Mario Draghi:Der Banker und seine Richter

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Weit hatte sich der EZB-Chef mit dem Aufkaufprogramm für Staatsanleihen vorgewagt. Nun wird er sich bestätigt fühlen.

Von Markus Zydra

Das Ganze liegt nun schon fast drei Jahre zurück. Mario Draghi dürfte sich an jenem 26. Juli 2012 keine allzu großen Gedanken gemacht haben über die juristischen Konsequenzen seiner Rede. Der Präsident der Europäischen Zentralbank hatte andere Sorgen. Die Euro-Zone stand vor dem Kollaps. In dieser Situation gab der Präsident der EZB in London ein Versprechen, das die Währungsunion retten sollte. Der Ort war das feudale Lancaster House, die Kulisse der Schlussszene im Film "The King's Speech" - eine Geschichte über den britischen König George VI., der sein Stottern überwand und zur Symbolfigur für den Durchhaltewillen des Landes wurde. Für Draghi war dieser Tag auch ein Kraftakt. Kurz vor Beginn seiner Rede machte er noch handschriftliche Ergänzungen. "Innerhalb unseres Mandats ist die EZB bereit, alles Erforderliche zu tun, um den Euro zu erhalten", sagte er den Gästen aus der Hochfinanz. Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: "Und glauben Sie mir, das wird ausreichen."

Diese wenigen Worte sind in die Geschichte eingegangen. Sie bilden bis zum heutigen Tag den unsichtbaren Schutzschirm für die Euro-Zone, der als OMT-Programm bekannt wurde. Der einzige Makel war bislang dessen Rechtsunsicherheit. Die scheint nun beendet zu sein. Der EuGH hält das Rettungsprogramm der Währungshüter für rechtens. "Die EZB begrüßt das Urteil", teilte die Notenbank trocken mit.

Für Draghi ist dieses Urteil eine Genugtuung. In Deutschland musste er sich immer den Vorwurf gefallen lassen, die EZB würde mit dem Rettungsprogramm OMT (Outright Monetary Transactions) eine Staatsfinanzierung über die Notenpresse betreiben. Tatsächlich musste die EZB bislang keinen Euro investieren. Allein die Drohung, man werde Spekulanten mit den unbegrenzten Geldmitteln einer Notenbank in die Schranken weisen, genügte. "Die Entscheidung der Europäischen Richter beruhigt die Finanzmärkte", sagt Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der Bank ING-Diba. "Die Politiker in der Euro-Zone merken, dass ein Grexit an den Finanzmärkten für Unruhe sorgen könnte. Da ist die gerichtliche Bestätigung des OMT-Programms für die Stabilität der Währungsunion existenziell wichtig." Eine Situation wie im Sommer 2012 könne dadurch vermieden werden.

Damals waren die Kreditzinsen für Italien, Spanien, Portugal, Irland und andere Peripheriestaaten der Euro-Zone immer weiter gestiegen. An den Börsen wetteten Spekulanten darauf, dass die Staaten diese Zinslast nicht mehr lange schultern könnten und die Euro-Zone verlassen müssten. Draghis Rede war eine einsame Entscheidung. Viele Ratsmitglieder wussten im Vorfeld nicht, wie weit der Plan schon gediehen war. Bereits am 6. September 2012 beschloss der EZB-Rat dann das OMT-Rettungsprogramm. Im Ernstfall, wenn die Kreditzinsen für einzelne Euro-Staaten an den Finanzmärkten zu hoch wären, würde die EZB die Anleihen dieser Regierungen kaufen, um so die Kreditkosten zu senken. Die Kritiker meinen bis heute, der Ankauf einzelner Staatsanleihen käme einer Haushaltsfinanzierung über die Notenpresse gleich. Bundesbankpräsident Jens Weidmann stimmte aus diesem Grund als Einziger im EZB-Rat gegen die Entscheidung.

Auch andere EZB-Ratsmitglieder waren skeptisch. Gemeinsam setzten sie durch, dass das OMT-Programm an Bedingungen geknüpft wird. So müsste das betreffende Land zunächst ein Hilfsprogramm beim Rettungsfonds ESM beantragen und genehmigt bekommen. In diesem Programm werden wirtschaftspolitische Reformen und Haushaltssanierung festgelegt. Erst wenn ein solches Hilfsprogramm beschlossen ist, kann die EZB mit dem Anleiheankauf beginnen.

Die OMT-Nothilfe richtet sich an einzelne Euro-Staaten. Sie unterscheidet sich damit vom aktuellen Ankaufprogramm der Notenbank. Die EZB erwirbt bis September 2016 Staatsanleihen der Euro-Zone im Wert von 1,1 Billionen Euro, um die Wirtschaft anzukurbeln. Dabei kauft Draghi die Schuldscheine aller Euro-Staaten - also auch Bundesanleihen.

© SZ vom 17.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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