Rechtsstaat:Marco Buschmanns heikle Reise nach Israel

Rechtsstaat: Ein Verfassungsliberaler zu Besuch bei einer Regierung, die die demokratische Gewaltenteilung einschränken will? Bundesjustizminister Marco Buschmann, hier 2022 auf Schloss Meseberg.

Ein Verfassungsliberaler zu Besuch bei einer Regierung, die die demokratische Gewaltenteilung einschränken will? Bundesjustizminister Marco Buschmann, hier 2022 auf Schloss Meseberg.

(Foto: Hannibal Hanschke/Getty Images)

Israels rechte Regierung unter Benjamin Netanjahu will eine große Justizreform durchsetzen. 60 000 Menschen gehen dagegen auf die Straße. Das hält Deutschlands Justizminister nicht von einem Besuch ab - offenbar gegen den Rat des Außenministeriums.

Von Constanze von Bullion und Peter Münch, Berlin/Tel Aviv

Der Zeitpunkt ist alles andere als ideal. Am Montag ist Bundesjustizminister Marco Buschmann zu einem zweitägigen Besuch in Israel eingetroffen. Der FDP-Politiker will dort tun, was noch vor wenigen Wochen eine selbstverständliche Geste gewesen wäre: die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem besuchen, in Tel Aviv die Wanderausstellung "Rosenburg" über NS-Kontinuitäten im Bundesjustizministerium der westdeutschen Nachkriegszeit eröffnen - und seinen israelischen Amtskollegen Yariv Levin treffen. Der verfassungsliberale Buschmann allerdings dürfte alle Mühe haben, seine Zusammenkunft mit dem Likud-Politiker plausibel zu erklären. Denn Levin steht im Zentrum eines Sturms.

Israels Justizminister ist der größte Antreiber jener Justizreform der neuen rechtsreligiösen Regierung, die von Kritikern als Angriff auf die Demokratie, ja als "Staatsstreich" wahrgenommen wird. Seit Wochen schon wird im ganzen Land heftig gegen die von Levin dabei geplante Entmachtung des Obersten Gerichts demonstriert - und der Tag von Buschmanns Ankunft ist wieder einer der Kulminationspunkte dieses Protests.

Es ist schon von "Bürgerkrieg" die Rede

Ein ganzes Bündel von Gruppen und Parteien hat wie schon in der Woche zuvor zum Streik und landesweiten Demonstrationen aufgerufen, und schon am Montagmorgen macht Israels Opposition mobil. Eltern und Schulkinder versammeln sich in vielen Städten um acht Uhr früh zum Protestmarsch. Andere Demonstranten blockieren Straßen, Autobahnen und sogar die Wohnhäuser verschiedener Politiker aus der Regierungskoalition. Höhepunkt ist am Nachmittag eine Großdemonstration vor dem Parlamentsgebäude in Jerusalem, an der ungefähr 60 000 Menschen teilnehmen.

Rechtsstaat: Die Regierung will Israels Obersten Gerichtshof entmachten - ein "Staatsstreich", sagen wütende Kritiker.

Die Regierung will Israels Obersten Gerichtshof entmachten - ein "Staatsstreich", sagen wütende Kritiker.

(Foto: Anthony Baratier/Wiki Commons)

Drinnen in der Knesset steht an diesem Tag die erste Lesung zu Teilen der Justizreform auf der Tagesordnung. Die Debatten sind aufgeheizt, Regierung und Opposition werfen sich inzwischen gegenseitig vor, einen "Bürgerkrieg" zu entfesseln. Zunehmend hilflos erscheint da Israels Präsident Isaac Herzog, der vor Wochenfrist schon vor einem "gesellschaftlichen Zusammenbruch" gewarnt und einen Vermittlungsversuch unternommen hatte. Noch am Sonntagabend beharrte er in einer Rede darauf, dass die derzeitige Krise des Landes "in einem relativ kurzen Zeitrahmen" gelöst werden könne. Doch alle seine Aufrufe zum Dialog sind bislang folgenlos geblieben.

Zunehmend gereizt reagieren Politiker aus dem Regierungslager auch auf Kritik von außen. Bislang kam dies vor allem vom wichtigsten Verbündeten in Washington, wo sich schon US-Präsident Joe Biden und Außenminister Antony Blinken warnend zur israelischen Justizreform geäußert haben. Nun legte Tom Nides, US-Botschafter in Israel, in einem Interview nach mit der Forderung an Premierminister Benjamin Netanjahu, bei diesem Vorhaben "auf die Bremse zu treten". Die Antwort gab der für Diaspora zuständige Minister Amichai Chikli: Nides solle sich "um seinen eigenen Kram kümmern".

Buschmann sagt, gerade in "turbulenten Zeiten" sei ein Besuch wichtig

Dass nun Deutschlands Justizminister Buschmann der israelischen Regierung ihre Aufwartung macht, hat in Berlin für Verstimmung gesorgt. Laut einem Bericht des Spiegel riet Bundesaußenministerin Annalena Baerbock im Kabinett von Ministerreisen nach Israel ab, zumindest in der aktuellen Lage. Es gebe in der Bundesregierung noch keine gemeinsame Linie, wie mit der neuen Rechtsregierung in Israel umzugehen sei. Justizminister Buschmann allerdings mochte darin keinen Grund erkennen, von seinen Plänen abzurücken.

Er habe seinen Besuch lange geplant, aber wegen Corona verschieben müssen, erklärte der FDP-Politiker vor seiner Abreise. Mit der Reise wolle er nun einen Beitrag leisten "für einen Ausbau unserer Partnerschaft, für die Stärkung des Rechtsstaates und der liberalen Demokratie". Gerade in den "turbulenten Zeiten, wie wir sie erleben, ist das besonders wichtig". Auf Nachfrage, wie der liberale Verfassungsjurist Buschmann eigentlich den geplanten Umbau der Justiz in Israel bewertet und die drohende Einschränkung demokratischer Gewaltenteilung, reagierte das Bundesjustizministerium ausweichend.

Geplant seien "politische Gespräche" mit dem israelischen Amtskollegen Levin und "ein Austausch zu rechtspolitischen Themen, die in Israel und Deutschland aktuell diskutiert werden", teilte ein Sprecher am Montag mit. Im Übrigen wolle man den für Dienstag angesetzten Gesprächen "nicht vorgreifen".

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