Süddeutsche Zeitung

Martin Sonneborn zur Europawahl:"Wir werden monatlich zurücktreten"

Satiriker Martin Sonneborn ist Vorsitzender der "Partei" und nach dem Karlsruher Urteil zur Europawahl zuversichtlich, dass der Sprung ins Straßburger Parlament gelingt. Im Interview erklärt er, was er mit Europa vorhat und welchen EU-Politiker er gerne fracken würde.

Von Martin Anetzberger

Das Bundesverfassungsgericht hat die Drei-Prozent-Hürde bei der Europawahl gekippt. Die kleinen Parteien frohlocken über ihren Sieg gegen die etablierten politischen Kräfte und die Bundesregierung. Die Chancen auf einen Einzug in das Europaparlament sind mit dieser Entscheidung stark gestiegen, denn am 25. Mai dürfte ein Prozent der Stimmen reichen, um mindestens ein Mandat zu ergattern. Das freut auch Martin Sonneborn, ehemals Chefredakteur der Titanic und derzeit Außenreporter bei der Satiresendung heute-Show, der als Vorsitzender und Spitzenkandidat der Partei "DIE PARTEI" Abgeordneter in Straßburg werden möchte. Im Interview mit Süddeutsche.de spricht er über seine Strategie.

Süddeutsche.de: Herr Sonneborn, das Bundesverfassungsgericht hat die Drei-Prozent-Hürde für die Europawahl gekippt. Was bedeutet das für Ihre Partei?

Martin Sonneborn: Das bedeutet erst mal den Einzug ins Europaparlament. Wir hatten ja bei der Bundestagswahl 2013 0,2 Prozent, standen aber nur auf einem Drittel der Wahlzettel. Das heißt, wir liegen bei 0,6 Prozent im Moment, und da sich mehr als zwei Drittel der Deutschen nicht für die EU-Wahl interessiert, befördert das natürlich unsere Chancen als kleine, obskure Splitterpartei.

Auf Ihrer Homepage steht, durch das "ausgewiesene Desinteresse von rund 72 Prozent der Bundesbürger an der EU-Wahl" sei ein Mandat in Straßburg nur noch schwer zu verfehlen! Finden Sie dieses Desinteresse gut?

Ja, natürlich. Das ist doch strategisch von enormem Vorteil für uns, und wir werden alles dafür tun, die Leute mit attraktiven Tipps für die Freizeitgestaltung am 25. Mai zu versorgen - Bowling zum Beispiel -, damit sie nicht zur Europawahl gehen. Und wir zählen darauf, dass wir unsere Klientel vom ersten bis zum letzten Mann an die Wahlurne kriegen. Ein Ergebnis im Bereich von drei bis fünf Prozent würde mich nicht überraschen.

Bei der Bundestagswahl haben Sie knapp 80 000 Zweitstimmen erhalten. Für das eine Prozent Stimmanteil, das für ein Mandat im Europäischen Parlament nötig wäre, wird das nicht reichen. Wie wollen Sie mehr Wähler gewinnen?

Ich glaube, dass wir unsere Klientel komplett mobilisieren können. Junge, engagierte Schüler und Studenten lassen sich leichter motivieren als die Wähler der CDU, die man extra aus dem Altersheim herankarren muss. Außerdem haben es obskure Splitterparteien immer leichter. Wir haben ein fanatisches Wahlvolk. Ich kann den Leuten befehlen, wählen zu gehen. Das sind einfach Vorteile, auf die überkommene Volksparteien nicht zurückgreifen können. Und bei einem Prozent ist ein Sitz in Straßburg ja schon gebucht, inklusive Muscheln und Champagner jeden Abend.

Was für einen Wahlkampf dürfen wir von Ihnen erwarten?

Möglichst langweilig, um die entscheidenden Leute davon abzuschrecken, an die Wahlurne zu gehen. Und gleichzeitig so ambivalent, dass wir unsere Klientel mobilisieren können. Außerdem schmutzig, wie immer natürlich mit persönlichen Angriffen gegen andere Parteien. Irgendwas aus der untersten Schublade wird auch dabei sein.

In Ihrem Regierungsprogramm für die Bundestagswahl 2013 forderten Sie, Peter Altmaier zu fracken und eine Mauer um Deutschland zu bauen. Was wollen Sie für Europa?

Die Mauer könnte auch europaweit ein Schlager werden. Es gibt ja viele Länder, die eine Mauer fast noch dringender brauchen als Deutschland. Für Belgien, ein tief gespaltenes Land, könnte das die Rettung sein. Die Schweiz braucht auf jeden Fall eine Mauer außenrum. Da müssen die europäischen Länder zusammenhalten, das ist klar. Ansonsten steht viel in unserem Bundesprogramm. Die Ukrainer votieren gerade für ein Verbot für die 100 reichsten Ukrainer, an der Regierungsbildung teilzuhaben. Das geht ja direkt zurück auf das Plakat der PARTEI, die 100 reichsten Bundesbürger umnieten zu lassen, sobald wir an der Macht sind. Ich vermute, dass so etwas auch auf europäischer Ebene gut ziehen wird.

Welchen Politiker auf EU-Ebene würden Sie denn gerne fracken?

Den Dicksten, den wir finden können. Und ich glaube, da gibt es einige.

Was dürfen wir von Ihnen persönlich erwarten im Europaparlament?

Ich rechne damit, dass ich mindestens zehn Kilo schwerer zurückkomme. Inhaltlich kann ich da noch nichts versprechen. Man muss ja, glaube ich, auch nicht vor Ort sein, wie die Kollegen oder Kolleginnen von der FDP gezeigt haben. Wahrscheinlich muss ich da nur einmal hin, um mich da vorzustellen und das Büro einzurichten. Und dann werden verdiente Parteikader mit Jobs versorgt. Wir müssen 25 000 Euro monatlich Bürokosten und Angestelltengelder unter die Leute bringen. Das ist ein schöner Bonus für Leute, die sich im Wahlkampf beim Sammeln von Unterstützerunterschriften hervorgetan haben.

Werden Sie die komplette Legislaturperiode bleiben?

Wir haben ja eine 60-Mann-Liste für die Europawahl aufgestellt mit mir als Spitzenkandidat. Ich selbst werde im Juni nach Straßburg gehen, und wir werden dann monatlich zurücktreten, so dass jeder sich das gut dotiert einen Monat lang anschauen kann. Das ist ja auch ein hochgradiges Spaßparlament, wenn man sich Verordnungen über die Dicke des Pizzateiges und Ölkännchen auf den Tischen ansieht. Ich glaube, da passen wir gut rein.

Wollen Sie jetzt auch gegen die Fünf-Prozent-Hürde bei der Bundestagswahl vorgehen?

Das ist eine interessante Anregung, die ich gerne aufnehme. Aber, nein. Die Europawahl wird all unserer Kräfte bedürfen. Ich vermute mal, dass wir uns um die nächste Bundestagswahl ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl kümmern werden.

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