Süddeutsche Zeitung

CDU/CSU:Söders kalkulierte Zurückhaltung

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Der CSU-Chef reagiert gegen seine Gewohnheit zögerlich auf Kramp-Karrenbauers angekündigten Rückzug. Doch auch wenn Söder sich der K-Frage nicht entziehen kann, gibt es gewichtige Argumente gegen eine Kanzlerkandidatur.

Von Lisa Schnell

Auf dem Twitter-Account von CSU-Chef Markus Söder ist am Montagmorgen auffallend wenig los. Um genau zu sein: gar nichts. Mehr als eineinhalb Stunden ist es her, dass Noch-CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer ihren Rücktritt auf Raten angekündigt hat, und Söder? Umarmt auf Twitter im Smoking die "Weather-Girls", ein Foto von Samstagnacht.

Dazu muss man wissen, dass Söder weder die sozialen Medien scheut noch einen schnellen Auftritt. Als das Land letzte Woche erschüttert wurde, weil in Thüringen der erste Ministerpräsident von Björn Höckes Gnaden gewählt wurde, war der CSU-Chef der Erste vor den Kameras. Nun aber, da das Beben die CDU-Chefin stürzen lässt? Kalkulierte Zurückhaltung. Die ganze CDU ist in Aufruhr, ihre Schwesterpartei aber signalisiert völlige Unaufgeregtheit.

Der einzige Sturm, der in Bayern tobt, trägt den Namen Sabine und nicht Annegret. Das ist die eine Botschaft, die am Montag vom Franz-Josef-Strauß-Haus ins Land geschickt werden soll. Von der Krise der CDU will man sich nicht anstecken lassen. Die zweite Botschaft lautet: Söder hat kein Interesse, sich als Kanzlerkandidat in Position zu bringen. Schon am Montagmorgen erzählte ihm dem Vernehmen nach AKK von ihrem Schritt, Söder aber preschte nicht vor, sondern wartete. Erst als sich andere in der Union geäußert hatten, kam er.

Die CSU hat Angst vor der Talfahrt der Schwesterpartei

Um 11.14 Uhr schreibt Söder auf Twitter: "Ich habe großen Respekt für die Entscheidung von @akk - auch wenn es mir leidtut." Und dann: "Es ist jetzt notwendig, die inhaltliche und personelle Aufstellung der #CDU grundsätzlich zu klären." Söder formuliert damit so etwas wie eine Mahnung an die CDU, die ahnen lässt, dass die Sorge vor einem Sturm auch in Bayern angekommen ist. Anfang Januar forderte er noch neues Personal im Kabinett, um für eine "Aufbruchstimmung" zu sorgen. Jetzt gibt es bald neues Personal, von "Aufbruchstimmung" aus Berlin aber spricht keiner mehr. "Es ist eine extrem schwierige Situation für die CDU, aber auch für uns", sagt ein Vorstandsmitglied.

Mit AKK kam Söder gut aus, auch, weil sie ihm viele Freiheiten ließ. Ob er es in Zukunft weiterhin so leicht haben wird, bezweifeln manche. Eine größere Sorge in der CSU ist, dass die Talfahrt der Schwesterpartei auch sie erfasst. Und selbst wenn nicht: Will die CSU im Bund erfolgreich sein, ist sie auf eine starke CDU angewiesen. Stark aber ist nicht das Wort, das in München gerade im Zusammenhang mit der CDU fällt. Mit Grauen entdecken viele dafür Parallelen zur stetig an Zustimmung verlierenden SPD. Nur einige der genannten Ähnlichkeiten: Wie die SPD tut sich die CDU schwer, ihren Wählern zu erklären, wofür sie eigentlich steht. Wie der SPD 2007 mit den Linken könnte auch der Union eine Spaltung drohen. Und wie die SPD scheint die CDU in letzter Zeit mehr über Personalien zu diskutieren als über Inhalte.

Söder könnte nicht einfach nach der Kandidatur greifen

Söder ist es ein Anliegen diese Diskussion nicht unnötig in die Länge zu ziehen. Es sei notwendig, dass "man früher als nur im Laufe des Jahres zumindest einen Entscheidungsweg findet", sagt er dem BR. Einen "Schönheitswettbewerb zu veranstalten diene nicht der Stabilität. Er selbst hat nicht vor, Teil des Schönheitswettbewerbs zu werden. Auf eine mögliche Kanzlerkandidatur angesprochen sagt Söder: "In Bayern ist mein Standort und mein Anker." In allen möglichen Varianten wiederholt Söder diesen Satz seit November 2019, als er auf dem CDU-Parteitag in Leipzig als so ziemlich Einziger eine ordentliche Rede gehalten hatte und daraufhin als Kanzlerkandidat gehandelt wurde. Die Argumente gegen solche Ambitionen sind mit der Krise der CDU sogar noch gewichtiger geworden, heißt es aus der CSU-Spitze. Es gibt wohl nur eine Variante, in der Söder ohne Zerwürfnisse in der Union eine Kandidatur zugetragen würde: Wenn man sich in der CDU vor einer Wahlschlappe scheut. So war das schon, als Edmund Stoiber oder Franz Josef Strauß für die CSU antraten. Beide verloren. Den Kopf hinhalten für eine Niederlage? Söder lehnt offenbar dankend ab.

Dass die Debatte damit wohl nicht beendet ist, zeigt wieder ein Blick auf Twitter. Nachdem bei Söder nun nicht mehr die "Weather-Girls" Nachricht Nummer eins sind, sondern doch AKK, liest man nicht nur einmal in den Kommentaren: "Söder ins Kanzleramt!"

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Quelle:
SZ vom 11.02.2020
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