Süddeutsche Zeitung

Russische Richterin Marina Syrowa:Was "Pussy Riot" von ihrer Richterin erwarten können

Die Welt schaut auf Marina Syrowa: Am Urteil der gestrengen Richterin über die drei Mitglieder der Punkband "Pussy Riot" wird sich ablesen lassen, wie viel Kritik Russland verträgt. Viel Hoffnung machen sich die Angeklagten allerdings nicht, denn Syrowa verbannt nicht nur das Lachen aus dem Gerichtssaal, sondern steht angeblich auch auf einer schwarzen Liste der Opposition.

Frank Nienhuysen, Moskau

Was wird sie also tun, da die Welt auf sie schaut? Marina Syrowa hat den unerbittlichen Vortrag des Staatsanwalts gehört, sein Plädoyer, die Punkgruppe "Pussy Riot" müsse von der Gesellschaft isoliert werden. Aber der Richterin hallen sicher auch die Worte von Wladimir Putin im Ohr. Aus der Ferne hatte der Präsident erklärt, man solle die jungen Frauen nicht so hart bestrafen. Doch was meint Putin damit?

Ein Freispruch jedenfalls würde nicht so recht passen zur Praxis der russischen Justiz und zu der 50-Jährigen, die an ihrem Richtertisch immer wieder mit strengem Blick über den Rand ihrer Brille schaut. Erst einmal in 178 Fällen hat sie einen Freispruch verkündet, will das Internetmagazin Openspace herausgefunden haben. Damals ging es um einen Verkehrsunfall.

Aus Syrowas Richterspruch wird sich ablesen lassen, wie viel Kritik Russland auszuhalten bereit ist - Kritik an der einflussreichen Orthodoxie, an der politischen Führung. Man wird sehen, mit welchem Verständnis der Staat seinen Gegnern antwortet, ob er auch zu Milde fähig ist gegenüber jungen Müttern, die seit Monaten in Untersuchungshaft sitzen. Bisher hat sich die Frau am Richtertisch mit der braunen Kurzhaarfrisur selten großzügig gezeigt in diesem Prozess. Gesuche der Verteidigung lehnte sie in der Regel ab, Zeugen wurden nicht zugelassen, längere Pausen nur selten gewährt. Und so ahnen die Angeklagten wenig Gutes.

Syrowa verbannt Lachen aus dem Gerichtssaal

Als eine Reporterin im Saal einmal lachte, weil auch die Angeklagten lachten (als ihnen nämlich die Strumpfmasken präsentiert wurden, mit denen "Pussy Riot" ihren Skandalauftritt in der Moskauer Erlöser-Kathedrale inszenierten), da wies Syrowa die Beobachterin sofort hinaus. "Wem nach Lachen ist, kann in den Zirkus gehen", sagte die Richterin scharf, "ich habe Sie gewarnt, im Saal herrschen Ruhe und Ordnung." Fortan blieb es still.

Syrowa hat es sichtlich eilig, den aufsehenerregenden Prozess zu Ende zu bringen. Morgens früh beginnt die Verhandlung, erst spät am Abend wird sie beendet. Die drei Angeklagten warfen der Richterin Befangenheit und mangelnden Respekt vor, wollten sie sogar austauschen lassen. Aber Syrowa sitzt noch immer diesem Prozess vor, und der könnte ihrer weiteren juristischen Karriere durchaus dienen.

Seit vier Jahren arbeitet die Juristin am Moskauer Chamowniki-Gericht, in dem Ende 2010 auch das Urteil gegen den Oligarchen und Kreml-Gegner Michail Chodorkowskij gesprochen wurde. Angeblich steht die Richterin auf einer schwarzen Liste, die der Oppositionspolitiker Garri Kasparow im vorigen Jahr Vertretern des amerikanischen Kongresses überreicht hat. Syrowa hatte an einem umstrittenen Verfahren gegen Chodorkowskijs Ölkonzern Yukos teilgenommen.

Ganz ohne Hoffnung müssen die drei Angeklagten von "Pussy Riot" freilich nicht sein. In jedem zehnten ihrer Urteile blieb Syrowa unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft.

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SZ vom 08.08.2012/sebi
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