Süddeutsche Zeitung

Marokko:Schlussverkauf

Die Anerkennung der marokkanischen Hoheit über die Westsahara durch die USA ist ein diplomatischer Erfolg für König Mohammed VI. Doch die damit einhergehende Normalisierung der Beziehungen trifft im Land auf Widerstand - selbst in der Regierungspartei.

Von Moritz Baumstieger, München

Massenaufläufe waren es nicht, mit denen es die Polizei am Dienstag in Marokkos Hauptstadt zu tun bekam - dafür hatten die Beamten selbst gesorgt: Mit einem Großaufgebot in Rabat hatten die Sicherheitsorgane des Königreichs verhindert, dass die Sitzung des Parlaments von Demonstranten gestört werden konnte. Dass US-Präsident Donald Trump Marokkos Herrschaft über die Westsahara anerkannt hat, ist ein großer Erfolg für das Königreich: Ende der Siebzigerjahre hatte es das Gebiet annektiert, was die internationale Gemeinschaft aber nicht akzeptierte. Eigentlich sollten die Einwohner über ihren Status bestimmen, nun ging es auch ohne Referendum: Die offiziellen Landkarten des US-Außenministeriums zeigen bereits ein Marokko, das sich über die gesamte Nordwestküste Afrikas zieht.

Der Erfolg hat jedoch einen Preis, der im Netz, bei den wenigen Demonstranten vor dem Parlament, aber auch in der Kammer für Unmut sorgt - etwa in der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD), die seit 2011 den Regierungschef im teilabsolutistischen Königreich von Mohammed VI. stellen darf. Kritik an der zuerst von Trump auf Twitter verkündeten Normalisierung der Beziehungen Marokkos zu Israel kommt vor allem aus der Parteijugend und aus einer religiösen Schwesterorganisation. Dass aber auch der Premier Saad al-Othmani verärgert ist, ist kein Geheimnis: Noch im August und im November hatte er - wohl unterrichtet über die Verhandlungen Rabats mit Jerusalem - betont, dass eine Normalisierung mit Israel eine "rote Linie" darstelle.

Der Schachzug des Königs: Er machte die kritische islamistische PJD zur Regierungspartei

Al-Othmani weiß natürlich, dass die sicherheitspolitische Zusammenarbeit bereits jetzt eng ist, dass jedes Jahr Tausende Israelis nach Marokko reisen, die dort ihre familiären Wurzeln haben. Aber der Premier weiß eben auch um die große Solidarität vieler seiner Landleute und speziell vieler seiner Parteimitglieder mit den Palästinensern.

Derselbe Grund ließ auch den König lange zögern - denn er gefährdet einen der Schachzüge, mit denen er vor fast zehn Jahren verhinderte, dass die Proteste des sogenannten Arabischen Frühlings Marokko ergriffen: Neben einer Verfassungsreform befriedete Mohammed VI. die Lage auch dadurch, dass er die islamistische PJD zur Regierungspartei machte, seine schärfsten Kritiker quasi in Geiselhaft nahm. Die Puristen in der Partei waren damit nicht immer glücklich - einer von ihnen lästerte nun im Gespräch mit der SZ, der König habe in "Trumps Schlussverkauf" zugeschlagen: Um seinem Freund Netanjahu einen letzten Gefallen zu ermöglichen, habe der scheidende US-Präsident nicht nur das Westsahara-Thema zu Rabats Gunsten abgeräumt, sondern auch noch drei Milliarden Dollar Investitionen versprochen. Unter anderem in eine Energiefirma, an der Mohammed VI. beteiligt ist.

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