Er sei schon auf dem Weg nach draußen gewesen, sagte der iranische Außenminister am Samstag im omanischen Maskat. Schon am Gehen, so gut wie auf der Rückreise nach Teheran. Da sei sein Team, sagte Abbas Araghchi, auf die amerikanische Delegation gestoßen, darunter auf Donald Trumps Sondergesandten Steve Witkoff. Man habe sich dann, so Araghchi, ein paar Minuten lang unterhalten, „wie es das diplomatische Protokoll verlangt“. Ein bisschen Smalltalk also. „Nichts Außergewöhnliches“, sagte Araghchi. „Wir haben im Umgang mit amerikanischen Diplomaten stets Höflichkeit bewahrt.“ Das ist vermutlich Ansichtssache.
Gewöhnlich war es allerdings auch nicht, was in Maskat geschah. Seit 2015 gab es zwischen amerikanischen und iranischen Offiziellen keine Begegnung mehr. Bis zuletzt war es dem iranischen Regime wichtig, dass es mit der US-Regierung nicht direkt reden werde, also im selben Raum, sondern nur unter Vermittlung des omanischen Außenministers. Dass die Iraner dann doch, ganz am Ende, quasi zufällig, auf die Amerikaner trafen, war wohl ein kleines Zugeständnis an die USA. Präsident Trump hatte erst vor wenigen Tagen verkündet, man sei „in direkten Gesprächen“ mit der iranischen Führung, was aus Teheran sogleich dementiert wurde. Am Samstagabend dann nannte das Weiße Haus „die direkte Kommunikation“ einen „Schritt nach vorn“ in diesem noch frühen Prozess.
Zumindest kann man es beruhigend finden, dass beide Länder nun miteinander reden, sei es direkt oder indirekt. Länder, die in den vergangenen Monaten weniger nette Worte als Drohungen ausgetauscht haben. Der Konflikt um das iranische Atomprogramm ist mehr als zwei Jahrzehnte alt, seither gilt es als offenes Geheimnis, dass das Programm nicht nur für zivile Atomkraft gedacht ist.
Benjamin Netanjahu will das vollständige Ende des Atomprogramms
Dass der ewige Konflikt jetzt zum Krieg zwischen Iran und den USA führen könnte, hat mehrere Gründe. Zum einen hat es mit der Lage im Nahen Osten zu tun, die israelische Regierung drängt darauf, den Moment der iranischen Schwäche zu nutzen. Premier Benjamin Netanjahu will das Atomprogramm seit Langem beenden. Ein Deal mit Teheran sei nur möglich, wenn Iran das ganze Programm aufgebe und es unter US-Überwachung zerstöre. „Sonst“, so Netanjahu vergangene Woche, „ist die militärische Option die einzige Wahl“, also israelisch-amerikanische Luftangriffe auf die Atomanlagen.
Iran hat den Anreicherungsgrad seines Urans auch vor Trumps Wahlsieg schon massiv gesteigert, auf aktuell circa 60 Prozent. Die Biden-Regierung schätzte, dass das Regime nur noch Wochen von waffenfähigem Uran entfernt sei. Ein technischer Schritt, zu dem es sich jederzeit entschließen könnte. Nun kam mit Donald Trump ein Präsident ins Amt, in dem sie in Teheran nichts anderes sehen als einen Mörder – er ließ während seiner ersten Amtszeit den iranischen General Qassim Soleimani töten, als der sich gerade in Bagdad aufhielt.
Das Regime inszeniert den toten General seither als Märtyrer, sein Bild ist im Land überall präsent. Vergangenes Jahr teilten die amerikanischen Behörden mit, dass Iran aus Rache für Soleimani sogar ein Attentat auf Donald Trump plane. Dazu kommt, dass es Trump war, der aus dem Atomdeal ausstieg, den Iran im Jahr 2015 unterzeichnete. Damals verpflichtete sich das Regime, die Urananreicherung zu begrenzen, dafür bekam es mildere Sanktionen.
Trump stattdessen begann eine Politik, die er „maximalen Druck“ nannte. Er erhob harte Sanktionen gegen das Land, die die iranische Wirtschaft bis heute schwer belasten. Die iranische Führung leugnete zwar weiterhin, eine Atommacht werden zu wollen, weitete die Anreicherung aber massiv aus. Auch weil sie darin nach all den Niederlagen im Nahen Osten wohl die einzige Möglichkeit sieht, die Feinde in Israel und in den USA noch abzuschrecken.
In Maskat trafen also zwei Seiten aufeinander, die füreinander wenig anderes als Verachtung empfinden. Irans Machthaber, der Kleriker Ali Chamenei, schloss Verhandlungen mit Trump lange aus. Der schrieb im März einen Brief an Chamenei, den ein emiratischer Unterhändler nach Teheran gebracht haben soll. Darin kam offenbar Trumps Haltung zum Ausdruck: Entweder Iran lässt sich auf einen Deal ein – oder er, Trump, befiehlt der amerikanischen Luftwaffe den Angriff.
Laut der New York Times machten sich nach Trumps Drohung drei der höchsten Regimevertreter auf den Weg zu Chamenei: neben dem Staatspräsidenten, Massud Peseschkian, auch der Sprecher des Parlaments und der Chef der Justiz. Peseschkian gilt als sogenannter Reformer, als vergleichsweise moderat, die anderen beiden sind Konservative. In dieser Frage allerdings sollen sie, glaubt man der Times, einig gewesen sein: Im Fall eines amerikanischen Angriffs müsste das Regime auch Unruhen befürchten. Beides zur selben Zeit, ein Krieg gegen die Vereinigten Staaten und ein Aufstand auf den Straßen, könne das Regime in seiner Existenz gefährden.
Diese Warnung soll Chamenei am Ende überzeugt haben. Er stimmte zunächst indirekten Gesprächen mit den Amerikanern zu, direkte Gespräche könnten später folgen, falls Außenminister Araghchi bei der US-Delegation einen guten Willen erkennt. Davon scheint das iranische Regime jetzt auszugehen, jedenfalls beim Präsidenten selbst und bei Steve Witkoff, dessen Gesandtem und langjährigem Freund.
Am Tag nach den Gesprächen liest sich die iranische Presse, als sei das Regime in Maskat erfolgreich gewesen. Schon deswegen, weil sich die Trump-Regierung auf die iranischen Bedingungen einließ: fürs Erste nur indirekte Gespräche. Die dauerten zweieinhalb Stunden lang, man saß in getrennten Räumen, der omanische Außenminister pendelte hin und her und überbrachte mündliche und schriftliche Nachrichten. Außerdem, so heißt es, sei es nur ums Atomprogramm gegangen, nicht etwa um die ballistischen Raketen, mit denen das Land vergangenes Jahr zweimal Israel angriff.
Im Weißen Haus gibt es zwei verschiedene Lager im Atomstreit mit Iran
Aus iranischer Sicht ist zentral, dass sich die Amerikaner nicht Netanjahus Maximalforderung zu eigen machen, also dass Teheran sein Atomprogramm ganz aufgibt. Auch Offizielle in Trumps Umfeld fordern das, zum Beispiel sein Sicherheitsberater Mike Waltz. Steve Witkoff dagegen, der Gesandte, sagte zuletzt, er könne sich auch bloß eine stärkere Überwachung des Programms vorstellen. In Teheran setzen sie darauf, dass Witkoff die eigentliche Position des Präsidenten vertritt.
Am Samstagabend klangen Iraner und Amerikaner fast wortgleich, beide erwähnten die Wörter „positiv“ und „konstruktiv“. Abbas Araghchi lobte „die Gegenseite“ dafür, dass sie „große Anstrengungen für eine faire Lösung“ unternommen habe. Etwas so Freundliches hat ein iranischer Außenminister wohl schon lange nicht mehr über eine US-Regierung gesagt. Donald Trump warnte zwar vor frühem Optimismus, meinte aber, mit Iran laufe es „okay“.
Sehr okay lief es in Maskat aber auch für Iran, das mit seiner Furcht vor einem Angriff und seiner maroden Wirtschaft in der schwächeren Position ist. Trump verhandelt mit dem Regime derzeit über wenig anderes als das, was sein Vorgänger Barack Obama schon 2015 erreicht hatte. Die Frage wird sein, wie sich Benjamin Netanjahu verhält, sollte Trump nichts darüber hinaus gelingen – der israelische Premier hatte den Deal damals strikt abgelehnt. Am kommenden Samstag wollen sich die Vertreter aus den USA und Iran erneut treffen.