Süddeutsche Zeitung

Marine:In Seenot

Lesezeit: 2 min

Schön und schön teuer: Die Zukunft des sanierungsbedürftigen Segelschulschiffs der Marine steht wegen Korruption und Kostenexplosion auf dem Spiel. Sticht die "Gorch Fock" je wieder in See?

Von Mike Szymanski, Berlin

Sich wieder an der Eleganz und Schönheit der Gorch Fock erfreuen zu können, danach sehnen sich die Fans des Segelschulschiffs der Deutschen Marine schon sehr, sehr lange. Seit Januar 2016, fast drei Jahren also, liegt der berühmte Dreimaster zur Instandsetzung im Trockendock in einer Werft in Elsfleth zwischen Bremen und Bremerhaven. Von weißen Planen eingehüllt, sieht es aus wie ein kostbares Geschenk, das nur darauf wartet, ausgepackt zu werden. Wann das Schiff aber wieder über die Weltmeere segeln wird, angetrieben vom Wind und der Muskelkraft der Besatzung, ob es überhaupt je wieder in See stechen wird, das erscheint seit ein paar Tagen ungewiss.

Gerade erst hat die Staatsanwaltschaft Osnabrück Büros von zwei Unternehmen und Häuser von drei Privatpersonen durchsucht. Auch auf dem Werftgelände waren die Beamten tätig. Sie haben Akten mitgenommen und Datenträger gesichert. Der Verdacht: Korruption. Ein Mitarbeiter des Marinearsenals Wilhelmshaven hatte sich bei seinen Vorgesetzten selbst der Vorteilsnahme bezichtigt: Der Mann war nach Angaben aus dem Verteidigungsausschuss für die "technische Preisprüfung" bei der Reparatur der Gorch Fock zuständig. Er soll vergünstigte Darlehen mindestens von einem großen Auftragnehmer erhalten haben. Jetzt wird ermittelt. Bei der Gorch Fock-Sanierung muss man sagen: Auch das noch!

Bei Großprojekten der Bundeswehr gehört es fast schon zur Regel, dass sie länger dauern und teurer werden als geplant. Im Fall der Gorch Fock ging vieles schon schief, bevor jetzt der Korruptionsverdacht aufkam. Als das Schiff zur Sanierung geschleppt wurde, hieß es noch, man rechne mit zehn Millionen Euro Kosten. Daraus sind dann in nicht einmal zwei Jahren erst 35 Millionen geworden, dann 75 und aktuell 135 Millionen Euro. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sagte einmal, bei der Gorch Fock, im Dezember vor 60 Jahren in den Dienst gestellt, sei es wie mit einem denkmalgeschützten Haus: Irgendwann erkenne man, dass grundsaniert werden müsse. Aber so einfach ist das nicht.

Seit Jahren ist bei diesem Projekt der Wurm drin, und es stellt sich die Frage, wie gut die Marine ihr eigenes Schiff überhaupt kennt. In der Werft in Elsfleth war das Schiff schon für Instandsetzungsarbeiten in den Jahren 2010, 2012 und 2013. Immer wurden Millionenbeträge investiert. Dennoch begründet das Ministerium die jüngste Kostensteigerung auf 135 Millionen Euro damit, dass zum Ausschreibungsbeginn "das Ausmaß der Schäden und damit der tatsächliche Zustand des Schiffes nicht bekannt war". Dies teilte das Ministerium im Sommer auf eine Anfrage des Grünen-Politikers Tobias Lindner mit, der von einem "Trauerspiel" spricht.

Mehrmals schon, im Jahr 2017 und auch im Frühjahr 2018, stand im Ministerium zur Debatte, angesichts der Kostensteigerung die Sanierung abzubrechen und stattdessen einen Neubau in Auftrag zu geben. Aber dafür ist die Sanierung der Gorch Fock schon sehr weit fortgeschritten. 80 Millionen Euro sind bereits ausgegeben, für weitere 30 Millionen Euro steht der Bund bereits in der Zahlungsverpflichtung. Mit der Werft ist eine Kostenobergrenze von 135 Millionen Euro verabredet. Nur steht zu bezweifeln, dass die Werft die Sanierung zu Ende bringen würde, wenn sich der Korruptionsverdacht erhärten sollte. Ein Neubau, so eine Schätzung des Ministeriums, würde zwischen 160 und 180 Millionen Euro kosten. Aber dann müsste die Marine noch viele Jahre auf ihr neues Schulschiff warten.

Am Donnerstag dieser Woche wird es im Ministerium ein Krisentreffen geben, an dem auch Ursula von der Leyen teilnimmt. Aus dem Ministerium verlautete dazu am Sonntag, man wolle sich einen Überblick über die Situation verschaffen. Auch der Inspekteur der Marine, Andreas Krause, nimmt an dem Treffen teil. Spekulationen, wonach die Runde bereits das Aus für die Gorch Fock beschließen könnte, wies ein Sprecher am Sonntag zurück: "Es geht in keiner Form darum, das Projekt stillzulegen."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4255562
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 17.12.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.