Manipulationsvorwürfe:Türkische Wahlkommission will Beschwerden gegen Referendum prüfen

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  • Nach massiven Beschwerden über Wahlfälschungen beim Verfassungsreferendum kündigt die türkische Wahlkommission nun an, diese prüfen zu wollen.
  • Wahlbeobachter hatten die türkische Regierung zuvor kritisiert, weil diese sich weigerte, Manipulationsvorwürfen nachzugehen.
  • Der türkische Außenminister Çavuşoğlu wirft den Wahlbeobachtern Parteilichkeit vor.

Die türkische Wahlkommission will an diesem Mittwoch die Beschwerden über Unregelmäßigkeiten beim Verfassungsreferendum prüfen. Dies sagte der Chef der Behörde dem türkischen TV-Sender NTV zufolge. Seit der Abstimmung am Sonntag mehren sich die Vorwürfe des Wahlbetrugs. Die türkische Regierung hatte sich jedoch zunächst geweigert, den Manipulationsvorwürfen nachzugehen.

Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu warf internationalen Wahlbeobachtern am Mittwoch zudem bewusste Einmischung vor. "Ihr könnt nicht in die Türkei kommen und Euch in ihre Politik einmischen", sagte Çavuşoğlu an die Adresse der Beobachter der OSZE und des Europarates gerichtet. "Ihr habt weder so eine Pflicht, noch so eine Aufgabe." Das Referendum sei "transparent" verlaufen.

In dem vorläufigen Bericht der Beobachter gebe es "eine Vielzahl an technischen und konkreten Fehlern und da sehen wir eine Absicht dahinter", sagte Çavuşoğlu. Er warf den Wahlbeobachtern vor, schon mit vorgefertigten Meinungen angereist zu sein. "Wenn Ihr mit Vorurteilen in ein Land kommt, dann werden Eure Feststellungen immer falsch sein." Die Feststellungen der Wahlbeobachter seien "äußerst parteiisch", sagte er. Sie hätten deshalb keine Geltung und keinen Wert.

Vorwürfe der Wahlbeobachter

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hatte Ankara zuvor einen Mangel an Kooperationswillen bei der Klärung der Vorwürfe vorgeworfen. "Von einer Kooperation kann leider keine Rede sein", sagte Michael Link, der bei der OSZE das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte leitet, dem Redaktions-Netzwerk Deutschland.

Die Verlängerung des Ausnahmezustands und die Äußerungen der Wahlkommission, die die Manipulationsvorwürfe bislang strikt zurückgewiesen hatte, sprächen "eine eindeutige Sprache", sagte Link. Er wies Anschuldigungen aus Ankara zurück, Vertreter seiner Behörde seien bei der Beobachtung der Abstimmung voreingenommen gewesen: "Die jetzt öffentlich vorgebrachten Zweifel an unserer Neutralität sind eindeutig politisch motiviert."

Zu einer möglichen Änderung des Ergebnisses nach einer Überprüfung der Wahlzettel wollte sich Link nicht äußern. Er übte aber Kritik an der Wahlkommission: "Fest steht, dass die kurzfristige Entscheidung der Wahlkommission, falsch oder gar nicht gestempelte Wahlzettel als gültig zu werten, ein Verstoß gegen türkisches Recht darstellt." Link forderte die internationale Gemeinschaft auf, die Missstände anzusprechen. Die EU hatte Ankara am Dienstag aufgefordert, die Vorwürfe zu untersuchen.

Wieder Proteste in türkischen Städten

In mehreren Städten der Türkei protestierten am Dienstagabend erneut Tausende Menschen gegen den Ausgang des Referendums. Die Demonstranten versammelten sich unter anderem in der Metropole Istanbul, der Hauptstadt Ankara, dem westtürkischen Izmir und dem zentraltürkischen Eskişehir. Sie werfen der türkischen Regierung Manipulationen bei der Abstimmung vor.

© SZ.de/AFP/dpa/Reuters - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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