Malta:Das Undenkbare ist denkbar

Seit dem Mord an Daphne Caruana Galizia fragen sich die Malteser, ob die Journalistin wegen Recherchen über Regierende umgebracht wurde. Nun ist ein Unternehmer festgenommen worden, und das Undenkbare wird plötzlich sehr real denkbar.

Von Oliver Meiler

Klein, schön gelegen, mildes Klima. Nach Malta fuhr man früher, um Englisch zu lernen, fernab vom englischen Wetter. Nun gehen die Jungen dahin, um zu feiern. Das Archipel zwischen Sizilien und Afrika ist zu einer Partydestination geworden. Wirtschaftlich wuchs der kleinste EU-Mitgliedstaat so ansehnlich, dass man ihn für ein Erfolgsmodell halten könnte. Wären da nicht diese schweren Schatten. Sie handeln von Spekulation, Geldwäsche, Korruption - und einem Mord mit politischen Konturen.

Seit dem Bombenattentat auf das Auto der Bloggerin Daphne Caruana Galizia, der furchtlosen Enthüllungsjournalistin, im Herbst 2017 fragen sich die Malteser, ob das völlig Undenkbare denkbar sein könnte. Ob "Daphne", wie sie alle nennen, umgebracht wurde, weil sie aufgedeckt hatte, dass prominente Mitglieder der Regierung Firmen und Konten in fernen Ländern führten, um dort Schmiergeld zu verstecken. Geld etwa aus einem Energiedeal mit einem befreundeten Unternehmer.

Nun ist dieser Unternehmer festgenommen worden, er wollte gerade mit seiner Yacht türmen. Alle anderen Fährten verpuffen, sie dienten der Ablenkung. Plötzlich ist das Undenkbare sehr real denkbar. Die tödliche Gier hat offenbar Verbindungen in die Spitze einer europäischen Regierung. Das sollte auch in Brüssel zu denken geben, ganz dringend.

© SZ vom 21.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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