Aus den Ruinen zweier Reaktorblöcke des havarierten Atomkraftwerkes Fukushima 1 ist am Montag plötzlich wieder dunkler Rauch aufgestiegen. Zugleich wurde bekannt, dass die Betreibergesellschaft Tepco gar nicht wissen kann, ob tatsächlich der Tsunami die Notstromgeneratoren zerstört hat - oder ob diese wegen Schlampereien bei der Wartung vorher schon kaputt waren.
Wegen der Rauchentwicklung mussten sich die etwa 400 Männer zurückziehen, die immer noch um die Kühlung der überhitzten Brennstäbe kämpften. Der Rauch wurde später grau und ließ nach, es könnte sich um Dampf gehandelt haben; die Retter konnten ihre Arbeit aber bis zum Abend nicht wieder aufnehmen.
Die Radioaktivität sei nicht angestiegen, versicherte Hidehiko Nishiyama, der Sprecher der Atomaufsicht Nisa. Dann sagte er, was er in den letzten Tagen immer wieder sagte: Tepco beobachte die Lage und studiere, was die Ursache sein könnte. Seine Firma habe die Feuerwehr benachrichtigt.
Tepco weiß nicht, welche chemischen Prozesse in ihren Ruinen ablaufen. Irgendetwas brenne, vermutete Nishiyama. Eine Wasserstoffexplosion konnte es nicht gewesen sein, man habe nichts gehört. Ein Kurzschluss konnte ebenfalls ausgeschlossen werden: Das Starkstromkabel war zwar gelegt, aber noch nicht angeschlossen.
Michio Ishikawa, der frühere Präsident des japanischen Instituts für Nukleartechnik, gab schon am Samstag zu, dass man nicht wisse, was in den Brennstab-Becken und in den Reaktoren ablaufe. Er vermute, das seien ähnliche Prozesse wie bei der Havarie des Atommeilers Three Mile Island in den USA 1979. Dort habe man einen Monat gebraucht, die Lage zu stabilisieren. Passiere noch etwas Unerwartetes, könnte es in Fukushima aber auch länger dauern.
Die Retter, die wegen des schwarzen Rauches fliehen mussten, waren dabei, Starkstromkabel zu den Wracks der Reaktorblöcke 3 und 4 zu legen, damit man die verbrauchten Brennstäbe, die dort in offenen Wasserwannen gelagert sind, wieder kühlen könne, statt sie von der Feuerwehr mit Meerwasser besprühen zu lassen. Die Stäbe im dritten Reaktor, aus dem der Rauch aufstieg, enthalten neben Uran- auch Plutoniumoxid. Dies ist radioaktiv und zudem hochgiftig.
Die Stromversorgung der Ruinen soll allerdings nicht nur die Kühlaggregate versorgen, wenn sie denn noch funktionieren; sie soll auch die Messinstrumente in den Anlagen reaktivieren, damit die Tepco-Leute besser verstehen, was in ihrem strahlenden Schrotthaufen vorgeht. Allerdings war schon vor dem Erdbeben nicht klar, ob die Temperaturkontroll-Ventile an den sechs Reaktoren überhaupt funktionieren. Am Montag wurde bekannt, dass Tepco sie seit elf Jahren nie sorgfältig kontrolliert hat. Das hatte die Betreiberfirma nur zehn Tage vor der Havarie des Kraftwerks der japanischen Nuklearbehörde mitgeteilt.
Die Kühlpumpen und Dieselgeneratoren waren ebenfalls nicht kontrolliert worden. Um glaubwürdiger zu wirken, hatte die Betreiberfirma Tepco Reparatur-Protokolle von Instrumenten gefälscht, die nicht einmal überprüft worden waren. Die Nachrichten-Agentur Jiji zitierte einen ungenannten Beamten der Nuklearbehörde: "Wir können nicht sagen, dass diese Versäumnisse nicht zur Kette der Ereignisse beigetragen haben, die zu dieser Krise führten." Mit anderen Worten: Tepco wusste nicht, ob die Dieselgeneratoren überhaupt funktionierten, welche die Notkühlung hätten aufrechterhalten sollen. Vielleicht waren sie schon kaputt, bevor der Tsunami zuschlug.
Tepco entschuldigte sich auch am Dienstag wieder, diesmal bei den Bauern. Nachdem radioaktive Isotope aus dem Meiler in Milch und Spinat festgestellt worden waren, wies Premier Naoto Kan die Präfektur Fukushima und die umliegenden Regionen an, jede Lieferung und jeden Konsum von Milch und Blattgemüse zu verbieten.
Kabinettssekretär Yuko Edano sagte, Tepco müsse die Bauern dafür entschädigen. Weil Tepco längst alles Vertrauen verspielt hat, fügte Edano hinzu, wenn Tepco nicht zahle, erhielten die Bauern ihr Geld von der Regierung.
In den Hauptnachrichten des Fernsehens leitete Bauer Shinichi Muto die 700 Liter Milch seiner 40 Kühe von der Melkmaschine direkt in den Jauchegraben. "Das ist für mich, wie wenn ein Angestellter sein Gehalt in den Müll wirft", sagte er. Verseucht ist nun auch das Trinkwasser. In manchen Regionen, sogar in Tokio, wurden geringe, angeblich unbedenkliche Spuren von Jod-131 nachgewiesen, einem Isotop, das in der Natur nicht vorkommt.
An zwei Orten wurden die Grenzwerte überschritten, die Japan erst kürzlich eingeführt hat. Dem Dorf Iitate, das etwa vierzig Kilometer nordwestlich des Meilers in den Bergen von Fukushima liegt, also außerhalb der Sperrzone, beschied die Regierung in Tokio, sein Trinkwasser sei verseucht. An die 4000 Einwohner wurde am Montag Wasser in Flaschen verteilt. "Dabei haben wir kaum mehr Benzin im Dorf", sagte der Bürgermeister von Iitate im Fernsehen.