Mallorca nach dem Bombenanschlag:Alarmzustand auf der Insel

Nach dem tödlichen Sprengstoffattentat auf Mallorca fahndet die Polizei nach zwei Frauen und vier Männern. Die Anschlagswelle der Eta wird als Verzweiflungstat gesehen.

Sebastian Schoepp

Am Tag nach dem tödlichen Anschlag der baskischen Terrororganisation Eta auf Mallorca hat das spanische Innenministerium Fahndungsfotos von sechs Verdächtigen veröffentlicht, zwei Frauen und vier Männern. Bislang waren die Sicherheitskräfte von zwei Tätern ausgegangen.

Mallorca nach dem Bombenanschlag: Beamte der Guardia Civil bei der Trauerfeier vor der Kathedrale in Palma de Mallorca: Die Polizei sucht nach sechs Verdächtigen.

Beamte der Guardia Civil bei der Trauerfeier vor der Kathedrale in Palma de Mallorca: Die Polizei sucht nach sechs Verdächtigen.

(Foto: Foto: Reuters)

Die Polizei nimmt an, dass die Terroristen sich noch auf der Insel aufhalten. Demnach hätte die Operation "Käfig" mit einer stundenweisen Abriegelung von Flugplatz und Häfen Erfolg gehabt. Zeugen hatten berichtet, dass nach der Explosion, die zwei Polizisten das Leben kostete, ein dunkler Volkswagen mit hoher Geschwindigkeit davongerast sei.

Das würde die These stützen, dass die Bombe nicht mit einem Zeitzünder versehen war, sondern in der Nähe des Tatorts Palmanova in der Gemeinde Calviá direkt ausgelöst wurde. Wahrscheinlich war die Bombe in einem Rucksack unter dem Nissan Patrol der Getöteten versteckt. Das Auto wurde bei der Detonation völlig zerstört.

In ganz Spanien - auch im Baskenland - wurden am Freitag zur Mittagszeit Schweigeminuten für die beiden Opfer abgehalten. Sie hatten der kasernierten Polizeitruppe Guardia Civil angehört. Auf Mallorca rief der Regierungschef der Balearen, Francesc Antich, eine dreitägige Trauer aus.

Für die beiden jungen Polizisten Diego Salva Lezaún, 27, und Carlos Sáenz de Tejada, 28, wurde am Nachmittag eine Trauerfeier in der Kathedrale der Inselhauptstadt Palma abgehalten, zu der zweitausend Menschen kamen. An ihr nahmen auch der spanische Thronfolger Felipe, die Prinzessinnen Cristina und Elena sowie führende Vertreter der gesamten politische Klasse Spaniens teil.

Wenn die Eta mit ihrem tödlichen Anschlag auf zwei Polizisten auf Mallorca also etwas erreicht hat, dann den Schulterschluss auf der Gegenseite. Einmütig wie selten zuvor verurteilten die sonst heftig zerstrittenen Parteien die Tat. Alle im Madrider Parlament vertretenen Parteien unterschrieben ein Dokument, das den Anschlag aufs Schärfste verurteilt. Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero versprach, den Kampf gegen die Eta weiter zu verschärfen.

Die Terroristen würden "ihr ganzes Leben im Gefängnis verbringen". Der baskische Regierungschef Patxi Lopez sagte, die Terroristen sollten sich "auf den kältesten Winter ihres Lebens vorbereiten". Der Chef der konservativen spanischen Volkspartei (PP) im Baskenland, Antonio Basagoiti, sagte wörtlich über die Täter: "Das sind keine Basken, das sind Schweine." Der Bischof der baskischen Stadt San Sebastián, Juan María Uriarte, sagte: "Wir Basken schämen uns für diese Verbrechen, sie treffen uns als Christen tief."

Der Parlamentssprecher der Sozialisten in Madrid, Jose Antonion Alonso, erklärte, mit der Eta werde nicht verhandelt. Dies ist geltende politische Doktrin der großen Parteien in Spanien. Die Eta soll nicht das Gefühl haben, Terror habe Erfolg. Der Sozialist Zapatero hatte zu Anfang seiner Amtszeit zwar den Kontakt zur Eta gesucht, um ein Ende der Gewalt zu erreichen.

Die Terroristen selbst brachen diese Versuche jedoch mit einem Anschlag auf den Madrider Flughafen 2006 ab. Seitdem hat die spanische Polizei bei mehreren Verhaftungswellen wichtige Eta-Führer festgenommen. Dabei half die französische Polizei. Frankreich ist traditionell das Rückzugsgebiet der Terroristen, weil sie dort bis in die neunziger Jahre hinein als Freiheitskämpfer angesehen wurden.

Aus den Verhaftungen schlossen Parteien und Presse etwas voreilig, die Eta sei geschwächt und praktisch am Ende. Mit den Attentaten von Burgos am Mittwoch und Mallorca am Donnerstag haben die Terroristen zwei Dinge gezeigt: Dass man weiter mit ihnen rechnen muss und dass Töten ihr einziges Argument ist.

In Spanien wird die neue Anschlagswelle als Verzweiflungstat gewertet. Auf fehlende organisatorische Kohärenz deutet hin, dass es anders als bei früheren Attentaten keine Warnung und kein Bekennerschreiben gab. Die Machart, der verwendete Sprengstoff und vor allem das Ziel - die Guardia Civil - weisen jedoch klar auf die Eta hin. Islamisten etwa hätten wahrscheinlich versucht, gezielt Touristen anzugreifen. Weil die Bande am 31. Juli auf 50 Jahre Bestehen zurückblickt, wurden die Sicherheitsvorkehrungen in ganz Spanien verstärkt.

Die mallorquinische Reisebranche macht sich derweil Sorgen. Das Attentat - der erste tödliche Eta-Anschlag auf den Balearen - bedeute einen Rückschlag für die Urlaubsinsel und ihr Image, hieß es. "Auf kurze Sicht wird der Anschlag sich auf die Nachfrage auswirken", befürchtet Aurelio Vázquez, Präsident eines Zusammenschlusses von Hotelketten.

In Großbritannien, von wo die meisten Urlauber in Palmanova stammen, warnte das Außenministerium Reisende vor Spanien. "Dort besteht eine hohe Terrorgefahr". Die Verantwortlichen auf Mallorca wiesen die Warnung zurück. Der Tourismusminister der Balearen, Miquel Nadal, betonte: "Der Anschlag war gegen die Polizei gerichtet und nicht gegen die Urlauber." Am Tag danach füllten sich die Strände jedenfalls wie immer. Es gebe auch keine Wünsche nach vorzeitiger Abreise, teilten die großen Reiseunternehmen mit.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: