Mali:Der Sündenbock zieht ab

Mali: Bitte alles einpacken: französische Soldaten in Mali.

Bitte alles einpacken: französische Soldaten in Mali.

(Foto: Jerome Delay/AP)

Für Malis Putsch-Präsidenten ist der Abschied der internationalen Truppen um die alte Kolonialmacht Frankreich ein Triumph. Doch wenn die Sicherheitslage sich nicht bessert, könnte die Stimmung schnell kippen.

Von Bernd Dörries, Kapstadt

"Endlich ist es so weit. Vielen Dank, Herr Präsident." So kommentierten viele Malier in den sozialen Medien die Entscheidung Frankreichs und seiner Verbündeten, ihre Truppen aus Mali zurückzuziehen. Der Präsident und Putschist Assimi Goïta sagte am Donnerstag erst einmal nichts zu seinem Triumph. Auch der Rest der Regierung schwieg.

Was vielleicht auch daran liegt, dass der Abzug der Franzosen eher neue Probleme schaffen könnte. Zwar ist die alte Kolonialmacht vielen Maliern verhasst, andererseits ist den meisten Bürgern des riesigen Landes die Verbesserung der Sicherheitslage am wichtigsten. Frankreich werfen viele vor, vor allem wegen eigener Interessen in Mali und der Sahel-Zone aktiv geworden zu sein, aber nicht, um den Menschen zu helfen.

Mehr als eine Million Malier sind auf der Flucht

Die Sicherheitslage hat sich trotz des Einsatzes von fast 25 000 internationalen Soldaten in den vergangenen Jahren verschlechtert. Bis zu 80 Prozent des Landes sind unter der Kontrolle von Banditen und Islamisten, die sich al-Qaida oder dem Islamischen Staat zugehörig fühlen. Mehr als eine Million Malier sind auf der Flucht. Die Frage ist nun, wie sich die Lage ohne die Franzosen entwickelt. "Der Abgang wird angesichts ihres Einsatzes im Kampf gegen den Terrorismus Auswirkungen haben", sagte der Sprecher der UN-Mission Minusma. Er rechne mit mehr Angriffen auf die verbliebenen internationalen Truppen.

Auch in den Nachbarländern wächst die Nervosität, dass die in Mali operierenden Terroristen weiter nach Westafrika vordringen. Kürzlich wurden in Benin bei einem Attentat in einem Nationalpark neun Menschen getötet. "Wir glauben, dass der Kampf gegen den Terrorismus lebenswichtig ist. Durch das Ende (der Militärmissionen) von Barkhane und Takuba entsteht eine Leere. Wir müssen unsere Streitkräfte erhöhen, wir müssen die Sicherheit unserer Grenzen erhöhen und verstärken, wir müssen Waffen kaufen", sagte Alassane Ouattara, der Präsident der benachbarten Elfenbeinküste.

Sein Land gehört zu den Unterstützern der Sanktionen gegen Mali, die durch die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas verhängt wurden. Grenzen wurden geschlossen, das Auslandsvermögen des Landes eingefroren, Geldtransfers erschwert. Für Goïta sind die Sanktionen ein großes Problem, denn obwohl Lebensmittel eigentlich von ihnen ausgeschlossen sind, werden die ersten Grundnahrungsmittel teurer, weil weniger Lastwagen über die Grenzen kommen.

Auch innenpolitisch gerät das Regime unter Druck

Die Sanktionen belasten allerdings auch Länder wie den Senegal, der viel nach Mali exportiert. Deshalb wird mit den Putschisten in Mali über einen Kompromiss nachgedacht. Es gibt eine Arbeitsgruppe mit Ghana und Nigeria, die versuchen will, einen neuen Zeitplan zur Rückkehr in die Demokratie festzulegen. Goïta hatte bisher angeboten, in spätestens fünf Jahren wählen zu lassen, die Staatengemeinschaft fordert deutlich frühere Wahlen.

Innenpolitisch gerät das Regime ebenfalls etwas mehr unter Druck. Die Opposition hatte lange nicht gegen den Putsch protestiert, weil die Soldaten an der Staatsspitze bei großen Teilen der Bevölkerung beliebt sind. Mittlerweile warnt ein Parteienbündnis aber vor dem Verfall der bürgerlichen Rechte und einer "Atmosphäre des Terrors". Gegner des Regimes werden festgenommen, Journalisten an der Arbeit gehindert. Verschlechtert sich die Sicherheitslage weiter, wird die Popularität des Präsidenten sinken.

Noch profitiert Goïta aber von der allgemeinen Stimmung, die Frankreich für die desolate Lage des Landes verantwortlich macht. Viele Malier waren wütend, dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zwar den ebenfalls durch einen Putsch an die Macht gekommenen Präsidenten des Tschad, Mahamat Déby, zu Konsultationen über die Zukunft seiner Militäreinsätze nach Paris eingeladen hatte. Nicht aber Assimi Goïta.

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