Mali:Putschisten und Zivilisten

Lesezeit: 2 min

Die Militärjunta zeigt nach ihrem Putsch vor zwei Monaten nun den Willen, mit der neuen Regierung die Macht zu teilen.

Von Anna Reuß, München

Nach dem Putsch war die Befürchtung groß, dass Malis Militärjunta die Macht nicht teilen würde. Nun geht es allerdings Schlag auf Schlag: Zuerst war es der Militärführung am Sonntag gelungen, den entführten Oppositionsführer Soumaïla Cissé und eine französische Mitarbeiterin einer Hilfsorganisation, die 2016 entführt worden war, im Austausch für 180 inhaftierte Islamisten freizupressen. Cissé war seit März verschwunden, als er vor der Parlamentswahl bei einem Wahlkampfauftritt gekidnappt worden war. Am Montag konstituierte sich dann eine neue Übergangsregierung. Erwartungsgemäß sind zwar mehrere neue Kabinettsmitglieder, darunter der Verteidigungsminister und der Minister für innere Sicherheit, aus den Reihen der Armee. Doch mehrere Ministerposten gingen an Zivilisten.

Nicht ganz zwei Monate ist es her, dass eine Gruppe hochrangiger malischer Soldaten, die sich selbst "Nationales Komitee zur Errettung des Volkes" nannte, Präsident, Premierminister und mehrere Minister festnahmen. Innerhalb weniger Stunden übernahmen sie die Kontrolle über das Land. Sie erklärten ihr Handeln damit, dass das Land andernfalls "in Chaos und Unsicherheit versunken" wäre. Dem Staatsstreich waren monatelange Massenproteste vorausgegangen: Viele Malier waren mit der Politik von Präsident Ibrahim Boubacar Keïta unzufrieden gewesen, Zehntausende hatten seinen Rücktritt gefordert, weil er - so der Vorwurf der Demonstranten - nicht in der Lage gewesen sei, die Probleme des Landes zu lösen.

Die Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas hebt jetzt die Sanktionen gegen Mali auf

Die schlimmsten Befürchtungen der internationalen Gemeinschaft, dass sich die Junta nach dem Putsch womöglich ein Machtmonopol schaffen würde, haben sich aber nicht bewahrheitet. Ende September war bereits Interimspräsident Bah Ndaw vereidigt worden. Am Montag ernannte er die 25 Frauen und Männer, die die neue Übergangsregierung bilden. Vier Ministerinnen haben demnach die Ressorts Gesundheit, Umwelt, Kultur und Familie übernommen.

Einen Tag nach ihrer Ernennung erklärten schließlich die Staaten der Ecowas, der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft, dass sie die Sanktionen gegen Mali angesichts der Entwicklungen aufheben würden. Sie hatten zunächst einen zivil geführten demokratischen Übergang sowie die Auflösung der Militärjunta gefordert. Nach dem Putsch waren Malis Mitgliedschaft in dem Bündnis vorübergehend ausgesetzt sowie Grenzübergänge geschlossen und Finanzströme gestoppt worden. Die Militärjunta hatte vor einigen Wochen auf Druck der Ecowas und der Afrikanischen Union erklärt, binnen 18 Monaten Wahlen abzuhalten.

Obwohl das Land nun immerhin eine Regierung hat, kritisieren vor allem jüngere Malier die Zusammensetzung des Kabinetts. Der Soziologe Bréma Ely Dicko sagte etwa in einem Interview, es sei "eine Schande, dass Frauen unterrepräsentiert sind". Ebenso hätten junge Menschen stärker einbezogen werden können, kritisierte er.

In Mali sind in den vergangenen Jahren Tausende Menschen durch Terroranschläge und ethnische Gewalt getötet worden. Militante Islamisten sind vor allem im Norden und in Zentralmali aktiv und greifen immer wieder das Militär und Soldaten der UN-Friedenstruppen an. Trotz breiter Unterstützung durch ausländisches Militär, darunter Soldaten der Bundeswehr, ist es der malischen Armee bislang nicht gelungen, die Situation unter Kontrolle zu bringen. Die EU bildet dort unter anderem im Rahmen der Ausbildungsmission EUTM Sicherheitskräfte aus.

© SZ vom 08.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: