Missbrauchsgutachten:Kardinal Marx fordert grundlegende Reform der Kirche

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Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising, hat am Donnerstag ausführlich zum Gutachten der Rechtsanwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl Stellung bezogen. (Foto: Sven Hoppe/AFP)

Nach einem Gutachten zu sexuellem Missbrauch spricht der Münchner Erzbischof von "systemischen Ursachen". Ein zweites Rücktrittsgesuch plant er vorerst nicht.

Von Annette Zoch, München

Münchens Erzbischof Kardinal Reinhard Marx hat sich für grundlegende Kirchenreformen ausgesprochen. "Wer jetzt noch systemische Ursachen leugnet und einer notwendigen Reform der Kirche in Haltungen und Strukturen entgegentritt, hat die Herausforderung nicht verstanden", sagte Marx am Donnerstag in München. Marx äußerte sich eine Woche nach der Vorstellung des Missbrauchsgutachtens der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl für das Erzbistum München und Freising. Marx sagte, ihm werde im Gutachten Verantwortung zugeschrieben und er sei bereit, Verantwortung zu übernehmen. Er zeigte sich "erschüttert und betroffen" über das Leid der Betroffenen und das Verhalten von Verantwortlichen und entschuldigte sich bei Betroffenen, Pfarrgemeinden und Gläubigen. Ein zweites Rücktrittsgesuch an Papst Franziskus will Marx zunächst nicht stellen, er sagte aber auch: "Ich klebe nicht an meinem Amt."

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Marx spricht von "persönlichem Versagen"

Marx sagte, auch er habe lange zuerst die Institution und nicht die Opfer im Blick gehabt, auch aus einer klerikalen Haltung heraus. "Ich rechne mir das als persönliches Versagen an", sagte Marx. "Ich bin 25 Jahre Bischof, ich bin Teil des Systems." Mit diesem Gutachten sei man "der Wahrheit und der umfassenden Perspektive auf die Kirche" ein Stück näher gekommen, sagte Marx. "Wir wissen jetzt genug, damit wir hinschauen und jetzt anders handeln können." Die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs sei Teil einer umfassenden Erneuerung und Reform der Kirche, wie das der Synodale Weg aufgegriffen habe.

Konkret sprach sich Marx für einen anderen Umgang mit nicht heterosexuellen Menschen in der Kirche aus. Sexuelle Neigung dürfe in der Kirche nicht länger "Erpressungspotenzial" sein. Dies müsse auch Folgen für das in Deutschland geltende kirchliche Arbeitsrecht haben. Eine bestimmte sexuelle Neigung bedeutet nach seiner Ansicht "keine Einschränkung, Priester zu werden". In der katholischen Kirche wird seit Jahren kontrovers diskutiert, ob schwule Männer geweiht werden dürfen.

Ausweichend antwortete Marx auf die umstrittene Rolle von Papst Benedikt XVI., der von 1977 bis 1982 Erzbischof von München und Freising war. Benedikt hatte den Anwälten zuerst geschrieben, er sei im Jahr 1980 bei einer entscheidenden Ordinariatssitzung, in der es um den Einsatz eines pädophilen Priesters im Erzbistum ging, nicht anwesend gewesen. Kurz darauf musste sein Privatsekretär Georg Gänswein diese Aussage korrigieren und sprach von einem "redaktionellen Versehen". Marx sagte: "Ich habe keinen Zweifel an der Seriosität des Gutachtens", es sei aber weder ein Gerichts- noch ein Geschichtsurteil. Man müsse die angekündigte ausführliche Stellungnahme Benedikts abwarten.

Direkte personelle Konsequenzen hat das Münchner Gutachten vorerst keine. Allerdings lässt der ebenfalls belastete Münchner Kirchenrichter Prälat Lorenz Wolf all seine Ämter ruhen. Wolf ist auch Leiter des katholischen Büros in Bayern, das den Kontakt zur Politik hält, und ist Chef des BR-Rundfunkrats.

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