Süddeutsche Zeitung

Massaker in Afghanistan:US-Amokläufer spricht von bruchstückhafter Erinnerung

"Er steht unter Schock": Der Anwalt des Amokschützen, der in Afghanistan zahlreiche Menschen erschossen haben soll, erklärt, sein Mandant könne sich an den vermeintlichen Tatzeitraum nicht erinnern. Auf unzurechnungsfähig will er trotzdem nicht plädieren. Die Ehefrau des Soldaten spricht derweil den Hinterbliebenen der Opfer ihr Beileid aus.

Staff Sergeant Robert Bales, der US-Amokschütze von Afghanistan, ist in einem Militärgefängnis auf dem Stützpunkt Fort Leavenworth in Kansas erstmals mit einem Anwalt zusammengetroffen. Sein Mandant habe nur bruchstückhafte Erinnerungen an die Tatnacht, sagte Anwalt John Henry Browne. Der Soldat könne sich an Einzelheiten vor und nach der Tat erinnern, an den eigentlichen Tatzeitraum habe er jedoch keine Erinnerungen.

Entgegen bisheriger Berichte erklärte Browne gegenüber dem amerikanischen Nachrichtenportal CBS, Bales sei bei der Tat nicht betrunken gewesen. Auf seine Strategie in dem Fall angesprochen, antwortete der Anwalt, er sehe seinen Mandanten nicht als unzurechnungsfähig an, aber doch als vermindert schuldfähig.

"Er steht unter Schock", sagte Browne über den Zustand des US-Soldaten. An die Ehefrau und die Kinder des Täters übermittelte Browne folgende Botschaft: "Er liebt sie sehr und kann es kaum erwarten, mit ihnen zu sprechen."

Unterdessen hat die Ehefrau des Amokläufers den Hinterbliebenen der Opfer ihr Beileid ausgesprochen. Was sie in Medienberichten gelesen und gesehen habe, passe in keiner Weise zum Charakter "des Mannes, den ich kenne und bewundere". An die Medien richtete die Frau die Bitte um "etwas Ruhe und Frieden, während wir versuchen, etwas zu verstehen, was nicht zu verstehen ist".

Anklage noch in dieser Woche

Der Soldat hatte am 11. März 16 afghanische Zivilisten, darunter Frauen und Kinder, erschossen. Der 38-Jährige war seit Dezember 2011 in Afghanistan stationiert, davor hatte er bereits drei Jahre in Irak gedient. Als er hörte, dass er nach Afghanistan geschickt werden sollte, habe er nicht gehen wollen, sagte der Anwalt des Attentäters. Aus Kreisen des US-Militärs verlautete, dass vermutlich noch in dieser Woche Anklage gegen Bales erhoben werde.

Unterdessen wurde bekannt, dass Bales bereits 2003 von einem Schiedsgericht des Wertpapierbetrugs schuldig gesprochen und zu einer Geldstrafe von 1,5 Millionen Dollar verurteilt worden war. Nach Erkenntnissen der Nationalen Vereinigung der Wertpapierhändler verhielten sich Bales, ein weiterer Mann und sein Unternehmen betrügerisch, brachen ihre Treuhänderpflicht, betrieben ungenehmigten Handel und verfolgten unangemessene Investitionen. Die Zahlung der Strafe steht noch aus.

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