Massaker im Bosnienkrieg:Gericht: Niederlande tragen eine Mitschuld am Massaker von Srebrenica

Niederländische UN-Soldaten in Potocari

Niederländische UN-Soldaten stehen am 11. Juli 1995 in Potočari vor Hunderten von muslimischen Zivilisten, die aus dem nahegelegenen Srebrenica vor serbischem Terror geflüchtet waren.

(Foto: dpa)
  • Die Niederlande sind einem Gerichtsurteil zufolge mitverantwortlich für den Tod von mehr als 300 Männern und Jungen beim Massaker im bosnischen Srebrenica im Juli 1995.
  • Die Opfer-Angehörigen, die "Mütter von Srebrenica", hatten die Zivilklage angestrengt. Den Opferfamilien steht nun eine Teilentschädigung zu.
  • Insgesamt wurden damals in Srebrenica 8000 bosnische Muslime getötet.

Das Massaker von Srebrenica gilt als der schlimmste Völkermord auf europäischem Boden seit dem Zweiten Weltkrieg. Mehr als 8000 bosnische Muslime wurden dabei im Juli 1995 von serbischen Truppen getötet. Mehr als 20 Jahre später hat nun ein Berufungsgericht den niederländischen Staat erneut für den Tod von mehr als 300 muslimischen Männern und Jungen mitverantwortlich gemacht. Der Staat muss den Opferfamilien nun eine Teilentschädigung zahlen.

Das Urteil des Berufungsgerichts in Den Haag vom Dienstag hält weitgehend eine Entscheidung eines Zivilgerichts aus dem Jahr 2014 aufrecht, das bereits eine Mitschuld der Niederlande am Tod zahlreicher Männer und Jungen festgestellt hatte. Es war der erste Schuldspruch gegen den Heimatstaat einer Truppe der Vereinten Nationen für Kriegsverbrechen Dritter.

Weil die niederländischen Blauhelmsoldaten die Männer und Jungen von ihrem Stützpunkt gemeinsam mit anderen Hilfesuchenden fortgeschickt hätten, seien sie ihrer Chance aufs Überleben beraubt worden, sagte die Vorsitzende Richterin Gepke Dulek. Diese waren im Anschluss von bosnisch-serbischen Kämpfern getötet worden, wie Tausende andere bosnische Muslime.

Der Völkermord in Srebrenica

Die niederländischen UN-Soldaten sollten 1995 die bosniakische Enklave Srebrenica und Tausende Flüchtlinge schützen. Doch im Juli ergaben sie sich kampflos, als serbische Einheiten ihre Stellungen stürmten. Einem UN-Bericht zufolge überließen die Blauhelmsoldaten alle Beobachtungsposten und Sperren widerstandslos den bosnischen Serben. Die Militärs unter dem Kommando des serbischen Generals Ratko Mladić ermordeten anschließend etwa 8000 muslimische Männer und Jungen.

Beide Seiten gingen gegen das Urteil der Erstinstanz in Berufung

In der Erstinstanz hatte das Gericht die Niederlande ausdrücklich nicht für den Fall der Enklave und den Tod aller Opfer verantwortlich gemacht. Doch hätten die Soldaten unrechtmäßig an der Deportation von mehr als 300 Männern von ihrem Militärgelände in Potočari durch die Serben mitgewirkt. Dabei, so urteilten die Richter, habe es bereits Anzeichen für Massenerschießungen gegeben.

"Man kann mit großer Sicherheit davon ausgehen, dass diese Männer am Leben geblieben wären, wenn Dutchbat ihnen gestattet hätte, auf dem Militärgelände zu bleiben," hieß es in der Urteilsbegründung.

Dagegen hatte die niederländische Regierung Berufung eingelegt. Die niederländische UN-Blauhelmeinheit "Dutchbat" habe gegen die serbische Übermacht gar nichts tun können, argumentierte der Staat. Außerdem stand die Truppe nach niederländischer Auffassung unter der Befehlsgewalt der Vereinten Nationen.

Auch die Angehörigen der Opfer, die "Mütter von Srebrenica", hatten Berufung eingelegt. Sie waren der Ansicht, dass die Niederlande für weitaus mehr Opfer haften müssten.

Für den Völkermord muss sich Ex-General Mladić in Den Haag vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal verantworten. Ende 2017 wird das Urteil erwartet. Als politisch Verantwortlicher war Ex-Serbenführer Radovan Karadžić bereits zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt worden.

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