Europawahl:Weber: Keine Zusammenarbeit mit "rechten Dumpfbacken"

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Manfred Weber, Fraktionsvorsitzender der Europäischen Volkspartei im Europäischen Parlament

(Foto: Jean-Francois Badias/dpa)

Der EVP-Spitzenkandidat schließt eine Zusammenarbeit mit der italienischen Lega und der polnischen PiS aus - und fordert die Sozialdemokraten auf, es ihm gleich zu tun.

Interview von Karoline Meta Beisel, Matthias Kolb und Alexander Mühlauer, Brüssel

Drei Stunden hat die Europäische Volkspartei (EVP) am Mittwoch darüber diskutiert, ob sie die Fidesz von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán weiter in ihrer Reihe duldet. Mit großer Mehrheit einigte sie sich auf die Suspendierung und beauftragte einen "Weisenrat" mit der Prüfung. Am Morgen danach sitzt Manfred Weber, EVP-Spitzenkandidat bei der Europawahl, in seinem Büro im EU-Parlament und sieht nun andere in der Pflicht.

SZ: Herr Weber, hätten Sie Orbáns Feldzug gegen die Demokratie nicht schon viel früher in die Schranken weisen müssen?

Manfred Weber: Viktor Orbán war über all die Jahre immer offen dafür, auf die EU zuzugehen. Der Wendepunkt war im September 2018, als er sagte, dass er dazu nicht mehr bereit sei. Nun hat die EVP klare Konsequenzen gezogen: Orbán verliert alle Rechte in der Partei, er definiert nicht, wie die Zukunft der EVP aussieht. Das bestimmen die EVP-Führung und ich.

Orbán hat nach der Suspendierung klar gesagt, dass er seine Politik nicht ändere und die EVP sich nach der Europawahl entscheiden müsse: Sucht sie die Mehrheit links oder rechts der Mitte? Wo stehen Sie?

Meine Mehrheit von morgen liegt in der Mitte. Ich möchte nach zehn Jahren Krise endlich nach vorne schauen und anpacken. Mein Angebot, dabei mitzumachen, gilt all jenen, die Europa voranbringen wollen, also auch den Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen.

Das heißt: Sie schließen eine Zusammenarbeit nach der Europawahl mit Matteo Salvini oder der PiS in Polen aus?

Vollkommen klar. Genauso kämpfe ich dafür, dass rechte Dumpfbacken wie aus der AfD oder der Le-Pen-Partei keine politische Verantwortung bekommen. Diese Abgrenzung gegenüber Populisten erwarte ich jetzt auch vom sozialdemokratischen Spitzenkandidaten Frans Timmermans. Ich sehe nicht, dass er einen Finger krumm macht gegenüber den Sozialdemokraten in Rumänien, die auf dem Weg sind, Korruption teilweise zu legalisieren. Genauso schlimm sind die Entwicklungen in Malta, wo eine sozialdemokratische Regierung äußerst zwielichtig agiert. Der Mord an der Journalistin Daphne Caruana Galizia ist nicht aufgeklärt, die Ermittlungen gehen nicht voran. Es steht im Raum, dass es Kontakte zwischen dem maltesischen Staat und der Mafia gibt.

Timmermans soll also mit den rumänischen und maltesischen Sozialdemokraten so umgehen wie Sie mit Fidesz?

Das muss er entscheiden. Wenn er aber nicht klar für Rechtsstaatlichkeit eintritt, verliert er an Glaubwürdigkeit.

Bisher ist es ja so: Jeder schützt seine Parteikollegen. Lässt sich das Thema Rechtsstaatlichkeit überhaupt entpolitisieren?

Ja, dafür habe ich einen neutralen Rechtsstaatsmechanismus vorgeschlagen. Ich nehme für uns als EVP auch in Anspruch, dass wir uns nie blind gegenüber Fidesz verhalten haben. Ein Großteil der Fraktion hat sogar für die Einleitung eines Rechtsstaatsverfahrens gestimmt.

Sie selbst haben Orbán als EVP-Fraktionschef aber immer wieder im Europaparlament verteidigt.

Ja, ich habe ihn verteidigt, aber wenn es um die Grundrechte ging, war für mich immer klar: Das ist nicht verhandelbar. In der EVP gibt es keinen Rabatt in Grundrechtsfragen.

Wie wollen Sie es überhaupt schaffen, den tiefen Graben zwischen Ost und West in der EU zu überwinden?

Wir brauchen Projekte, die uns einen. An der Ostgrenze des Kontinents hat Russland atomare Mittelstreckenraketen installiert, der INF-Vertrag ist gekündigt, die alte Bedrohung ist zurück. Ich könnte mir ein gemeinsames europäisches Raketenabwehrsystem in Abstimmung mit der Nato vorstellen, bei dem die EU-Staaten im Westen den Freunden in Polen, in Rumänien, in der Slowakei, in Litauen vergewissern, dass wir zusammenstehen. Dann würden die Menschen spüren, dass wir uns aufeinander verlassen können.

Auch bei der Migrationsdebatte finden Ost und West, der Süden und der Norden nicht zusammen. Was machen Sie anders, wenn Sie Kommissionspräsident würden?

Ich will die Migrationsfrage zur Chefsache machen und nicht nur auf den Rat der Mitgliedstaaten vertrauen. Das Thema ist in der Sache ausdiskutiert, und das ist vielen auch klar. Die noch offenen Punkte sind eine politische Wunde dieses Kontinents. Wenn wir Vertrauen wollen, müssen wir diese Wunde schließen.

In vielen Ländern ist die Jugendarbeitslosigkeit auch Jahre nach der Euro-Krise sehr hoch. Wie wollen Sie diesen jungen Leuten Hoffnung geben?

Die letzten Jahre waren gute Jahre. Wir haben 13 Millionen Arbeitsplätze geschaffen. Mein Ziel ist, dort weiterzumachen. Wir wollen in den nächsten fünf Jahren noch einmal fünf Millionen neue Arbeitsplätze schaffen.

Wie soll das gelingen?

Ich glaube an die Kraft des Binnenmarktes. Wir haben in den letzten Jahren zu wenig für den Abbau von Hürden in der EU getan. Zudem braucht es ein klares Bekenntnis zum Welthandel. Vor dem Abkommen mit Kanada haben die Grünen gewarnt, in Europa würden dann Chlorhühnchen verkauft, die Parlamente entmachtet und die Bundesrepublik mit Klagen überzogen. Nichts davon ist eingetreten.

Nach der gescheiterten Fusion von Siemens und Alstom gibt es in der Wettbewerbspolitik den deutsch-französischen Vorstoß, die EU-Kommission zu entmachten und dem Rat ein Vetorecht zu geben. Würden Sie das zulassen?

Nein. Dort, wo die Kommission Exekutivrechte hat, also vor allem in der Wettbewerbspolitik, sind wir durchsetzungsstark. Die Bürger sind doch stolz darauf, dass Apple 13 Milliarden Euro Steuern nachzahlen muss. Wer Europa stärken will, muss neben dem Parlament auch die Kommission stärken, um Interessen auf der Weltbühne durchzusetzen. Ich teile aber ausdrücklich, dass die EU auch europäische Champions zulassen muss. Eine Art Ministervorbehalt für die Kommission wäre die richtige Antwort.

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