Süddeutsche Zeitung

Parlamentswahlen in Malta:Bleibt die Skandalpartei an der Macht?

Die Labour Party steht in Valletta vor einem dritten Wahlsieg. Warum schadet ihr nichts - nicht einmal der lange Schatten des Mordes an Daphne Caruana Galizia?

Von Oliver Meiler, Rom

Inseln sind eigentümliche Lebensräume, mitunter schwer entzifferbar. So ist es auch bei Malta. Drei kleine Felsplateaus zwischen Sizilien, Nordafrika und der Europäischen Union, sie bilden eine ganz eigene Welt, durchdrungen von vielen Kulturen. Man spricht da einen Mix aus Hebräisch, Arabisch, Sizilianisch, Italienisch und Englisch, den nur die Malteserinnen und Malteser sprechen, etwa 450 000 an der Zahl. Und die Politik polarisiert die Menschen so leidenschaftlich wie fast nirgendwo sonst, gespalten in zwei Parteien: Die konservative Nationalist Party war immer offen proeuropäisch, die Labour Party lange Zeit das Gegenteil. Einigkeit herrscht nur in einem: Malta ist katholisch, zu etwa 95 Prozent.

An diesem Samstag werden die Malteser nun ein neues Parlament wählen, zum ersten Mal sind auch 16- und 17-Jährige dabei. Und auch diese Wahl stellt Analysten von außen vor Rätsel. Wenn nämlich nicht alles täuscht, wird Labour gewinnen. Die größte unabhängige Zeitung auf der Insel, die Times of Malta, sagt der Partei von Premier Robert Abela einen Triumph voraus: 55,1 zu 43,5 Prozent. Den kleineren Parteien blieben da nur 1,4 Prozent. So polarisiert ist die maltesische Politik. In Zahlen läge Labour etwa 37 000 Stimmen vorn.

Der Vorsprung ist zuletzt geschrumpft, aber noch so deutlich, dass Abela im Wahlkampf neulich in die Menge rufen konnte: "Die Zukunft leuchtet hell, weil wir in der Gegenwart stark sind." Er meinte nicht nur das Land, auch seine Partei. Es wäre der dritte Wahlsieg in Folge nach 2013 und 2017. Dazwischen lagen Wirren, Korruptionsvorwürfe, Skandale und ein dramatischer, wahrscheinlich hochpolitischer Mord - alle Fälle warfen Schatten auf die regierende Labour Party.

Im Januar 2020 trat der damalige Premier Joseph Muscat zurück, nachdem die Polizei einen prominenten Unternehmer festgenommen hatte. Dieser sollte für hochrangige Mitglieder der Regierung Geld in Steuerparadiesen verstecken, etwa für Muscats früheren Kabinettschef und den Energieminister. Das hatten internationale Recherchen rund um die "Panama Papers" unter Federführung der Süddeutschen Zeitung ergeben.

Abela ist sich seiner Sache so sicher, dass er nicht mal Interviews gibt

Yorgen Fenech, der Geschäftsmann, wird auch verdächtigt, den Mord an Daphne Caruana Galizia in Auftrag gegeben zu haben. Die berühmte Journalistin wurde im Oktober 2017 mit einer ferngezündeten Bombe in ihrem Auto getötet. Muscats Regierung, so befand eine Untersuchung 2021, war für die Tat indirekt verantwortlich. Doch der Premier deckte seine Vertrauten weit über das übliche Maß hinaus.

Man kann also fragen: Wie hält sich diese Partei an der Macht? Nun, wirtschaftlich geht es Malta wieder recht gut, das Wachstum 2021 war robust, die Regierung ließ unternehmerische Verluste in der Pandemie vom Staat kompensieren. Und Robert Abela brachte Reformen auf den Weg, die die Befugnisse des Premiers ein bisschen einschränken. Wahrscheinlich hilft Labour auch, dass die Nationalist Party in den vergangenen fünf Jahren drei verschiedene Anführer hatte und nicht eben geschlossen wirkt.

Abela ist sich seiner Sache so sicher, dass er nicht einmal Interviews gibt. Sogar die Times of Malta prallte an ihm ab, auch die Einladung zur Debatte mit dem konservativen Herausforderer Bernard Grech schlug der Premier aus. Eine Erinnerung daran, dass sich kritische Fragen an Bewerber, etwa nach den mittlerweile ausgesetzten "Goldenen Pässen" für reiche Russen, in einer Demokratie geziemen, blieb ebenfalls wirkungslos. Da beschloss die Zeitung, ein ungewöhnliches Interview zu inszenieren - mit einem leeren Stuhl.

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