Marokko:Kalter Krieg im nördlichen Süden

Marokko: Marokkanische Fallschirmjäger nehmen 2022 an dem jährlichen Manöver "Afrikanischer Löwe" in Kooperation mit US-Streitkräften teil.

Marokkanische Fallschirmjäger nehmen 2022 an dem jährlichen Manöver "Afrikanischer Löwe" in Kooperation mit US-Streitkräften teil.

(Foto: U.S. Army/Imago/Zuma Wire)

Die USA machen Anstalten, ihr Afrika-Kommando nach Marokko zu verlegen. Algerien sieht das als Affront - und weiß dabei Moskau und Peking an seiner Seite. Für Europas neue Energiepartnerschaft mit Nordafrika sind das keine guten Vorzeichen.

Von Mirco Keilberth

Schon das offizielle Foto des Besuchs ist ein Erfolg für die Regierung Marokkos. Der amerikanische Außenminister Antony Blinken blickt seinem gegenübersitzenden marokkanischen Amtskollegen Nasser Bourita freundschaftlich lächelnd in die Augen und streckt seine Hand weit aus. "Wir betrachten den marokkanischen Autonomieplan für die Westsahara für glaubwürdig und realistisch", sagt Blinken dem Besucher in Washington über den Plan der marokkanischen Regierung, in dem seit 47 Jahren besetzten und an Bodenschätzen reichen Wüstenstreifen in ferner Zukunft ein Referendum über dessen Unabhängigkeit abzuhalten.

Das amerikanisch-marokkanische Verhältnis wird von dem völkerrechtlich ungeklärten Status der Westsahara nicht getrübt. Im Gegenteil. Seit Wochen werben mehrere schwergewichtige Senatoren des US-Kongresses für die Verlegung des Afrika-Kommandos der US-Armee aus Stuttgart nach Marokko. "Es ist Zeit, Africom nach Afrika zu holen. Und Marokko ist einer unser besten Verbündeten", sagte der Republikaner Dan Sullivan kürzlich vor einem wichtigen Militärausschuss des Senats in Washington. Der Kommandeur der rund 2000 in ganz Afrika aktiven Soldaten reagiert hingegen verhalten. Es sei nicht das erste Mal, dass eine Verlegung diskutiert werde, so General Michael Langley in Stuttgart.

"Damit ist das Spiel um die Westsahara entschieden"

In der marokkanischen Hauptstadt Rabat ist man hingegen erfreut, zu einem der wichtigsten Partner des Westens in Afrika aufgestiegen zu sein. Mit der Lieferung von modernen T-72-Panzern an die Ukraine und der geplanten Übung "Afrikanischer Löwe" zusammen mit der US-Armee ist Marokko de facto ein Nato-Verbündeter. Das Manöver ist das größte auf dem Kontinent seit 18 Jahren. "Damit ist das Spiel um die Westsahara entschieden", verkündete der Journalist Hassan Hami auf der Nachrichtenseite "Morocco World News".

Marokko habe selbst mit der Verlegung einiger Africom-Einheiten den diplomatischen und militärischen Kampf um die Westsahara gewonnen, lobten andere marokkanische Kommentatoren. Sie spielen damit auf den erbitterten Konflikt mit dem Nachbarn Algerien an, der den Rückzug der marokkanischen Armee aus der Westsahara und deren Eigenstaatlichkeit fordert. Die Unabhängigkeitskämpfer der westsaharischen Befreiungsbewegung Frente Polisario finden in der algerischen Provinz Tindouf ebenso Unterschlupf wie die etwa 90 000 Flüchtlinge, die seit 1975 aus Angst vor den marokkanischen Soldaten in dem Flüchtlingslager Sahrawi leben.

Wegen des Streits um die Westsahara sind die Grenzen zwischen Algerien und Marokko geschlossen, der Handel liegt brach. Beiderseits der Grenzzäune sind starke Panzereinheiten stationiert. Der kalte Krieg isoliert auch die anderen Länder des Maghreb voneinander, da Marokko und Algerien im Bürgerkriegsland Libyen und in dem kurz vor einem Staatsbankrott stehenden Tunesien um Einfluss ringen.

"Die Konfrontation blockiert die europäische Nachbarschaftspolitik"

Was man in Algier von der erstarkten Partnerschaft Marokkos mit Washington hält, machte der algerische Staatspräsident nach Blinkens kürzlichem Besuch in Westafrika deutlich. "In den Beziehungen zu Marokko gibt es kein Zurück mehr" sagte Abdelmadjid Tebboune am Dienstag. Seitdem sich Delegationen aus Moskau und Peking in Algier die Klinke in die Hand geben, geht der 77-Jährige auf Konfrontationskurs. Ein halbes Jahr nachdem Marokko im Dezember 2020 Israel anerkannte und von dort gelieferte neueste Militärtechnik im Einsatz hat, sind auch die diplomatischen Beziehungen nach Rabat gekappt worden.

Die Zuspitzung des Konfliktes werde in beiden Ländern regelmäßig dafür genutzt, von den akuten sozialen Problemen abzulenken, sagte der algerische Analyst Rauf Farrah im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung im Dezember in Tunis. Auf ihrem letzten Kongress hätte die Frente Polisario eine militärische Konfrontation mit Marokko gefordert. "Die ist nicht im Interesse Algiers, aber vielleicht Moskaus. Angeblich haben russische Diplomaten mit Polisario-Funktionären gesprochen", berichtete Farrah. Seit Februar sitzt der auf der auf die Westsahara spezialisierte Analyst der "Global Initiative" in Algier aus unbekannten Gründen im Gefängnis.

"Die Konfrontation zwischen Algerien und Marokko blockiert die wichtige europäische Nachbarschaftspolitik im südlichen Mittelmeerraum. Dabei braucht die EU beide nordafrikanischen Länder für den Ausbau erneuerbarer Energien und die Diversifizierung von Gaslieferungen", warnt der Nahost-Experte Christian Hanelt. Die EU müsse daher politisch Flagge zeigen und eine eigene Vermittlergruppe aus hochrangigen Diplomaten des EU-Auswärtigen Dienstes und dreier EU-Mitgliedstaaten zusammenstellen, fordert er in einer Studie der Bertelsmann-Stiftung und des Wiener Wirtschaftsforschungsinstitutes WIIW.

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