An der Einfahrt zu den Planken, wo normalerweise die Mannheimer Stadtbahnen die Menschen zum Paradeplatz im Zentrum der Stadt transportieren, steht am Montagabend ein Transporter mit Heidelberger Kennzeichen. Auf der Ladefläche stehen noch einige rot-weiße Absperrgitter, aber viele sind es nicht mehr. Die Polizei hat ab Montagmittag die Mannheimer Innenstadt großflächig abgesperrt. Nun, am frühen Abend, fahren immer noch Polizeiautos mit Blaulicht durch die Stadt. Das Riesenrad vor dem Wasserturm gegenüber der Einfahrt zu den Planken steht still. „Wann hört das endlich auf?“, sagt eine Passantin im Vorbeigehen.
Mannheim steht unter Schock, wieder einmal. Am Sonntag zog noch ein bunter Faschingsumzug durch die Innenstadt, auch vorbei am Paradeplatz und an rund 200 000 Menschen. Am Montagmittag dann lenkt ein Fahrer sein Auto in die Menschenmenge, in der Mittagspause, bei strahlendem Sonnenschein, es gibt zwei Tote, Verletzte. Erst vor gut einem Jahr ist in der Industriestadt im Norden Baden-Württemberg der Polizist Rouven Laur erstochen worden, ebenfalls in zentraler Lage, auf dem Marktplatz. Der mutmaßliche Täter, ein Afghane, steht gerade vor Gericht.
Bei dem Mannheimer Todesfahrer soll sich um einen deutschen Staatsbürger handeln, geben die Ermittler am Nachmittag bekannt, ein politisches Motiv schließen sie aus. Es gebe Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung des Täters, weshalb sich die Ermittler auf diesen Aspekt konzentrierten, teilte der zuständige Staatsanwalt am Abend mit.
Aber das Gift der vorangegangen Anschläge in Mannheim, Magdeburg, Solingen, es scheint trotzdem zu wirken. „Diesmal war es ein Deutscher, oder?“, fragt ein junger Mann vorsichtig, der sich als Sohn türkischer Einwanderer zu erkennen gibt. Eine Frau mit Kinderwagen, die die Szenerie beobachtet, sagt: „Meine Meinung? Alle abschieben.“ Der Täter sei doch nur Passdeutscher, der zweite Vorname Ali, aber das schreibe wieder keiner. Woher sie das wisse? Von einer Freundin. Sie zückt ihr Handy, zeigt einen Screenshot des angeblichen Ausweises des Täters. Eine ältere Frau sagt: „Die Zeiten sind doch ohnehin schon so extrem. Wenigstens an Fasching sollte man doch fröhlich sein dürfen und unbeschwert feiern können.“ Und nun das, am Rosenmontag.
Schon wieder muss die Stadt ein Attentat verarbeiten
Am Abend stehen Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), Landesinnenminister Thomas Strobl und der Mannheimer Oberbürgermeister Christian Specht (beide CDU) hinter einem Absperrgitter am Paradeplatz. Am Himmel kreist ein Polizeihubschrauber, es ist bereits dunkel, aber das Licht der Fernsehkameras leuchtet das Quartett gut aus. „Wir können heute an diesem Tag einfach nur traurig sein und Anteil nehmen“, sagt Kretschmann. Für die Mannheimer Stadtgesellschaft sei das alles schwer auszuhalten und zu ertragen. Aber der Fall zeige auch, dass es hundertprozentige Sicherheit nicht geben könne.
Oberbürgermeister Specht sagt, ganz viele Bürger hätten die Tat oder ihre Auswirkungen selbst gesehen. Die psychologischen Hilfsangebote seien deshalb jetzt ganz wichtig. Er wirkt ziemlich bedrückt, zum zweiten Mal binnen kurzer Zeit hat er nun die unfassbar schwierige Aufgabe, mit seinen Bürgern ein Attentat verarbeiten zu müssen. An diesem Dienstag, 17.30 Uhr, werde es eine ökumenische Andacht geben, sagt Specht. Es gelte nun, die Stadtgesellschaft zusammenzuhalten.