Marinemissionen vor Europa:Es wird voll im Mittelmeer

Das Mittelmeer ist hoch militarisiert: Acht große Operationen mit Dutzenden Schiffen kämpfen, retten und jagen momentan vor den südlichen Küsten Europas. Ein Überblick.

Von Timo Nicolas

Die Werra ist vielleicht kein wirklich beeindruckendes Schiff, aber immerhin ist sie 100 Meter lang und hat als Versorgungsschiff etwas mehr Platz für Schiffbrüchige als ihr neuer Kompagnon, das noch kleinere Jagdboot Datteln. Beide wurden am Montag in ihrem Heimathafen Kiel verabschiedet und treffen in wenigen Tagen im Mittelmeer ein, um Teil der Operation "Sophia" zu werden.

Sophia ist das Vorzeigeprojekt der Europäer im Mittelmeer, hier soll Seenotrettung mit der Jagd auf Schleuserbanden verbunden und gleichzeitig dem IS in Libyen Einhalt geboten werden. Viel zu tun für die momentan gerade einmal vier Schiffe unter italienischer Führung, auch wenn bald die Verstärkung aus Deutschland eintrifft.

Sophia ist nicht die einzige Mission der Europäer und ihrer Verbündeten im Mittelmeer, in der Kriegsschiffe auf Schleuserjagd gehen oder Flüchtlinge von überfüllten Booten retten. Acht große militärische oder polizeiliche Missionen finden parallel statt, von europäischer Grenzsicherung mit Schnellbooten über den Schutz von Ölplattformen vor Terroristen bis hin zu den kraftstrotzenden Trägerverbänden der USA, die Angriffe auf Syrien fliegen. Eine Übersicht, wer gerade wo und wieso im Mittelmeer patrouilliert, entert und angreift.

Sophia

Seit Juni 2015 patrouillieren Kriegsschiffe der EU-Staaten im Rahmen der European Union Naval Force Mediterranean (EUNAVFOR Med)/Operation Sophia vor der Küste Libyens, mit immer weitreichenderen Kompetenzen. Erst am Montag haben die EU-Außenminister neben der Verlängerung auch die Ausweitung der Mission beschlossen. Derzeit besteht die Hauptaufgabe darin, Schlepperboote aufzuspüren, zu entern und die Besatzung gegebenenfalls festzunehmen. Hinzu kommen soll nun, neben Hilfe zum Aufbau einer libyschen Küstenwache und Marine, um den Andrang von Flüchtlingen zu begrenzen, der Kampf gegen Waffenschmuggel. So sollen vor allem dem IS die Nachschubwege abgeschnitten werden. Dafür wird das Einsatzgebiet Richtung Ägypten verlagert.

Nach Angaben des EU-Ministerrates hat die Operation bisher zur "Neutralisierung" von 139 Schiffen und Booten und zur Festnahme von etwa 70 mutmaßlichen Schleusern geführt, die den italienischen Behörden übergeben wurden. Zugleich trug die Mission laut EU bisher zur Rettung von knapp 16 000 Menschenleben bei. Momentan sind vier Kriegsschiffe für die Mission abbestellt, die deutsche Frankfurt am Main soll in wenigen Tagen von der Werra und der Datteln abgelöst werden.

Triton

Triton wurde im November 2014 ins Leben gerufen als Nachfolgerin von "Mare Nostrum", einer Mission der italienischen Marine, die geschätzt mehr als 100 000 Menschen aus der Seenot rettete. Weil "Mare Nostrum" für Italien alleine aber zu teuer wurde, rief die europäische Grenzschutzagentur Frontex Triton ins Leben - finanziert von 28 europäischen Staaten. Triton hat jedoch wesentlich weniger Geld zur Verfügung. Auch der Grundgedanke von Triton ist ein anderer: Nicht mehr die Seenotrettung liegt im Fokus, sondern der Grenzschutz. Dafür sind 14 Schiffe sowie einige Flugzeuge und Hubschrauber in den Gewässern südlich von Sizilien und rund um Malta im Einsatz.

Mare Sicuro

Um die Ölborinseln des italienischen ENI Konzerns und die Schifffahrtsroute durch die Straße von Sizilien zu schützen, hat Italien im März 2015 die Operation "Mare Sicuro" mit vier Schiffen gestartet, darunter einem kleinen Flugzeugträger. Grund für die Sorge Italiens um den Handel und das Öl ist der Bürgerkrieg in Libyen und das Erstarken extremistischer Gruppen in Nordafrika.

Marinemissionen vor Europa: Amerikanische und italienische Kriegsschiffe bei einer Operation im Mittelmeer.

Amerikanische und italienische Kriegsschiffe bei einer Operation im Mittelmeer.

(Foto: AFP)

Poseidon

Die zweite große Frontex-Mission zur See nach Triton ist Poseidon. Im Dezember 2015 erweitert, sind mittlerweile vier Schiffe und 15 Patrouillenboote in der Inselwelt der Ägäis unterwegs, um die griechische Grenze zu überwachen und illegale Übertritte zu registrieren. Es gehört aber auch zu den Aufgaben der Poseidon-Mission, Flüchtlinge aus den Hotspots wieder in die Türkei abzuschieben, gemäß dem EU-Türkei-Deal.

Standing NATO Maritime Group 2

Dieser ständige Marineverband der Nato ist seit 1992 vor allem im Mittelmeer stationiert und seit einigen Monaten ebenfalls in der Ägäis unterwegs. Die acht Schiffe des Verbandes unterstützen sowohl Frontex wie auch die griechische und türkische Küstenwache beim Grenzschutz. Die Nato-Schiffe patrouillieren zwischen der griechischen Insel Lesbos und dem türkischen Festland, eine der meistgenutzten Flüchtlingsrouten der Region. Ein Hauptziel, wie bei den Frontex-Missionen im Mittelmeer, ist das Aufspüren von Schleppernetzwerken und deren erfolgreiche Bekämpfung.

Inherent Resolve

Der Kampf gegen den IS wird auch vom Mittelmeer aus geführt. Dazu kreuzen aktuell zwei Flugzeugträger der USA im östlichen Teil des Meeres. Am 2. Juni fuhr der Trägerverband der USS Harry S. Truman durch den Suezkanal ins Mittelmeer, einen Tag später meldeten US-Medien schon Luftangriffe durch die Flugzeuge der Truman in Syrien. Knapp zwei Wochen später passierten die USS Dwight D. Eisenhower und ihre Begleitschiffe die Straße von Gibraltar.

Active Endeavour

Seit Oktober 2001, also kurz nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York, patrouillieren Nato-Schiffe als Abschreckungsmaßnahme durch das Mittelmeer. Im Wesentlichen sollen dabei der zivile Schiffsverkehr und der Seehandel überwacht, verdächtige Schiffe gemeldet werden.

UNIFIL

Seit 2006 sind Schiffe der UN-Blauhelmmission UNIFIL vor der Küste des Libanon im Einsatz. Es ist der erste Flottenverband unter Führung der Vereinten Nationen. Hauptaufgabe ist die Überwachung der libanesischen Küste und der libanesischen Gewässer. Außerdem sollen die Schiffe den Waffenschmuggel in den Libanon unterbinden. Schwerpunkt der deutschen Marine dabei ist die Ausbildung libanesischer Streitkräfte. Dafür liefert die Bundeswehr auch Material wie Wachboote und Radarstationen. Acht Schiffe unter brasilianischer Führung sind momentan in den Hoheitsgewässern des Landes im Einsatz, darunter die deutsche Korvette Braunschweig, die im Ernstfall auch militärische Gewalt anwenden darf.

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