Markus Söder:Alpha-Tier an Stoibers Leine

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In seiner Rolle als CSU-General versucht der Franke, neues Profil zu gewinnen: ernsthaft, konservativ und zugleich neoliberal.

Von Peter Fahrenholz

Es gibt Lob, das seiner Zeit so weit vorauseilt, dass es selbst für den Betroffenen ein wenig peinlich ist. Als Markus Söder beim Rotary-Club Nürnberger Land in Lauf auftritt, ist er nicht nur auf heimischem Terrain. Er kennt auch den Gastgeber, den Bauunternehmer Alexander Brochier, aus der gemeinsamen Arbeit im Aufsichtsrat des 1. FC Nürnberg gut.

(Foto: Foto: dpa)

Erst gibt es Abendessen, dann darf Söder vor den Rotariern eine kurze Rede halten. Danach ermuntert Brochier seine Club-Brüder (auch deren weiblicher Anhang ist an diesem Abend zugelassen) zur Diskussion. "Fragen Sie den mit Sicherheit nächsten bayerischen Ministerpräsidenten."

Söder macht ein Pokerface. Nur gut, dass keine neidischen Parteifreunde mit am Tisch sitzen. Die würden das bestimmt wieder in den falschen Hals kriegen.

Denn Markus Söder ist an einem durchaus kitzligen Punkt seiner Karriere, die schon ziemlich lange geht, obwohl Söder erst 37 Jahre alt ist. Acht Jahre lang ist er Vorsitzender der Jungen Union in Bayern gewesen.

Seit der Landtagswahl ist er der neue CSU-Generalsekretär. Söder hat lange hingearbeitet auf diese Beförderung. Hat sein politisches Schicksal ganz an eine einzige Person gebunden - an Edmund Stoiber, seinen großen Mentor.

"Des Radlfahrn, des braucht er jetzt nimmer"

Lange Zeit war es in der CSU-Landtagsfraktion ein gewohntes Ritual, dass sich nach den langen Reden von Edmund Stoiber der Abgeordnete Söder zu Wort meldete, um Stoibers Ansichten mit eigenen Worten noch einmal zu wiederholen.

"Des Radlfahrn, des braucht er jetzt nimmer", hat ein Landtagskollege beobachtet, "des is scho auffallend".

Denn endlich ist Söder von Stoiber mit seinem Traumposten belohnt worden. "Ein toller Job", schwärmt der Franke über seine Aufgabe. Nach fünf Jahren unter Thomas Goppel, mit dem Stoiber ungefähr so viel anfangen kann wie mit, sagen wir: Theo Waigel, hat die CSU-Zentrale jetzt mit Söder einen glühenden Stoiber-Fan als Vorsteher.

"Der Kontakt zu Stoiber ist super", sagt Söder. Der letzte CSU-Generalsekretär, der so sehr ein Geschöpf seines Vorsitzenden war, war Stoiber selbst, als er 1978 als unbekannter, junger Landtagsabgeordneter von Franz Josef Strauß berufen wurde.

Als Markus Söder unlängst beim Kleinen CSU-Parteitag in Nürnberg an Stoibers Seite in den Saal einmarschiert, sagt ein CSU-Oberer, der die Szene beobachtet: "Der Söder wirkt wie der Bodyguard vom Stoiber, auch von der Attitüde her."

Wer seinen eigenen Aufstieg so sehr persönlicher Protektion verdankt, hat zwangsläufig Neider. Bei Markus Söder ist es noch ein bisschen heftiger.

Wohl kein anderer CSU-Politiker ruft bei den eigenen Leuten ein so zwiespältiges Echo hervor. Je nach dem, mit wem man spricht, wirken die Urteile so, als sei von zwei unterschiedlichen Menschen die Rede.

Die größten Söder-Gegner sitzen in der eigenen Landtagsfraktion. "Der ist emotional eigentlich nicht in der Partei beheimatet", urteilt ein CSU-Präside, "er wird in weiten Teilen der CSU nicht als einer von uns gesehen".

(Foto: Foto: dpa)

Söder sei "äußerst gerissen und schlau" sagt einer seiner Gegner, aber ein "Mann ohne Werte" und "intellektuell blamabel". Spitz merkt ein Parteipräside an, es wäre doch schön, wenn bei Söder "auch mal ein Gedanke aufblitzen" würde. Nur mit Talkshows oder der Boulevardpresse lasse sich keine inhaltliche Reputation gewinnen. "Der müsste auch mal raus, in die Akademien oder so."

CSU-Zentrale befriedet

Aber es gibt auch ganz andere Stimmen. Sie stammen vor allem von Leuten, die mit Söder in seiner neuen Funktion schon zu tun hatten.

Die gemeinsame Präsidiumssitzung zwischen CDU und CSU im März zum Beispiel war für Söder so eine Art Feuertaufe. Da flogen zwischen den Unionschwestern mal wieder die Fetzen, eigentlich war man sich in allen Fragen uneinig.

Die CSU-Seite hat damals als geschlossener Block agiert. Söder habe bei der Vorbereitung alle eingebunden, die interne Abstimmung sei perfekt gewesen, lobt einer der Teilnehmer der Runde.

Söder versuche immer wieder, zwischen den Generationen und ihren widerstreitenden Interessen eine Brücke zu schlagen. Den Jungen gehen die Sozialreformen nicht weit genug, die Alten fürchten den Kahlschlag. "Der hat das Zeug zum Alpha-Tier", sagt der Augenzeuge.

Auch die CSU-Zentrale hat Söder im Sturm erobert. Vorher muss es dort so ein bisschen wie im Kosovo zugegangen sein. Auf der einen Seite des Flurs die Albaner mit Generalsekretär Goppel, auf der anderen Seite die Serben mit dessen Aufpasser Michael Höhenberger. Dazwischen Hass und Misstrauen.

Seit Söder da sei, herrsche wieder ein entspanntes Klima, der neue General sei ein echter Team-Arbeiter, schwärmen Mitarbeiter.

Seriöse Arbeit statt Big Brother

Söder weiß, dass die nächsten ein, zwei Jahre für seine weitere Karriere entscheidend sein werden. Er muss jetzt, nach Jahren vorwiegend flotter Sprüche, endlich an einer inhaltlichen Fundierung arbeiten. Er muss sich einen Kiel einziehen, damit er stabiler im Wasser liegt.

Aus der Staatskanzlei soll auch schon ein Wink gekommen sein. Nicht auf jedes Boulevard-Thema aufspringen, sich auf ernsthafte politische Themen konzentrieren, das Big-Brother-Image durch seriöse Arbeit tilgen, lautete der Ratschlag.

Also arbeitet Söder an seinem neuen Image. Bei seinen Reden steht die ökonomische Situation Deutschlands im Vordergrund. Er spricht über den starren Arbeitsmarkt oder das Steuersystem in der Slowakei. Wie Stoiber liebt er Fußballvergleiche.

"Wenn man selbst nur 70 Minuten läuft und die anderen 90 Minuten, kann es passieren, dass man am Ende doch noch verliert", sagt er bei den Rotariern. Die sind von der gefälligen, neoliberalen Rede angetan.

"Sie müssen auf dieser Angriffslinie bleiben", beschwört einer den CSU-General.

Der zweite Teil von Söders Neuausrichtung ist ein solider konservativer Anstrich. Da ist viel von Werten und Tugenden die Rede, dass man die Nationalhymne mitsingen soll und in Bayerns Klassenzimmer keine Kopftücher gehörten, sondern Kruzifixe. "Ich bin ein konservativer Mensch", sagt Söder. Das wirkt alles ein wenig einstudiert und aufgesetzt.

Aber Söder hat etwas, das man auch mit noch so viel Training nicht lernen kann: politischen Instinkt. Und Gespür für Timing. Bei der Landesversammlung der Jungen Union spricht er ein Grußwort. Die beschließt dann ein Papier zu den Sozialreformen, das genauso gut von der FDP stammen könnte und den CSU-Sozialpapst Horst Seehofer umgehend auf die Palme bringt.

Söder ficht das nicht an. "Wir brauchen die junge Generation, damit der Druck bleibt", sagt er.

Ein paar Tage später hört sich das ein wenig anders an. Söder tritt in seinem Stimmkreis im Nürnberger Süden auf. Eigentlich ein typischer SPD-Stimmkreis, ehemaliger Industriestandort mit riesigen Strukturproblemen, Arbeitslosenquote von über 13 Prozent, Ausländeranteil von über 30 Prozent, dazu viele Russlanddeutsche.

Söder hat sich hier, wie er sagt, "jede Stimme erkämpft". Bei der Landtagswahl ist er auf 54,8 Prozent gekommen. Einmal im Jahr lädt die CSU hier zum "Südstadtgulasch" ein. An den Tischen dominieren die Rentner, und zwar die mit den kleinen Renten.

Am ersten Tisch sitzen drei Omis und hören etwas verständnislos zu, wie Söder über Arbeitsplatzverluste und Steuersätze redet.

Junge Union als Netzwerk

Irgendwann spürt er, der Saal ist höflich, aber nicht enthusiastisch. Also legt er einen Zacken zu. Schimpft über die EU-Bürokratie, das kommt immer gut an und bringt Lacher. Hätten die in Brüssel doch sogar mal eine Verordnung über die Länge von Kondomen fabriziert. "Da haben die Italiener interveniert, denen war das zu kurz."

Und dann redet Söder davon, dass die heutige Rentnergeneration nicht um die Früchte ihrer Arbeit betrogen werden dürfe, die Europawahl sei auch eine Abstimmung über die Rentenpolitik der Bundesregierung. Da nicken die drei Omis am Tisch aufgeregt und klatschen besonders heftig.

"Wunderbar", sagt eine von ihnen nach Söders Rede. "Wissen Sie, wir würden schon was abgeben, aber eigentlich sehen wir es nicht ein." Das würden jetzt die Delegierten auf der JU-Versammlung vermutlich ganz anders sehen.

Und Söder beherrscht die Kunst, beiden das Gefühl zu geben, sie hätten völlig Recht.

Die acht Jahre an der Spitze der Jungen Union - sie werden für Söder später reichen Profit bringen. Alle Neulinge, die bei den letzten Wahlen den Sprung in den Bundestag oder Landtag geschafft haben, kennt er aus gemeinsamen JU-Tagen.

"Das Netzwerk bleibt", sagt er. In wenigen Jahren, wenn sich die Neuen etabliert haben, wird es sein Netzwerk sein. Die Älteren in Partei und Fraktion mögen ihn beargwöhnen, aber irgendwann sind die Jüngeren in der Überzahl, die mit ihm nach oben gekommen sind.

"Man hat ein sehr enges Wurzelgeflecht", sagt Söder. Wenn er keine gravierenden Fehler macht, kann er nicht mehr nach unten fallen, nur noch nach oben klettern. Was wird in zehn Jahren sein? "In zehn Jahren feiere ich die Konfirmation meiner Tochter, das ist ein wichtiges Datum", sagt Söder und feixt.

Er braucht dazu nichts zu sagen, die Zeit arbeitet für ihn. "Man muss davon ausgehen", fürchtet einer seiner Kritiker, "dass der ganz nach oben kommt".

© SZ vom 19.5.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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