Maskenaffäre:Der Verdienstorden und die Provisionen

Maskenaffäre: "Im Bundestag nichts verloren": Georg Nüßlein erhielt 2016 den Verdienstorden von Bundestagspräsident Norbert Lammert überreicht.

"Im Bundestag nichts verloren": Georg Nüßlein erhielt 2016 den Verdienstorden von Bundestagspräsident Norbert Lammert überreicht.

(Foto: Achim Melde/Deutscher Bundestag)

Georg Nüßlein und Alfred Sauter sind Träger des Bundesverdienstkreuzes. An ihren Fällen zeigt sich auch ein grundsätzliches Problem: Warum werden Abgeordnete so oft mit Orden bedacht?

Von Robert Roßmann, Berlin

Bundespräsidenten äußern sich in der Regel zurückhaltend, das liegt in der Natur ihres Amtes. Umso erstaunlicher ist die Klarheit, mit der Frank-Walter Steinmeier zur Maskenaffäre Stellung genommen hat. Er teile die Empörung darüber, "dass ausgerechnet Abgeordnete die Hand aufhielten", sagte Steinmeier. Deren Verhalten sei "schäbig", "schändlich" und "Gift für die Demokratie". Wer so handele, habe "schlicht im Bundestag nichts verloren". Steinmeier forderte die Parteien auf, schnell Konsequenzen zu ziehen. Denn: "Fehler zu benennen, ist wichtig - noch wichtiger ist es, sie zu korrigieren." Damit hat der Bundespräsident sicher recht. Aber müsste Steinmeier dann nicht auch schleunigst Entscheidungen seiner Vorgänger korrigieren?

Steinmeier hatte sich in seiner Rede vom 12. März auf die bisherigen Unionsabgeordneten Georg Nüßlein und Nikolas Löbel bezogen. Nüßlein soll mindestens 660 000 Euro Provision für die Vermittlung von Maskengeschäften eingestrichen haben, Löbel 250 000 Euro. Auch die Verwicklung des langjährigen CSU-Abgeordneten Alfred Sauter in die Korruptionsaffäre war damals schon bekannt, er soll noch mehr kassiert haben als Nüßlein und Löbel. Doch ausgerechnet dieser Sauter ist Träger des Bundesverdienstordens - genauso wie Nüßlein.

Alfred Sauter erbringe "seit Jahrzehnten herausragende Leistungen zum Wohl der Allgemeinheit", so begründete 2010 Bundespräsident Horst Köhler die Verleihung des Verdienstkreuzes 1. Klasse an Sauter. Überreicht wurde es dem CSU-Politiker vom damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer. Nüßlein bekam von Joachim Gauck das Verdienstkreuz am Bande verliehen, übergeben wurde es ihm Ende 2016 von Bundestagspräsident Norbert Lammert. Müsste Bundespräsident Steinmeier Nüßlein und Sauter ihre Verdienstorden jetzt nicht aberkennen?

Der Fall offenbart ein grundsätzliches Problem

Auf Nachfrage der Süddeutschen Zeitung sagt ein Sprecher Steinmeiers, das Ordensgesetz eröffne tatsächlich "die Möglichkeit, eine Auszeichnung zu entziehen, wenn sich der Ordensträger durch sein Verhalten, insbesondere durch das Begehen einer Straftat, der verliehenen Auszeichnung als unwürdig erweist". Allerdings setze "die Einleitung eines Entziehungsverfahrens in der Regel eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe voraus". Das Bundespräsidialamt prüfe "bei Bekanntwerden eines solchen Verhaltens beziehungsweise bei Vorliegen einer entsprechenden rechtskräftigen Verurteilung eines Ordensträgers stets, ob die Voraussetzungen für die Entziehung des Ordens vorliegen".

Bundes Verdienstkreuz an Christa Prinzessin von Thurn und Taxis

"Herausragende Leistungen zum Wohl der Allgemeinheit" attestierte Bundespräsident Horst Köhler dem CSU-Politiker Alfred Sauter im Jahr 2010. Das Verdienstkreuzes 1. Klasse überreichte damals der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer.

(Foto: Alexander Kaya/Augsburger Allgemeine)

Konkret zu Nüßlein und Sauter will das Bundespräsidialamt aber nicht Stellung nehmen. Es erklärt lediglich: "Im Hinblick auf den im Ordenswesen durchgängig geltenden Grundsatz der Vertraulichkeit und mit Blick auf das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen" könne "weder über die Einleitung noch über das Ergebnis eines solchen Verfahrens Auskunft gegeben werden".

An dem Fall zeigt sich ein grundsätzliches Problem: Warum werden Parlamentarier überhaupt so oft mit dem Verdienstorden ausgezeichnet? Der Einsatz für das Gemeinwohl sollte doch eigentlich selbstverständlicher Teil ihrer Arbeit als Abgeordnete sein. Trotzdem existiert im Bundestag ein eigenartiges Verfahren. Zwar gebe es "grundsätzlich keinen Automatismus bei der Vergabe des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland", sagt der Sprecher des Bundespräsidenten. Jeder Verleihung gehe "ein Ordensprüfverfahren voraus, in dem Verdienste und Ordenswürdigkeit geprüft werden". Dies gelte "auch, wenn mit dem Verdienstorden Leistungen im politischen Bereich gewürdigt werden". Nach "der bestehenden Praxis" würden in jeder Wahlperiode allerdings bis zu "etwa 30 Mitglieder des Deutschen Bundestages ausgezeichnet". Die Fraktionen könnten "dafür, entsprechend dem Stärkeverhältnis, Vorschläge vorlegen, die dem Bundespräsidenten über den Präsidenten des Deutschen Bundestages zugeleitet werden". Mitglieder der AfD-Fraktion seien aber noch nicht ausgezeichnet worden.

Kritik an der Vergabe nach Proporz

Kritiker dieses Verfahrens halten den Verdienstorden für Bundestagsabgeordnete wegen der Koppelung an das Stärkeverhältnis der Fraktionen für einen Proporzorden. Die Vergabepraxis erscheine ihm als "ein weiterer Fall von politischer 'Selbstbedienung' und eine Perversion des Sinnes von Verdienstorden", sagt der Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim der SZ.

Es gibt auch Politiker, die eine Änderung der bestehenden Praxis verlangen. "Diese Verleihung von Orden an die Politik bedarf einer dringenden Überprüfung, oftmals erfolgt das dafür, dass der Job gemacht wurde, für den man bezahlt wird", findet etwa Renate Künast, die ehemalige Fraktions- und Parteivorsitzende der Grünen. Auch aus der Linken gibt es schon lange Kritik.

Acht Stufen

Der Verdienstorden, er wird auch Bundesverdienstkreuz genannt, ist die höchste Auszeichnung, die die Bundesrepublik für Verdienste um das Gemeinwohl ausspricht. Der Orden wird vom Bundespräsidenten verliehen, es gibt ihn in acht Stufen. Als Erstauszeichnung wird im Allgemeinen die Verdienstmedaille oder das Verdienstkreuz am Bande verliehen. Als weitere Ausführungen folgen das Verdienstkreuz 1. Klasse, das Große Verdienstkreuz, das Große Verdienstkreuz mit Stern, das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband sowie das Großkreuz. Die Sonderstufe des Großkreuzes ist Staatsoberhäuptern vorbehalten.

Auf die Frage, ob die Ordensvergabe an Politiker deshalb nicht generell überdacht werden sollte, erklärt das Bundespräsidialamt jedoch: "Der von Bundespräsident Theodor Heuss unterzeichnete Erlass über die Stiftung des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland vom 7. September 1951 sieht ausdrücklich vor, dass der Verdienstorden auch für Leistungen im Bereich der politischen Arbeit verliehen wird." Auszeichnungen in diesem Bereich würden außerdem "vor allem für langjähriges ehrenamtliches politisches Engagement auf kommunaler Ebene" erfolgen.

Sauter und Nüßlein waren, als sie den Bundesverdienstorden bekamen, allerdings schon seit Langem Berufspolitiker, Sauter sogar schon seit 30 Jahren.

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