Es ist nicht so, als könnte die Ukraine an den Fronten im eigenen Land derzeit große Erfolge im Kampf gegen die russischen Angreifer verkünden. Sie sind in der Defensive. Umso mehr überraschten vor einigen Tagen Hinweise, wonach Kiew dabei geholfen haben soll, russischen Soldaten an einer ganz anderen Front, im westafrikanischen Sahel, heftige Verluste zuzufügen.
Noch ist nicht im Detail nachvollziehbar, was sich in dem unwegsamen Kampfgebiet im Norden Malis genau abgespielt hat und inwieweit ukrainische Angaben dazu belastbar sind. Doch die Ereignisse haben bereits diplomatische Konsequenzen ausgelöst: Die Militärjunta in Bamako kappt umgehend die diplomatischen Beziehungen zu Kiew, wie sie auf der Plattform X bekannt gab.
Im Norden des Landes sollen russische Söldner in einen Hinterhalt geraten sein
Vorausgegangen waren in der vergangenen Woche Kämpfe nahe der Stadt Tinzaouten, ganz im Norden Malis, an der Grenze zu Algerien. Sie dauerten laut lokalen Medienberichten mehrere Tage lang und endeten schließlich in einem militärischen Fiasko für die Junta und deren russische Verbündete. Eine von den separatistischen Tuareg angeführte Rebellenallianz gab an, sie hätten 84 russische Söldner und 47 malische Regierungssoldaten getötet. Von russischer Seite wurde später eine Niederlage mit Verlusten eingeräumt, die Rede war von mindestens 20 toten Soldaten, wie die Moscow Times unter Berufung auf Quellen im Umfeld der früheren Wagner-Söldner schrieb. Inzwischen nennt sich die Gruppe Afrikakorps.
Aus anfänglichen Berichten ergibt sich ein nur lückenhaftes Bild der Ereignisse. Demnach waren an den Kämpfen nicht nur Gruppen von Tuareg, sondern auch Kräfte der dschihadistischen Gruppe Dschamaat Nusrat al-Islam wal-Muslimin (JNIM)beteiligt, sie hätten den Feind in einen „komplexen Hinterhalt“ gelockt. Die Rebellen überraschten offenbar einen gegnerischen Konvoi mit malischen und russischen Soldaten, als der auf Verstärkung wartete.
Die Ukraine deutete an, bei dem Angriff Hilfe geleistet zu haben
Wie der Sprecher des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Andrij Jusow, etwas später in Kiew bekannt gab, hätten die Rebellen in Mali „die nötige Unterstützung bekommen, die eine erfolgreiche militärische Operation gegen russische Kriegsverbrecher ermöglichte“. Damit deutete er an, dass die Ukraine Hilfe für die Aufständischen geleistet habe, Details wollte er nicht nennen. Ende Juli kam ein nicht verifiziertes Foto in Umlauf, das mutmaßliche Tuareg-Kämpfer zeigen soll, die hinter einer ukrainischen Flagge in Pose gehen.
Belastbare Belege für eine ukrainische Beteiligung, welcher Art auch immer, fehlten in der Öffentlichkeit zunächst. Doch die Junta in Bamako ließ mit einer Antwort nicht lange auf sich warten. Mit dem Hinweis auf die „subversiven Äußerungen“ von Jusow erklärte sie, dass das Land die Beziehungen zur Ukraine mit sofortiger Wirkung abbreche. Eine entsprechende Mitteilung veröffentlichte die Militärregierung am Sonntagabend, gezeichnet von Oberst Abdoulaye Maïga. Der ukrainische Geheimdienstler Jasow habe zugegeben, dass die Ukraine in eine „feige, hinterhältige und barbarische Attacke von bewaffneten Terrorgruppen“ verwickelt gewesen sei, schrieb der malische Offizier Maiga. Kiew habe die Souveränität seines Landes verletzt. Zuvor hatte auch die Junta schwere Verluste der Armee im Norden eingeräumt.
Am 1. August veröffentlichte Moskau nach einem Telefonat von Außenminister Sergej Lawrow mit der malischen Junta eine Erklärung, dass Russland „die feste Absicht hat, auch weiterhin die nötige Unterstützung für Bamako zu leisten“. Die jüngsten Kämpfe und Verluste im Norden Malis wurden darin nicht angesprochen.
Analysten schätzen die Zahl russischer Kampftruppen in Mali auf etwa 1000 Mann, sie sind eine Art Lebensversicherung für die Junta in Bamako, die versprochen hat, mit russischer Hilfe das Land in der westlichen Sahelzone ganz unter ihre Kontrolle zu bringen und zu befrieden. 2013 hatte das Land noch französische Truppen willkommen geheißen, sie sollten damals den Vormarsch islamistischer Gruppen eindämmen. Neun Jahre später zogen diese Spezialkräfte wieder ab, nachdem es keine Grundlage mehr gab zu einer Zusammenarbeit mit den herrschenden Kräften in Bamako. Die Militärjunta in Mali, die sich an die Macht geputscht hatte, folgte lieber den russischen Angeboten.
In Moskau waren am Sonntag Dutzende Menschen in der Nähe des Kremls zusammen gekommen, wo sie um die russischen Soldaten trauerten, die bei den Kämpfen in Mali getötet worden waren. Über den Einsatz in Afrika wollten die Anwesenden nicht sprechen, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtete.