Süddeutsche Zeitung

Malta:Geschäftsmann im Mordfall Daphne verhaftet

  • Die maltesische Polizei hat im Zusammenhang mit dem Mordfall Daphne Caruana Galizia den Geschäftsmann Yorgen Fenech verhaftet.
  • Er versuchte am Mittwochmorgen mit seiner Yacht das Land Malta zu verlassen, die Behörden zwangen ihn zur Umkehr.
  • Fenech hat enge Kontakte zur maltesischen Regierung, sein Name tauchte schon früher in den Ermittlungen auf.

Von Oliver Meiler, Rom, und Hannes Munzinger

Flucht ist eine eher ungeschickte Art, die eigene Unschuld zu beteuern. Als Yorgen Fenech seine Yacht Giò bestieg, ein Motorboot mit allem Luxus, da lag der maltesische Hafen von St. Julian's noch im Dunkeln. 5.30 Uhr, Mittwochmorgen. Die Marine aber stand schon bereit, sie verfolgte das Boot und zwang es zur Umkehr. Um 5.45 Uhr war die Flucht des Unternehmers vorbei. Fenech wurde verhaftet, die Ermittler blieben noch einige Stunden an Bord der Giò. Sie suchten nach Beweisen - schließlich steht die Festnahme im Zusammenhang mit dem wohl spektakulärsten Kriminalfall der maltesischen Geschichte: dem Mord an der Investigativjournalistin Daphne Caruana Galizia im Jahr 2017.

Yorgen Fenech steht nun offenbar im Zentrum der Untersuchung. Ermittlerkreisen zufolge hatte ein mutmaßlicher Mittelsmann ihn in Zusammenhang mit dem Auftragsmord genannt. Den Informanten, einen Taxifahrer, hatte die Polizei vergangene Woche festgenommen. Offiziell wegen Geldwäschedelikten. Schnell wurde aber öffentlich, dass er der Mittelsmann zwischen den mutmaßlichen Mördern der Journalistin und deren Auftraggebern gewesen sein soll. Am Dienstag verpflichtete sich Premierminister Joseph Muscat, eine Begnadigung des Taxifahrers zu empfehlen, wenn dieser entscheidende Hinweise über die Hintermänner des Anschlags auf die Journalistin geben könne. Offenbar nannte er daraufhin den Geschäftsmann Yorgen Fenech. Und damit zieht der Fall weite Kreise: Fenech stürzt die maltesische Regierung in eine Krise.

Die Journalistin Daphne Caruana Galizia - die in Malta meist nur Daphne genannt wird - war am 16. Oktober 2017 mit einer Autobombe getötet worden. Am Nachmittag hatte sie sich mit dem Auto auf den Weg in die Hauptstadt Valletta gemacht, zu einem Termin bei einer Bank. Auf einer Landstraße, wenige Hundert Meter von ihrem Wohnhaus in Bidnija, detonierten unter ihrem Fahrersitz zwei Sprengsätze. Augenzeugen schilderten später, dass die Journalistin nach dem ersten Knall noch bremste, bevor der Wagen auf eine Wiese schleuderte und in Flammen aufging.

Die Nachricht von Daphnes Tod löste eine Welle internationaler Erschütterung aus. Politiker stellten die Rechtsstaatlichkeit des kleinsten EU-Staates infrage. Als Daphne drei Wochen später beigesetzt wurde, säumten Tausende Malteser die Straßen und applaudierten dem Trauerzug.

Im Dezember 2017 umzingelten schwer bewaffnete Sicherheitskräfte zu Land und zu Wasser einen Verschlag im Hafen von Valletta und nahmen mehrere Tatverdächtige fest. Darunter drei Männer, die die Bombe in Daphnes Auto platziert und gezündet haben sollen. Mithilfe des FBI und Europol hatten Ermittler die Telefonverbindungsdaten der drei Männer ausgewertet und herausgefunden, dass diese sich über Wochen in der Nähe des Hauses der Journalistin aufgehalten hatten. Von einer Anhöhe gegenüber hatten sie die Bewegungen und Gewohnheiten Daphnes beobachtet. Polizisten fanden dort einen Zigarettenstummel mit der DNA eines der Verdächtigen. Auch während des Attentats hatte sich einer der Männer dort aufgehalten und mutmaßlich den Befehl zur Zündung gegeben. Die Bombe wurde per SMS ausgelöst. Die Männer stehen seither vor Gericht, die Beweisaufnahme ist abgeschlossen. Bis heute haben sie sich zu den Vorwürfen mit keinem Wort geäußert.

Die Ermittler gingen schnell davon aus, dass die drei Männer lediglich im Auftrag gehandelt hatten. Die drei gelten als Berufskriminelle, offiziell arbeitslos. Daphne hatte nie über sie berichtet oder recherchiert. Vielmehr hatte sie die Machtelite des Landes im Visier, im Besonderen die seit 2013 regierende Labourpartei von Premier Joseph Muscat. 2016 veröffentlichte sie - obwohl selbst nicht Teil des Rechercheteams - Dokumente aus den Panama Papers, die die Regierung in einen Korruptionsskandal stürzten. Die Dokumente zeigten, dass Energieminister Konrad Mizzi und der Stabschef des Premierministers, Keith Schembri, Eigentümer von Briefkastenfirmen in Panama waren. Beide gegründet kurz nach dem Wahlsieg von Labour im Jahr 2013. Laut den Panama Papers sollten beide Firmen eine Millionensumme bekommen, von einer weiteren rätselhaften Firma, deren Namen in Malta inzwischen jeder kennt: 17 Black.

Ursprünglich betrieb er Casinos und Hotels, dann stieg er in ein Kraftwerksprojekt ein

Es kam zwar nicht zu diesen Zahlungen, aber Schembri konnte den Verdacht nie ausräumen, dass auf diesem Weg Schmiergeldzahlungen fließen sollten. Von wem hätten er und Konrad Mizzi Geld erhalten sollen? Das wollte Daphne herausfinden. Auch Gerichte befassten sich mit dieser Frage. Am Ende lösten das Rätsel aber Journalisten, die sich im sogenannten "Daphne-Projekt" zusammengeschlossen hatten, darunter auch die SZ. Im November 2018 fanden sie heraus, dass Yorgen Fenech der Eigentümer von 17 Black ist. Jener Mann, der am Mittwochmorgen auf seiner Yacht verhaftet wurde.

Fenech betrieb mit seinem Familienunternehmen Casinos und Hotels. 2013 stieg er überraschend in die Betreibergesellschaft eines 450 Millionen Euro schweren Kraftwerksprojekts ein. Auch der deutsche Konzern Siemens ist daran beteiligt. Ein Unternehmenssprecher erklärte, Siemens habe, aufgrund "der öffentlichen Zweifel an der Integrität des Herrn Fenech" nach seiner Enthüllung als Eigentümer von 17 Black, auf dessen Abberufung als Mitglied des Verwaltungsrates gedrungen. Die Betreibergesellschaft ließ verlauten, Fenech sei am 12. November 2019 zurückgetreten. Das Kraftwerksprojekt federführend vorangetrieben hatten: Minister Mizzi und Stabschef Schembri.

Schembri und Mizzi bewahrten trotz aller Vorwürfe ihre Hauptrollen im Zentrum der Macht. Die Labourpartei hatte sich 2017 vorgezogenen Neuwahlen gestellt und diese gewonnen. Minister Mizzi musste das Portfolio Energie abgeben. Schembri blieb Premier Muscats Kabinettschef. Die drei Männer galten seit dem Wahlsieg der Labour Party als unzertrennliche Einheit, als Machtzentrale Maltas.

Muscat stellte sich öffentlich immer hinter seine Vertrauten, und er tat es auch jetzt wieder, wenn auch schwächer: "Bis dato", sagte der Regierungschef nach der Festnahme Fenechs, gebe es keine Hinweise darauf, dass auch Politiker in den Mordfall involviert seien. Die konservative Nationalist Party forderte unterdessen die gesamte Regierung zum Rücktritt auf.

Premier Muscat erklärte, dass die Regierung und er persönlich fest entschlossen seien, die Wahrheit zu finden. Dazu habe auch die Aussicht auf Straferlass für den Mittelsmann gedient. "Hätte ich das nicht entschieden, wäre uns jetzt vielleicht eine Person von großem Interesse entwischt." Noch vor dem Morgengrauen.

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Quelle:
SZ vom 21.11.2019
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