vujadin Popovic, 53, im Juli 1995 die Exekutionen durch die dafür ausgewählten Truppen koordiniert. Gegen andere der insgesamt sieben Angeklagten im bislang umfangreichsten Srebrenica-Prozess vor dem Tribunal wurden mehrjährige Haftstrafen verhängt. Die Verurteilten sollen teils in direkter Komplizenschaft mit dem damaligen militärischen Befehlshaber, Ratko Mladic, gehandelt haben.
Das erste rechtskräftige Urteil im Fall Srebrenica wurde wegen Beihilfe zum Völkermord gegen Radislav Krstic gesprochen. Der ehemaliger Kommandeur des Drina-Korps, das maßgeblich an der Eroberung der Stadt beteiligt war, wurde in Den Haag zu 35 Jahren Haft verurteilt. Im Juli 1995 hatten die verantwortlichen niederländischen Blauhelmsoldaten ...
... nicht einmal den Versuch unternommen, die bosniakischen Einwohner vor den anrückenden Serben zu schützen, sondern überließen ihnen kampflos die Stadt. Im Kampf um Srebrenica haben sie nicht einen einzigen gezielten Schuss abgegeben. Zum Teil sollen sie sogar noch mit den Schlächtern kooperiert haben. So haben sie angeblich unter anderem bei der Selektion der wehrfähigen Männer geholfen - jedoch nach eigenen Angaben ohne zu wissen, dass diese getötet werden sollten. Auch Nato-Truppen kamen den Opfern nicht zur Hilfe. Der UN-Beauftragte David Harland machte 1999 im Abschlussbericht zu Srebrenica die Naivität der internationalen Gemeinschaft dafür verantwortlich, dass die notwendige Hilfe unterblieben war. Im Bild: Fotos von Menschen, die seit dem Massaker von Srebrenica als vermisst gelten.
Ein Mann weint am Sarg seines Sohnes. Die Aufnahme stammt aus dem Jahr 2009, kurz zuvor waren die Leichen von 534 weiteren Opfern des Massakers identifiziert worden. Die Toten wurden am 11. Juli gemeinsam bestattet. Die Zuordnung der Skelette zu den Namen geht nur sehr langsam voran, deshalb findet an jedem Jahrestag des Massakers ein solches Begräbnis von identifizierten Opfern des Genozids statt.