CSU-Reformpläne: "Söder will den Reichen ein Milliardengeschenk machen"

Premier of the German state of Bavaria Soeder meets Austrian Chancellor Kurz in Vienna

Markus Söder bei seinem Treffen am Freitag mit Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (rechts) in Wien.

(Foto: Reuters)
  • Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) will mit einer großen Reform einen "steuerpolitischen Stillstand in Deutschland" beenden.
  • Der Vorstoß ist offenbar nicht mit Annegret Kramp-Karrenbauer abgestimmt.
  • Die CDU-Vorsitzende sagt, ihre Partei werde auf der Vorstandsklausur Anfang Juni über Vorschläge beraten, die Union sei sich aber "einig".

Von Wolfgang Wittl, Henrike Roßbach und Robert Roßmann

Mit einer Steuerreform in zweistelliger Milliardenhöhe will CSU-Chef Markus Söder die Union nach eigenen Worten wieder in die Offensive bringen. "Es kann nicht sein, dass wir Woche für Woche nur abstruse Vorschläge der SPD negieren", sagte Söder während einer Auslandsreise in Wien. Vielmehr müsse die Union nach einem jahrelangen "steuerpolitischen Stillstand in Deutschland" wieder selbst Perspektiven aufzeigen. Dazu will die CSU nach der Europawahl am 26. Mai mehrere Konzepte vorlegen. Den Anfang will sie mit einer grundlegenden Steuerreform machen. Die Pläne sind dem Vernehmen nach nicht mit CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer abgesprochen.

Söder nannte vier Punkte. Um Deutschland international konkurrenzfähig zu halten, wolle er die Unternehmensteuer um fünf Prozentpunkte absenken. Mit einer Senkung der Stromsteuer will Söder auch die Bürger entlasten. Die Energiewende müsse neu konzipiert werden, sie habe bislang nur "unendlich viel Geld gekostet und keinen Erfolg gebracht". Deutlich positionierte sich Söder gegen eine Kohlenstoffdioxid-Bepreisung: "Das wäre ein Schub für die AfD in Deutschland und für radikale Kräfte und würde am Ende nicht den gewünschten Effekt bringen." Anders als in den Metropolen seien viele Menschen auf dem Land auf das Auto angewiesen. Die vereinbarte Regelung im Koalitionsvertrag, wonach der Solidaritätszuschlag für 90 Prozent der Bürger abgeschafft werden soll, hält Söder für verfassungswidrig. Er fordert einen vollständigen Abbau des Soli.

CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer verweist auf Klausur im Juni

Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer versuchte am Freitag, dem Eindruck entgegenzutreten, es gebe eine Differenz zwischen CSU-Chef Söder und ihr. Kramp-Karrenbauer sagte der Süddeutschen Zeitung: "Wir sind uns in der Union einig: Wir brauchen neue Dynamik für die Wirtschaft und müssen Unternehmen entlasten, damit auch in Zukunft Wohlstand und gute Jobs gesichert werden können." Die CDU wolle "vor allem die Menschen immer wieder anerkennen, die sich anstrengen und an die Regeln halten". Welche Prioritäten man dabei setzen wolle, werde die CDU auf ihrer Vorstandsklausur Anfang Juni besprechen.

Die Reaktion des SPD-geführten Bundesfinanzministeriums auf Söders Vorstoß fiel am Freitag dagegen verhalten aus. Ein Sprecher von Minister Olaf Scholz sagte, dass Deutschland ein attraktiver Wirtschaftsstandort sei. "Das steuerpolitische Umfeld ist nicht der entscheidende Faktor für unternehmerische Entscheidungen", auch wenn es diese natürlich "beeinflussen" könne. Das Finanzministerium achte darauf, dass der deutsche Standort im internationalen Vergleich über die richtigen steuerlichen Rahmenbedingungen verfüge. "Unternehmerisches Wachstum soll ermöglicht werden, ohne Spielraum für aggressive Steuergestaltungen."

Scholz' Sprecher wies zudem auf bereits beschlossene Steuerentlastungen hin, etwa die Abschaffung des Solidaritätszuschlags für 90 Prozent der Zahler und eine steuerliche Forschungsförderung für Unternehmen. "Da laufen die Arbeiten", sagte er - und fügte hinzu: "Im Übrigen werden wir uns nicht an einem Absenkungswettbewerb nach unten beteiligen."

Das Bundeswirtschaftsministerium wollte Söders Vorschläge nicht kommentieren. Allerdings hatte Minister Peter Altmaier (CDU) schon mehrfach steuerliche Entlastungen angemahnt, gerade für Unternehmen. Begründet hatte er seine Vorstöße mit der schwächeren konjunkturellen Entwicklung.

Vor gut zwei Wochen hatte die Bundesregierung ihre Wachstumsprognose halbieren müssen; sie geht jetzt nur noch von 0,5 Prozent Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr aus. Altmaier hatte angesichts der Zahlen von einem "Weckruf" gesprochen und "strukturelle Entlastungen" bei Steuern, Abgaben und Bürokratie gefordert.

Söder wolle vor allem Reiche entlasten, sagen die Grünen

Scharfe Kritik an Söders Vorschlag kam vom haushaltspolitischen Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, Sven-Christian Kindler. "Markus Söder will den Reichen in diesem Land ein Milliardengeschenk machen und dafür den Haushalt in die Luft sprengen", sagte Kindler der SZ. Söders Vorschläge würden "ein großes schwarzes Loch" im zweistelligen Milliardenbereich in den Bundeshaushalt reißen. Kindler warf dem CSU-Chef "Finanzpolitik nach dem Matthäus-Prinzip" vor: "Wer hat, dem wird gegeben." Von der Steuerpolitik der CSU profitierten vor allem die obersten zehn Prozent der Gesellschaft, die große Mehrheit der Bevölkerung gehe leer aus.

Auch der FDP-Finanzexperte Florian Toncar ließ kein gutes Haar an Söders Vorschlägen. Toncar sagte der SZ, wenn Markus Söder das Thema Steuerentlastungen entdecke, dann müsse eine Wahl vor der Tür stehen. So sei es schon im Herbst vor der Bayernwahl gewesen. Toncar kritisierte überdies, dass alles, was Söder jetzt vorschlage, CDU und CSU in den letzten Monaten im Parlament abgelehnt hätten - "egal ob es um die Abschaffung des Soli, die Entlastung mittlerer Einkommen oder die Senkung der Stromsteuer geht". Das schlimmste dabei sei, dass die Union noch nicht einmal richtig für steuerliche Entlastung gekämpft habe. "Söders Glaubwürdigkeit beim Thema Steuern geht daher gegen Null", sagte Toncar.

Zur SZ-Startseite
Beginn der Ruhrfestspiele mit Kulturvolksfest

SPD
:Nahles weist Kühnerts Sozialismus-Thesen als "falsch" zurück

"Man kann richtige Fragen stellen und trotzdem falsche Antworten geben", sagt die SPD-Chefin über Kühnerts umstrittene Äußerungen zur Kollektivierung von Großunternehmen. Der Juso-Chef selbst legt noch einmal nach.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: